Schönheit und Eleganz. Die ganze Form des Schiffs und
die Verhältnisse des Kreuzes entzücken das Auge, und
diese durch keine kleinliche, unnütze Zieraten verunstaltete,
durch nichts Heterogenes gestörte Harmonie
wird durch die weiße Farbe, womit die ganze Kirche überzogen
ist, noch erhöht. Hier ruhen das Auge und der
Geist; hier fühlt man sich wie zu Hause und glaubt an die
Verwandtschaft des Bewohners mit unserm Geiste; hier
ist nichts Finsteres, nichts Schauerlicherhabenes. Größe
ist es, mit gefälliger Grazie, mit Schönheit und Liebe
umflossen. Die Verschwendung der köstlichsten Marmorarten
in den hiesigen Kirchen beklagten wir erst recht
lebhaft, nachdem wir dieses schöne Gebäude betrachtet
und uns vorgestellt hatten, welch einen herrlichen
Effekt es machen v/ürde, wenn man sie hier angewendet
und die Vollkommenheit der Form durch die Pracht
und Vortrefflichkeit des Stoffs erhöht hätte.
Der Abbé Mann, ein alter Engländer, verschaffte uns
Gelegenheit, das Gemäldekabinett des hiesigen Bankiers,
Herrn Danhot, zu sehen, und ich kann nicht zu
früh von dieser vortrefflichen Sammlung sprechen, die
mich mitten in Brüssel so angenehm an italienische
Kunst und ihre Vollkommenheit erinnerte. Ich sage Dir
nichts von dem schönen Lucas van Leyden, dessen Verdienst
in seinem Altertum besteht; von den kleinen
Stücken, worunter ein Mieris befindlich ist, der den Eigentümer
eintausend Gulden gekostet hat; von den meisterhaften
Landschaften des wackern van Goyen; von
dem Salvator Rosa, dem Bassano, den Teniers groß und
klein, fünf an der Zahl, so schön ich sie je gesehen habe;
von dem St. Franziskus von Guido und einer Jungfrau,
angeblich von demselben Meister, die ich aber beide für
Kopien halte; von den zwei obstnaschenden Knaben des
Murillo, die, wie alles von diesem Künstler, aus der Natur
leibhaft ergriffen sind; ich mag nicht von van Dycks
schönen Skizzen sprechen, worunter besonders die Ab-
nehmung vom Kreuze so lieblich gedacht ist, daß man
den Tod des Adonis zu sehen glaubte, wenn nicht ein
Priester im Meßgewande vorn die Illusion zerstörte;
nicht von Rembrandts zwei unnachahmlichen Porträts,
dem Maler und dem Philosophen; nicht von dem vermeintlichen
Raffael, der diesen Namen nicht verdient;
nicht von Rubens’ Sabinerraub, von seiner Bürgerschaft
von Antwerpen vor Karl dem Fünften; nicht einmal von
seiner Rückkehr aus Ägypten, mit Figuren in Lebensgröße,
wo Gott der Vater sehr gemächlich in den Wolken
sitzt, der Christusknabe hingegen, mit einem lieblichen
Kopf, eine vorzügliche Leichtigkeit im Gange hat.
Was konnte ich von diesem Reichtum noch sehen, nachdem
ich eine Danae von Tizian und ein Porträt der Frau
des Malers Joconde* von Leonardo da Vincis Hand gesehen
und verschlungen hatte? Die Danae ist eine köstliche
Figur; sie liegt da und lebt. Mehr wird kein Mensch
zu ihrem Lobe sagen können. Farbe, Gestalt der Muskeln,
Frische und Samtweiche der Haut sind wahr bis
zum Angreifen und in der Fülle der Reize. Es ist nur
schade, daß der große Meister diesem schönen Körper
keine Seele schuf; der leere Kopf mit den geschlossenen
Augen ist auszeichnend häßlich; man möchte ihn aus
dem Bilde herausschneiden, damit er dessen Harmonie
nicht störte. Frau Joconde erinnerte mich augenblicklich
an mein Lieblingsbild in der landgräflichen Galerie zu
Kassel, wo dem Künstler genau dasselbe Gesicht zu
einer himmlischen Madonna gedient haben muß. Das Kolorit
des hiesigen Stücks hat indes vor jenem einen entschiedenen
Vorzug. Sie hält die eine Hand mit einer
Aglaienblume* ein wenig steif nach Art der älteren Maler
empor; in der ändern hat sie blühenden Jasmin, und
im Schöße liegen noch einige Blumen. Ein wenig Härte
und Trockenheit mag immer der Pinsel beibehalten ha