nicht wohltut. Hier und dort sahen wir indes doch ein
Mandel- und ein Pfirsichbäumchen und manchen Frühkirschenstamm
mit Blütenschnee weiß oder rötlich überschüttet;
ja selbst in dem engeren Teile des Rheinlaufs,
zwischen den Bergklüften, hing oft an den kahlen, durch
die Rebenstöcke verunzierten Felswänden und Terrassen
ein solches Kind des Frühlings, das schöne Hoffnungen
auf die Zukunft in uns weckte.
Nicht immer also träumten wir uns in den ewigen
Sommer der Palmenländer. Wir saßen stundenlang auf
dem Verdeck und blickten in die grüne, jetzt bei dem
niedrigen Wasser wirklich erquickend grüne, Welle des
Rheins; wir weideten uns an dem reichen, mit aneinanderhangenden
Städten besäeten Rebengestade, an dem
aus der Ferne her einladenden Gebäude der Propstei Johannisberg,
an dem Anblick des romantischen Mäuseturms
und der am Felsen ihm gegenüber hangenden
Warte. Die Berge des Niederwalds warfen einen tiefen
Schatten auf das ebene, spiegelhelle Becken des Flusses,
und in diesem Schatten ragte, durch einen zufälligen
Sonnenblick erleuchtet, Hattos Turm* weiß hervor, und
die Klippen, an denen der Strom hinunterrauscht, brachen
ihn malerisch schön. Die Noh, mit ihrer kühnen
Brücke und der Burg an ihrem Ufer, glitt sanft an den
Mauern von Bingen hinab, und die mächtigeren Fluten
des Rheins stürzten ihrer Umarmung entgegen.
Wunderbar hat sich der Rhein zwischen den engen
Tälern einen Weg gebahnt. Kaum begreift man auf den
ersten Blick, warum er hier (bei Bingen) lieber zwischen
die Felswände von Schiefer sich drängte als sich in die
flachere Gegend nach Kreuznach hin ergoß. Allein bald
wird man bei genauerer Untersuchung inne, daß in dieser
Richtung die ganze Fläche allmählich steigt und wahrer
Abhang eines Berges ist. Wenn es demnach überhaupt
dem Naturforscher ziemt, aus dem vorhandenen
Wirklichen auf das vergangene Mögliche zu schließen,
so scheint es denkbar, daß einst die Gewässer des
Rheins vor Bingen, durch die Gebirgswände gestaut und
aufgehalten, erst hoch anschwellen, die ganze flache Gegend
überschwemmen, bis über das Niveau der Felsen
des Bingerlochs anwachsen und dann unaufhaltsam in
der Richtung, die der Fluß noch jetzt nimmt, sich nordwärts
darüber hinstürzen mußten. Allmählich wühlte
sich das Wasser tiefer in das Felsenbett, und die flachere
Gegend trat wieder aus demselben hervor. Dies vorausgesetzt,
war vielleicht der Rheingau, ein Teil der Pfalz
und der Bezirk um Mainz bis nach Oppenheim und
Darmstadt einst ein Landsee, bis jener Damm des Binger
Felsentals überwältigt ward und der Strom einen Abfluß
hatte.
Der stärkere Wein, den der Rheingau hervorbringt,
wächst nicht mehr jenseits der Enge von Bingen. Die
Richtung des Flusses von Morgen gegen Abend durch
den ganzen Rheingau gibt den dortigen Rebenhügeln
die beste Lage gegen den Strahl der mittäglichen Sonne,
und die Gestalt des östlichen Gebirges, das auf seiner
Oberfläche beinahe ganz eben ist, trägt vieles zur vorzüglichen
Wärme dieses von der Natur begünstigten Tales
bei. Der Nord- und der Ostwind stürzen sich, wenn
sie über jene erhabene Fläche herstreichen und an den
Rand derselben kommen, nicht geradezu hinab, sondern
äußern ihre meiste Kraft erst auf der entgegengesetzten
Seite des Flusses; das Tal unmittelbar unter dem
Berge berühren sie kaum. Welchen Einfluß die mineralischen
Bestandteile des Erdreichs und die Verschiedenheit
der Gebirgslager auf die Eigenschaften des Weins
haben können, ist noch nicht entschieden. Je weniger
man über diesen Punkt weiß und bestimmt wissen kann,
desto weiter treibt die grübelnde Hypothesensucht ihr
Spiel damit. Hier darf sie sich keck auf ihre empirische