Künste, um die Leute zur Sprache zu bringen. Sie waren
durchgehends von ihren politischen Verhältnissen bis
zum Überströmen voll, hingen daran mit unglaublichem
Eifer und schienen sich im gegenwärtigen Zeitpunkte,
wie alle freie Völker, mit den öffentlichen Angelegenheiten
beinahe mehr als mit ihren Privatbedürfnissen zu
beschäftigen. Die Namen des Königs von Preußen, des
Grafen von Hertzberg, des Generals von Schlieffen und
des Herrn von Dohm wurden nicht anders als mit einem
Ausdruck der Verehrung und Liebe, mit einer Art von
Enthusiasmus genannt. Man hatte uns schon in Aachen
erzählt, und hier bestätigte es sich, daß der letztere den
Umarmungen der Köhlerweiber, welche hier die Pariser
Poissarden vorstellen können, mit Not entgangen sei.
Zum Lobe der preußischen Truppen und ihrer vortrefflichen
Mannszucht vereinigten sich alle Stimmen. »Ils
sont doux comme des agneaux«, sagten sie, und hinterdrein
erscholl die wahre französische Ruhmredigkeit mit
der Beteuerung, daß, wenn sie es nicht wären, »on leur
ferait voir du pays«; denn die Zuversicht, womit sie auf
ihre eigenen Kräfte trotzen, geht ins Hyperbolische und
reißt sie zu Äußerungen hin, die in ihrem Munde nichts
bedeuten, aber doch wie Beleidigungen klingen. Bei
dem natürlichen Hange der Menschen, das Langgewohnte
für etwas Notwendiges und Gutes zu halten,
folglich ihre Vorgesetzten, bloß weil es die ihrigen sind
und man es sie so gelehrt hat, zu ehren und zu lieben,
muß in der Tat eine schrecklich empörende Mißhandlung
des Volks hier vorhergegangen sein, um dieses
Band zu zerreißen und den hohen Grad von Erbitterung,
der sich durchgängig äußert, gegen den Bischof zu
erwecken. Die Wut - man kann es kaum anders nennen,
was sie bei dem Nennen seines Namens augenblicklich
entflammt -, die Wut ging so weit, daß sie sich gegen
ihn der härtesten Ausdrücke bedienten und ohne alle
Zurückhaltung von ihm als von einem verworfenen, des
Fürstenstuhls unwürdigen Menschen sprachen. Ebenso
kühn und trotzig wüteten sie gegen das wetzlarische
Kammergericht und die deutschen Fürsten, die ihre vermeinte
Notwehr gegen die Tyrannei wie einen Aufruhr
behandeln; diese wurden nicht ohne Verwünschungen
genannt, und wir sahen die eifrigen Patrioten auffahren
bei dem Gedanken, daß ihnen eine unwillkommene Koadjutorschaft*
bevorgestanden habe. Mit dem Fürstenhasse
verbindet sich zugleich ein allgemeines Mißfallen
an dem ganzen Priesterstande, das beinahe in Verachtung
und Indignation gegen diese Klasse und, weil der
rohe Haufe weder unterscheidet noch prüft, bei vielen
auch gegen die Religion selbst übergeht. Wie das Volk
seine Religionsbegriffe bloß auf Treu und Glauben,
nicht nach vernünftiger und freiwilliger Prüfung angenommen
hat, so muß seine Anhänglichkeit an dieselben
endlich geschwächt werden, wenn das Vertrauen auf
seine Lehrer verschwindet. Der État primaire, worunter
das Domkapital verstanden wird, hat sich durch den
Vorschlag einer Kopfsteuer, welche auf die ärmeren
Volksklassen zurückfallen würde, statt des von ihm erwarteten
Darlehns bei den Einwohnern nicht zum besten
empfohlen.
In den Wirtshäusern und Kaffeehäusern sahen wir
fleißige Zeitungsleser, und selbst der gemeine Mann politisierte
bei seiner Flasche Bier von den Rechten der
Menschheit und allen den neuen Gegenständen des
Nachdenkens, die seit einem Zeitabschnitte von ein paar
Jahren endlich auch auf dem festen Lande in Umlauf gekommen
sind. In den müßigen Zwischenräumen, welche
die Sorge für die Befriedigung des physischen Bedürfnisses
übrigläßt, fordert der Geist Beschäftigung. Entweder
muß er seine Phantasie mit hyperphysischen Träumen
wiegen, die er nicht zergliedern und nach dem Gesetze