Sie ist mit kleinlichen Zieraten überladen, mit denen die
Säulen von Marmor, Granit und Porphyr sonderbar genug
kontrastieren. Der Stuhl, worauf seit Karls des Großen
Zeit so mancher deutsche Kaiser gekrönt worden
ist, besteht aus schlechtem weißem Marmor und hat eine
so unzierliche Gestalt, daß man ihn für eine Satire auf
alle Throne der Welt halten möchte. Sosehr uns der Vor-
zeiger bat, uns darauf zu setzen, spürte ich doch nicht
die geringste Versuchung dazu und wünschte nur manchem
deutschen Fürsten das Gefühl, womit ich da vor
dem Stuhle stand. Die Geschichte der letzten Jahrhunderte
war soeben vor meinem Gedächtnis vorübergegangen.
Was man in Wien, in Regensburg und in Wetzlar
für ganz verschiedene Vorstellungen von den wesentlichen
Bestandteilen der Reichsverfassung hegt; wie allmählich
die Kaiserwürde durch alle Metamorphosen bis
zu ihrer jetzigen Form, wo ihr nur der Schatten ehemaliger
Herrschermacht geblieben ist, sich hat ein schränken
lassen; wie die zahlreichen freien Stände, jetzt unter der
unwiderstehlichen Übermacht von wenigen Allesvermö-
genden aus ihrer Mitte, nur noch am Namen der Freiheit
sich begnügen und den gesetzgebenden Willen dieser
wenigen gutheißen müssen: dies alles erfüllte mich
mit der niederschlagenden Überzeugung, wie wenig
Willkürliches in den Schicksalen der Völker, wie wenig
der Würde denkender Wesen Angemessenes sich im
großen Gange der Weltbegebenheiten zeigt und wie das
Glück und die Wohlfahrt der Millionen, die auf dem Erdenrund
umherkriechen, von toten Buchstaben, von eigensinnigem
Kleben an bedeutungsleer gewordenen
Zeremonien, von Nichtswürdigkeiten, welche leeren
Köpfen Importanz geben, stets abhängig bleibt und keineswegs
in ihrer eigenen Kraft und Tat besteht!
Die Tore von Erz an der Kollegiatkirche sind zersprungen;
allein diesen Spalt zeigt man hier als ein Siegeszeichen,
zum Gedächtnis der Überlegenheit der pfäf-
fischen Verschmitztheit über die teuflische. Die Bürger
von Aachen, erzählt uns die Legende, hatten, weil es
ihnen an Mitteln zur Beendigung des Baues dieser Kirche
fehlte, vom Teufel Geld geborgt und ihm dafür die
erste Seele, die zur Kirchentüre hineingehen würde,
zum Eigentum überlassen. Als nun der Bau vollendet
war, fand sich kein Mensch, der das Opfer dieses frevelhaften
Vertrages werden wollte; die Furcht vor Satans
Krallen wirkte so mächtig in dieser gläubigen Stadt, daß
die Kirche wahrscheinlicherweise bis auf den heutigen
Tag hätte leer stehen müssen, wenn nicht ein Priester
auf den klugen Einfall gekommen wäre, einen Wolf, den
man zu gutem Glück lebendig gefangen hatte, durch die
Kirche zu jagen. Der Teufel schlug aus Verdruß, sich
überlistet zu sehen, die Tore von Erz hinter sich zu, daß
sie zersprangen. Den Unglauben zu beschämen, der
etwa sich erdreisten möchte, den Spalt im Erz durch
einen Windstoß, der die Flügel zuwarf, natürlich zu erklären,
stehen draußen vor demselben Tore zwei in Erz
gegossene, Denkmäler, wovon das eine den Wolf, das andere
aber seine verdammte Wolfsseele, in Gestalt eines
ungeheuren Tannzapfens, vorstellt. Um übrigens von
der Wirkung auf die Ursache zu schließen, müßte man
nur wie ich heute die Karfreitagsprozession gesehen haben.
- Bei einem schneidenden Nordwinde gingen die
frommen Büßenden, mehr als dreihundert an der Zahl,
und schleppten barfuß und unter ihren dünnen Kitteln
fast nackend hölzerne Kreuze von gewaltigem Gewichte
den Laufsberg hinan. Ihr werdet freilich schreien: Besser
etwas weniger Büßung, und keine Wolle gestohlen! Allein
es ist doch immer ein bewundernswürdiges Schauspiel,
wie viel die Religion über unsere phlegmatische
Natur vermag. Weise und tugendhafte Lehrer hätten ein
solches Volk ebensoleicht ehrlich als andächtig gemacht.