stern zu lassen; man lernte sie auswendig, antwortete
dreist und prompt und ward Doktor. An diesem Beispiele
läßt sich abnehmen, wie leicht die besten Vorkehrungen
mißbraucht und der Vorteil des Staats, den man
zur Absicht dabei hatte, durch den Eigennutz einzelner
Gesamtheiten in demselben, vernachlässigt werden
kann. Wer hätte nicht geglaubt, daß es ein vortreffliches
Mittel sei, lauter geschickte und gelehrte Beamten zu erhalten,
wenn man es ihnen zur Bedingung der Beförderung
machte, daß sie in Löwen graduiert sein müßten?
Allein die schlaue Klasse von Menschen, denen mit der
Ausbildung weiser Staatsdiener kein Gefallen geschieht,
die Klasse, die immer nur im trüben fischen will und nur
durch die Unwissenheit ihrer Mitbürger ihre Existenz
zu verlängern hoffen kann, wußte schon jene so gut ausgedachte
Anstalt zu vereiteln und ihre eigenen Einkünfte
zugleich zu vermehren. Der ganze Zuschnitt der
Universität war theologisch. Alle, selbst die weltlichen
Professoren, waren zur Tonsur und zum Zölibat verbunden;
denn nur unter dieser Bedingung konnten sie gewisse
Präbenden statt der Salarien erhalten. Die Bibliothek
ward allein von den Beiträgen der Studierenden
vermehrt; kein Wunder also, wenn sie unbedeutend geblieben
ist. Ebenso entstand aus dem jährlichen Beitrage
von acht Krontalern, den jeder Studierende erlegen
mußte, eine Kasse, in welche sich die Professoren teilten
und wobei sie sich allerdings sehr gut stehen konnten,
wenn die Anzahl der Akademiker sich auf mehrere Tausende
belief. Viele Fremde, insbesondere die Katholiken
aus den Vereinigten Niederlanden, haben diese Universität
immer fleißig besucht und auf ihr beträchtliche
Summen verzehrt. Van Leempoel selbst war, wenn ich
nicht irre, aus den Generalitätslanden gebürtig.
Joseph erkannte bald, daß ohne eine bessere Form der
öffentlichen Erziehungsanstalten sich an keine gründliche
Aufklärung in seinen belgischen Provinzen denken
lasse; er erkannte zugleich, daß vermehrte Einsicht der
einzige Grundstein wäre, auf welchem seine Reformen
in dem Staate sicher ruhen könnten. Daher verlegte er
die weltlichen Fakultäten der Universität nach Brüssel,
um sie dem Einflüsse des theologischen Nebels zu entziehen
und der Aufsicht seines Gouvernements näher
zu rücken. Diese eines großen Regenten würdige Einrichtung,
welche schon allein beweist, wie tief der Kaiser
in das Wesen der Dinge schaute und wie sehr er den
rechten Punkt, worauf es ankam, zu treffen wußte,
würde vielleicht noch durchgegangen sein, wenn es ihm
nicht auch am Herzen gelegen hätte, die Finsternis, in
welche die niederländische Geistlichkeit sich selbst und
ihre sämtlichen Mitbürger absichtlich hüllte, durch kräftig
hineingeworfene Lichtstrahlen zu zerstreuen. Unglücklicherweise
waren es nur Blitze, deren grelles
Leuchten bloß dazu diente, die Schrecken der Nacht
recht fühlbar zu machen; hier und da sengten sie mit
ihrem kalten Strahl, zündeten und zerstörten und ließen
dann alles so wüst und unfruchtbar wie zuvor. Der große
Grundsatz, daß alles Gute langsam und allmählich geschieht,
daß nicht ein verzehrendes Feuer, sondern mild
erwärmende Sonne wohltätig leuchtet, die Dünste zerteilt
und das schöne Wachstum der organischen Wesen
befördert, scheint Josephs Kopf und Herzen gleich
fremd gewesen zu sein; und dieser Mangel eines wesentlichen
Grundbegriffs zertrümmerte alle seine großen
und königlich erdachten Pläne.
Von dem Augenblick an, da der Kaiser die Privilegien
der Geistlichkeit in seinen Niederlanden antastete, von
dem Augenblick an, da er den theologischen Unterricht
von seinen gröbsten Schlacken reinigen und den Sauerteig
der Bollandisten* ausfegen wollte, war ihm und allen
seinen Maßregeln Verderben geschworen. Zu einer