gleichen, achtete er die Entfernung von London und
Paris für nichts. Reisen überhaupt, diese große, unvergleichbare
Quelle der sichersten Belehrung durch die eigenen
Sinne, suchte er, soweit es anging, mit seinen Geschäften
zu vereinbaren. Bei der brennenden Begierde,
das Gute oder was er dafür hielt, zu wirken, war ihm die
wissenschaftliche und selbst die praktische medizinische
Laufbahn zu enge. Er besaß ein eigenes Vermögen von
einer halben Million und konnte folglich in dieser Rücksicht
den Hof entbehren; allein er opferte dem Ruhm
und der Ehre mit einem Geiste, der freilich auch diese
Leidenschaft adeln kann; und sowohl seine Bekanntschaft
mit den inneren Angelegenheiten seines Vaterlandes
als seine auswärtigen Verbindungen empfahlen ihn
zu wichtigen Ämtern im Staate. In seiner Provinz Friesland
hatte er Sitz und Stimme im Admiralitätskollegio,
und gleich nach der Rückkehr des Erbstatthalters, dessen
Rechte er eifrig verfochten hatte, ward er zum Mitglied
des hohen Staatsrates (Raad van Staaten) ernannt.
Diese Anhänglichkeit an die oranische Partei hätte indes
für die Wissenschaften eine sehr nachteilige Folge haben
können. Schon wollte man in Franeker sein Haus zu
Klein Lankum, wo er die unschätzbarste Präparate- und
Naturaliensammlung besaß, mit Kanonen in den Grund
schießen. In der Eile wurden die kostbarsten Stücke in
Kisten gepackt oder vielmehr geworfen und fortgeschafft
oder auch zum Teil vergraben. Als die Gefahr
vorüber und die Ruhe wiederhergestellt war, strafte er
seine Landsleute dadurch, daß er ihnen seine Gegenwart
und sein berühmtes Kabinett entzog.
Diese lehrreiche Sammlung haben wir hier mehrere
Tage nacheinander mit Bewilligung seines jüngsten Sohnes,
des jetzigen würdigen Besitzers, sehr fleißig studiert,
ob sie gleich für den Zergliederer, den Arzt,
Wundarzt und Naturforscher Beschäftigung und Belehrung
auf viele Wochen gewähren kann. Sie ist vorzüglich
reich an solchen seltenen Stücken und Präparaten, welche
die Funktionen der Teile des menschlichen Körpers
durch die Vergleichung mit ähnlichen, aber anders proportionierten
Teilen verschiedener Tiere erläutert. So
manche Einrichtung in der menschlichen Organisation
mußte unerklärbar bleiben, bis ihr Nutzen an irgendeinem
Tiere, welches sie etwa in einem eminenteren
Grade besaß, oder wo sich deutlicher die übrige Gestalt
und Beschaffenheit des Körpers darauf zu beziehen
schien, endlich offenbar ward und somit in der Behandlung
gewisser Krankheiten ein neues Licht aufging. Zur
Geschichte der Krankheiten, sofern ihre materielle Veranlassung
an gewissen Teilen der Eingeweide sichtbar
ist, hatte Camper viele der seltensten Präparate aufbewahrt
und mit nicht geringerem Fleiß und Glück auch
die Abarten der Menschengattung durch die abweichende
Bildung ihrer Schädel zu erläutern gesucht, wiewohl
seine Sammlung in diesem Betracht weder so zahlreich
ist noch so viele Nationen in sich faßt, wie das
Museum der göttingischen Universität. Die Aufmerksamkeit
auf den Knochenbau der Tiere, den man bisher
zu sehr vernachlässigt hatte, ist seit kurzem fruchtbar an
Entdeckungen gewesen. Zum ersten Mal bewunderte
ich hier die große Verschiedenheit des kleinen Orang-
Utan von dem großen, dessen Ankunft aus Borneo mir
der selige Camper selbst vor mehreren Jahren mit Frohlocken
gemeldet hatte. Dieses Tier, das über vier Fuß
hoch wird, kommt in einigen Stücken dem Menschen
noch näher als der kleine, gewöhnliche Orang-Utan; hingegen
weicht es in ändern wieder mehr ab und geht in
die Paviansgestalt über. Alles an seinem ungeheuren
Schädel zeugt von Riesenstärke: der auf stehende Rand
auf dem Scheitel und über den Augenhöhlen, woran die
Schläfenmuskeln gesessen haben, das furchtbare Gebiß