drea del Sarto als den großen Künstler dieses braungelockten
Jünglings; und wenn er wirklich sein ist, dann
hatte Michelangelo doch wohl recht? Ich trage einen unauslöschlichen
Abdruck dieses in seiner Art einzigen
Meisterwerks mit mir davon. Was Italien dereinst Schöneres
und Yollkommneres mir zeigen könne, muß ich
von der Zeit erwarten; aber die Stunden gereuen mich
nicht, die ich den weichen, kurzen Locken, die so schön
das Haupt umgeben, den seelenvollen Zügen, den unnachahmlichen
Umrissen dieses einfachen, in sich vollkommenen,
bewundernswürdigen Ganzen zum letztenmal
schenkte. Jetzt nichts mehr von dieser bunten,
blendenden Sammlung! Meine Augen werden nicht
müde, den schönen Johannes zu sehen; allein sie erliegen
der Menge. Einen Abschiedsblick werf ich indes
noch auf Guidos gen Himmel fahrende Madonna; ihr
danke ich einen viel zu schönen Genuß, als daß ich ganz
von ihr schweigen könnte.
Dies ist eine neue Welt! bloß möglich, lichtumflossen
und in reinem Lichte bestehend! Da ist nichts Irdisches,
nichts Ungeläutertes zu sehen. Selbst der große blaue
Mantel der Verklärten ist reiner, verdichteter Äther des
Himmels, wenn wir ihn mit Kleidern von irdischem Gewebe
vergleichen; er ist nicht schwer, er gibt nur Würde
und Glanz. Die Jungfrau, schlank und schwebend und
völlig bekleidet - in ihren Zügen sind Spuren von der
Erinnerung des Künstlers an Niobes Töchter -, scheint
bereits einer himmlischen, unzerstörbaren Lichtnatur
teilhaftig: man sieht sie an und glaubt an eine Auferstehung.
Die Schönheit der Engel und ihre Grazie spotten
aller Beschreibung; ihr Ausdruck ist himmlische Unschuld
und seraphische Liebe. Sie bedürfen nicht der Erkenntnis
des Guten und Bösen; die Welt, die wir in
ihnen ahnen, umfaßt und erschöpft alle Formen des
Lichtes und der Wahrheit. Es gibt Ideale der Schönheit,
die verschieden von griechischen Göttergestalten sind;
in diesen Engeln erblick ich sie zum ersten Mal. Ich
hatte nicht geglaubt, daß es möglich wäre, die Wunder
des Empyreums mit sinnlicher Form zu begaben, Engelreinheit
gepaart mit dem milden Feuer der seligen Geister,
die einander durchdringen, und mit dem ewigen
Reize der Heiterkeit in göttlicher Jünglings- und Graziengestalt
hinzuzaubern.
Ich reiße mich endlich los. Von Tizians und Correggios
Werken enthält die Galerie nichts, das dieser großen
Namen würdig wäre. Ein Porträt, unter jener Himmelfahrt,
die Arbeit des ersteren von diesen Meistern,
ist wegen des Umstandes merkwürdig, daß ein berühmter
Physiognomiker es für das vollkommenste Ideal eines
Christuskopfes, das ihm je zu Gesicht gekommen sei, erklärte;
und dieses Ideal war - der mutwillige Aretino!
Ich denke darum nicht schlechter von diesem physio-
gnomischen Urteil; denn es läßt sich auf eine ähnliche Art
verteidigen, wie Sokrates das Urteil des Physiognomen
über ihn selbst rechtfertigte. Ein Christus mit der Dornenkrone,
das einzige Stück, welches man hier von Correggio
zeigt, mag wohl bewundernswürdig sein, wenn
man nur auf einem Gesichte, das so tiefes Leiden ausdrückt,
den Blick könnte ruhen lassen. Einst war es eine
Philosophentugend, recht zu handeln und die schauderhaftesten
Gegenstände wie die lieblichsten mit Gleichmütigkeit
anzusehen. Seitdem man aber die Unempfindlichkeit,
die selten recht tut, damit zu verwechseln
pflegt, ist nichts Verdienstliches mehr an diesem Stoizismus,
und die Philosophie hat ihn längst der Politik, die
immer nur repräsentiert, überlassen. Zu einer ändern
Zeit und an jedem Orte außer dieser Sammlung wäre die
Flucht nach Ägypten vom alten Paolo Veronese ein
Stück, das bemerkt zu werden verdiente; Guercinos
Dido und die Verkündigung Mariä von Tintoretto wären