uns jetzt eine freundliche Aussicht; an einer Stelle war
der Horizont seewärts unbegrenzt; die Menge der hin-
und hersegelnden kleineren und größeren Fahrzeuge,
die Fischerleute in ihren Kähnen, die Seevögel, die in
großen Zügen über der Fläche des Wassers kreuzten, die
langen Weidenalleen, die darüber hinausragenden
Kirchturmspitzen und roten Dächer in der Ferne machten
zusammen einen angenehmen Effekt. Zu Moerdyk,
das nur aus wenigen Häusern besteht, fuhren wir über
den Hollands Diep und erinnerten uns an die furchtbare
Überschwemmung im fünfzehnten Jahrhundert (1421),
die hier einen Bezirk von 72 Dörfern verschlang, ein
Meer an ihrer Stelle zurück ließ und Dordrecht vom festen
Lande trennte. Auch an den jungen Prinzen von
Oranien, Johann Wilhelm Friso, erinnerten wir uns, der
(1711) im vierundzwanzigsten Lebensjahr auf eben der
Fahrt, die wir jetzt glücklich zurücklegten, ertrunken ist.
Jenseits des Busens zerstreute der Anblick des ersten
sauberen holländischen Dorfes die trüben Erinnerungen.
Reinliche, nette Häuserchen, Straßen von Kanälen
durchschnitten, an den Seiten mit Linden bepflanzt und
überall mit Klinkern oder kleinen Backsteinen gleichförmig
und niedlich, wie bei uns zuweilen der Boden des
Vorsaals, gepflastert, und, was diesem Äußeren entsprach,
gesunde, gutgekleidete, wohlhabende Einwohner
gaben uns in Stryen das Zeugnis, daß wir auf dem
Boden der wahren, nicht der eingebildeten Freiheit und
im Lande des Fleißes angekommen wären. Drei starke,
wohlgenährte Pferde waren nötig, uns auf dem schweren
Wege fortzubringen, der an manchen Stellen so tiefe Geleise
hatte, daß wir dem Umwerfen nahe waren. Als wir
aber hernach durch das Dorf Haaringsdyk fuhren, das
wenigstens eine halbe Stunde lang und wie eine Tenne
mit Klinkern gepflastert ist, freuten wir uns wieder des
reizenden Wohlstandes, der uns auf allen Seiten anlachte,
und des Landes, wo der Mensch seine Bestimmung,
des Lebens froh zu werden, erreicht, wo der gemeinste
Bauer die Vorteile einer gesunden und
bequemen Wohnung genießt, wo er auf dem beneidenswerten
Mittelpunkte zwischen Not und Überfluß steht.
Kann man diese Menschen sehen und fragen, ob es besser
sei, daß mit dem Blut und Schweiße des Landmannes,
der in elenden Hütten sein kümmerliches Leben
hinbringt, die stolzen Paläste der Tyrannen zusammengekittet
werden?
Nachdem wir über die sogenannte alte Maas, vermutlich
ihr ehemaliges einziges, jetzt aber zu einem schmalen
Arm geschwundenes Bett, gekommen waren, befanden
wir uns gegen zehn Uhr abends an dem Ufer der
eigentlichen Maas, zu Kattendrecht, wo wir die Stätte
von Rotterdam durch eine unendliche Reihe von Laternen
längs dem jenseitigen Ufer bezeichnet sahen. Die
späte Stunde bewog uns indes, diesseits in einem kleinen,
ländlichen Gasthofe zu bleiben, wo die einfache,
aber gesunde Bewirtung unserem müden, hungrigen
und vom Nordostwinde beinahe vor Kälte starrenden
Körper wohl zustatten kam. Hier setzten wir uns um
den gemeinschaftlichen Feuerherd und freuten uns der
altmodischen Simplizität des Hausherrn und seiner
Tischgenossen. Man bewillkommte uns mit Herzlichkeit,
zog uns die Stiefel ab und präsentierte jedem ein
Paar Pantoffeln, die wenigstens dreimal schwerer als die
Stiefel waren. Die treuherzige Güte des Wirts bewog
ihn, mir die besondere Gefälligkeit zu erweisen, seine
Pantoffeln, weil sie schon ausgewärmt wären, von den
Füßen zu ziehen, um sie meinem Gebrauch zu überlassen.
Das geringste, was ich tun konnte, war wohl, mich
zu hüten, daß ich ihn nicht merken ließe, seine gutgemeinte
Höflichkeit könne nach den Satzungen der feinen
Welt ihm vielleicht gar zum Verstoß ausgelegt wer