tion zu machen. Zu meinem großen Vergnügen bemerkte
ich jetzt fast gar keine Bettler auf den Straßen,
die vor zwölf Jahren so stark damit besetzt waren, daß
ein Fußgänger sich des Unwillens über ihre Zudringlichkeit
kaum erwehren konnte. Desto auffallender ist gegenwärtig
das zahlreiche Militär; den ganzen Morgen
manövrieren die verschiedenen Regimenter unter un-
sern Fenstern; den ganzen Tag über hat man sie beständig
vor Augen, und man kommt in keine Gesellschaft,
wo man nicht Offiziere sieht. Solchergestalt ist wenigstens
die neuerdings befestigte »Freiheit« sehr gut bewacht!
Auch trägt man hier allgemein ihr Siegeszeichen,
die Orangekokarde, oder ein Band von dieser Farbe im
Knopfloch, und der Pöbel duldet keinen Menschen
ohne dieses Symbol der Konformität auf der Straße.
In den Sitten und der Lebensweise herrscht, ungeachtet
der Residenz eines Hofes, noch manche Spur der alten
republikanischen Einfalt und Tugend. Die späte
Stunde der Mittagsmahlzeit scheint durch die Verbindungen
und Beziehungen der vornehmeren Einwohner
mit dem Prinzen, den Versammlungen der Generalstaaten
und der höheren Dikasterien* allmählich Sitte geworden
zu sein. In den meisten Häusern ißt man nicht
vor drei Uhr, in den vornehmeren erst um vier; die arbeitende
Klasse der Bürger macht indes hier wie überall
eine Ausnahme, weil sie fester am alten Brauche hängt
und im Grunde auch die Zwischenräume ihrer Mahlzeiten
nach der Erschöpfung des Körpers abmessen muß.
Die Tafel wird in den besten Häusern mit wenigen, gut
zubereiteten Speisen besetzt, und soviel ich höre, hat
das Beispiel der auswärtigen Gesandten und einzelner
Familien des begüterten Adels den prassenden Aufwand
und die leckere Gefräßigkeit unseres Jahrhunderts noch
nicht eingeführt. Das gewöhnliche Getränk bei Tische
ist roter Wein von Bordeaux, dessen man sich doch mit
großer Mäßigkeit bedient, teils weil man mehrere Stunden
bei der Mahlzeit zubringt, teils auch, weil zwischen
den Mahlzeiten bei der Pfeife Wein getrunken wird;
denn diese behält durchgehends ihre Rechte und ist
kaum noch aus einigen der ersten Häuser verbannt. Vielleicht
wird sie bei der hiesigen feuchten, nebeligen Seeluft
nötiger und zuträglicher oder wenigstens unschädlicher
als anderwärts, so sehr sie auch die Zähne verdirbt.
Schwarze Zähne sieht man aber auch bei dem Frauenzimmer;
sie werden vielleicht mit Unrecht auf Rechnung
des täglich zweimaligen Teetrinkens gesetzt, da die hiesige
alkaleszierende Diät* mir weit eher die Schuld zu
tragen scheint.
Nun ich einmal des Frauenzimmers erwähnt habe, erwartest
Du wohl ein Wort zur näheren Bezeichnung
desselben; allein ich beziehe mich auf meine vorige Bemerkung:
die gemischte Rasse im Haag gestattet mir
kein allgemeines Urteil. Die vielen, durch die Verbindungen
des Hofes hiehergebrachten fremden Familien,
die französische reformierte Kolonie und die Mischungen
der Niederländer selbst aus allen Provinzen tragen
auf eine fast nicht zu berechnende Art dazu bei, den hiesigen
Einwohnern eine mehrenteils angenehme, wenn
auch nicht charakteristisch nationale Gesichtsbildung zu
geben. Die französische Mode herrscht übrigens, wie bei
uns, mit unumschränkter Gewalt und bestimmt die Bestandteile,
die Form und den Stoff des Anzuges. Bei der
Mittelklasse scheint der Luxus nach Verhältnis des Ortes
und der Umstände sich noch ziemlich in Schranken
zu halten; hier sah ich die englischen großen Baumwolltücher
oder Schals in allgemeinem Gebrauch. Die Weiber
aus der geringeren Volksklasse und die Mägde erscheinen
dagegen in einem den Fremden äußerst
mißfälligen Kostüm. Ein kurzes, öfters weißes Mieder,
dessen Schöße, wenn es deren hat, nicht zum Vorschein