derländischen Schulen betrachte, so fällt es, wie mich
dünkt, nicht schwer, das rechte Maß ihres Verdienstes
anzugeben. Ich sehe große Anlagen, Riesenkräfte, die
unter einem glücklichem Himmel, in einem großem
Wirkungskreise, bei einer ändern Erziehung und anderen
bestimmenden Verhältnissen Wunder der Kunst
hervorgebracht hätten. Hier verzehren sie sich im
Kampfe mit den Schwierigkeiten des Mechanismus, und
wenn sie diese ganz besiegt haben, ist der Gedanke, den
sie darstellen wollen, des Sieges nicht wert. Als Trophäen
können wir indes diese Werke nicht nur gelten
lassen, sondern auch mit Dank und Bewunderung annehmen;
Trophäen nämlich, wie der Mensch sie auf seinen
Zügen bis an die äußerste Grenze seiner Herrschaft
über die sinnliche Welt erbeuten kann. Das Gesetz der
Mannigfaltigkeit scheint eine Zusammeiischmelzung
aller Gattungen der Vollkommenheit in einem Menschen
so wenig wie in einem Werke zu gestatten; wo
Licht und Schatten, Haltung, Effekt, wahre Färbung,
treue Nachahmung gegeben werden, dort müssen wir
nicht allein Verzicht tun auf die hohe ästhetische Begeisterung,
die sich bis zur Darstellung der Harmonien zwischen
dem sinnlichen und dem sittlichen Schönen emporschwingt,
sondern wir müssen uns auch zufriedengeben,
wenn das sehr löbliche Bemühen, Effekt herauszubringen,
zu dem sehr anstößigen Fehler falscher Umrisse
verleitet, der gerade dann am unverzeihlichsten ist,
wenn er nicht durch Schönheiten einer höhern Ordnung
vergütet wird. Die Niederländer haben gezeigt, was sich
mit Farben machen läßt, aber freilich nur mit niederländischem
Geiste und an niederländischer Natur. Ist es
nicht Rechtfertigung genug für sie, daß auch unter den
Italienern die Meister in der Farbengebung weder in der
Komposition noch in der Zeichnung, noch in der Erfindung
und am wenigsten im Erhabenen Meister waren?
Was können sie dazu, daß eine reizende Venetianerin in
der cyprischen Rangordnung* so hoch über einer handfesten
flämischen Dirne zu stehen kommt? - Jetzt,
dünkt mich, wären wir in der rechten Stimmung, um
niederländische Bilderkabinette zu besuchen.
Man führte uns zuerst in die Privatsammlung des
Herrn Huybrechts, der uns aber den Genuß seiner vaterländischen
Kunst beinahe verleidet hätte, indem er mit
einem Correggio prunkte. Zwar er selbst ahnte nichts
von der gefährlichen Überlegenheit des Italieners; denn
er besaß gewiß ebenso teure Stücke von niederländischen
Meistern! Zum Glück hatte dieses Gemälde so wenig
von der belobten Anmut des zarten Allegri, die Yorick
in seiner Laune durch ein patronymisches Wort*, »the
Correggiescity of Correggio«, so schön individualisiert,
daß die Flamen noch mit heiler Haut davonkamen.
Wenn das Stück ein Original ist, wofür ich es doch nicht
halte, so hat es sich vortrefflich konserviert. Es stellt
eine Mutter vor, mit dem schlafenden Kinde. Sie scheint
nach der Natur gezeichnet; allein vielleicht ebendarum
sind die Züge so plump und haben die zurückstoßende
Bezeichnung der Dummheit. Auch dem Maler des seelenvollen
Reizes ist es also nicht immer gelungen, ihn zu
haschen im flüchtigen Augenblick der Beobachtung,
oder, daß ich es wahrer sage, ihn einem Körper einzuhauchen,
dem die Natur ihn versagte. Das Kind hingegen
ist ein schlafender Amor, so schön und lächelnd im
Schlafe, mit der Gesundheit Frische auf den Wangen.
Unter den niederländischen Gemälden in dieser
Sammlung haben die Seestücke ein ausgezeichnetes Verdienst.
Die schöne Aussicht der Stadt Briel hatte vorzüglich
diese Erhabenheit, welche mit der Idee von Leben
und Bewegung in den Fluten verbunden ist. Die Darstellung
architektonischer Perspektiven im Innern gotischer
Kirchen ist ebenfalls ein besonderes niederländisches