Zeit, wo das ganze katholische Europa, Rom selbst nicht
ausgeschlossen, sich der außerwesentlichen Zusätze
schämte, die das Heiligtum der Religion entehren und
nur so lange gelten, als man noch durch die Macht des
Aberglaubens herrschen kann - am Schlüsse des achtzehnten
Jahrhunderts wagte es die belgische Klerisei,
die krassesten Begriffe von hierarchischer Unfehlbarkeit
zu verteidigen und im Angesicht ihrer hellsehenden
Zeitgenossen selige Unwissenheit und blinden Gehorsam
zu predigen. Mit dem Bewußtsein, daß ihr Wirken
in allen Gemütern die Vernunft entweder ganz oder
halb erstickt habe und daß sie auf Ergebenheit der zahlreichsten
Volksklasse, des gemeinen Mannes, sicher
rechnen dürfe, trotzte sie auf ihre unverletzbaren
Rechte. So kehrte man schlau die Waffen der Aufklä-
mng gegen sie selbst; denn war es nicht unser Jahrhundert,
das die Heiligkeit der Rechte in das hellste Licht
gesetzt hat? »Recht« ist ein so furchtbares Wort, daß es
den gewissenhaften Richter erzittern macht, selbst wenn
Irrtum und Betrug es gegen Wahrheit und Redlichkeit
reklamieren. Josephs Grundsatz, nach welchem er sich
verpflichtet glaubte, seine Wahrheit zum Glück der Völker
mit Gewalt anzuwenden, verleitete ihn zu einem
Despotismus, den unser Zeitalter nicht mehr erduldete;
dies wußte der belgische Klerus, und laut und mutig ertönte
seine Stimme. Gleichwohl klebte dem Kaiser dieser
Grundsatz wahrscheinlich noch aus seiner Erziehung
an und hatte sich in gerader Linie von eben jener Hierarchie,
die ihn zuerst ersann und ausübte, auf ihn verpflanzt.
Joseph hatte unrecht; aber die Vorsehung übte
durch ihn das Wiedervergeltungsrecht! Wären nur auch
die Staaten von Brabant und der ganze belgische Kongreß
durch diese Beispiele toleranter geworden! Allein
es ist zu süß, zu herrschen, zumal selbst im Verstände
der Menschen zu herrschen, und Löwen, das durch Josephs
Generalseminarium im Grunde an wahrer Aufklärung
wenig oder nichts gewann, soll jetzt wieder lehren,
was es schon bei der Stiftung der Universität im Jahre
1431 lehrte.
Das Rathaus in Löwen, eins der prächtigsten gotischen
Gebäude, die noch jetzt existieren, ist um und um
mit kleinen Türmen verziert, ja ich möchte sagen, aus
lauter solchen Türmen zusammengewachsen; aber das
unermeßlich Mühsame dieser Bauart macht am Ende,
wenn es in solchen großen Gebäudemassen dasteht,
doch einen starken Effekt. Wir hatten kaum Licht genug,
um die Umrisse dieses Rathauses noch ins Auge zu
fassen und mußten auf die Besichtigung des Innern Verzicht
tun. Im Vorbeigehen bemerkten wir noch an dem
sogenannten Collegium Falconis ein sehr schönes, edles,
einfaches Portal von griechischer Bauart.
Das Flämische, welches hier gesprochen wird, kommt
dem Holländischen sehr nahe, und sowohl in den Sitten
als im Ameublement der Häuser nähern sich auch die
Einwohner sehr merklich ihren Nachbaren, den Holländern.
Ich bemerkte als einen auszeichnenden Zug sehr
viel Dienstfertigkeit und Höflichkeit unter den gemeinen
Leuten. Die Lebensart, zumal was die Küche betrifft,
ist indes noch nicht holländisch; man bereitet die
Speisen mehr nach französischer Art, trinkt aber schon
mehr Bier als Wein. Das Bier in Löwen wird bis nach
Holland geführt und hat einen Ruhm, den es meines
Erachtens nicht ganz verdient. Wenn indes, wie billig,
der Debit hier den rechten Maßstab angibt, so muß es
vortrefflich sein; denn man erzählte uns von mehr als
vierzig Bierbrauereien und von einer jährlichen Ausfuhr
von hundertfünfzigtausend Tonnen, ohne was in der
Stadt selbst getrunken wird. Daher bezahlen auch die
Brauer allein vierzigtausend Gulden zu den Einkünften
der Stadt, die sich auf hunderttausend Gulden belaufen