Heerstraßen oder sammeln sich in Gruppen auf den weiten
Ebenen und den Anhöhen, um die zerstreuten Hütten
und um die stillen Dörfer. Die Anmut, die Mannigfaltigkeit
und Pracht dieser hohen, schöngestalteten
Bäume verleiht den hiesigen Landschaften einen eigentümlichen
Charakter. Der Teppich der Wiesen ist in diesen
nassen Tagen herrlich grün geworden; die Weizenäcker
schimmern mit einer wahrhaften Smaragdfarbe;
die Knospen der Bäume wollen trotz dem kalten Hauch
der Nordwinde ihren Reichtum nicht länger verschließen;
die Kirsch- und Birn- und Äpfelbäume in den Gärten,
die Pfirsich- und Aprikosenbäume an den Mauern
öffnen mitten im Regen ihre Blüten. Bei dieser üppigen
Pracht des Frühlings entbehrten wir dennoch den Anblick
der Dünen und des Meeres, den uns der N^bel neidisch
verhüllte. Jener unermeßliche blaue Horizont, der
sich an die Wölbung des azurnen Himmels anschließt,
muß der hiesigen Aussicht eine erhabene Vollkommenheit
geben, die nur in wenigen Punkten unserer Erde erreicht
werden kann. Der Hügel, von welchem wir diesen
Anblick genossen, scheint ein bloßer Sandhügel zu sein,
deren es hier mehrere gibt, die weiter durch das Artois
in die Picardie hinein fortsetzen und vermutlich auf
Kalk stehen. Vor Lille und in der dortigen Gegend findet
man sehr weißen Kalkstein, und in der Picardie bekanntlich,
wie in England, Kreide.
Die Schönheit der Landschaft war plötzlich, wie durch
einen Zauber, verschwunden, sobald wir die kleine Festung
Bergen (oder St. Winoxbergen) hinter uns gelassen
hatten. Wir befanden uns auf einer niedrigen offenen
Fläche, wo, außer einigen Reihen von abgekappten Weiden
in allerlei Richtungen, sonst kein Baum und keine
Hecke zu sehen war. Die ganze ungeheure Ebene stand
auf Wiesen und Viehtriften und war längs dem Seeufer
von nackten weißen Sandhügeln, den sogenannten Dünen,
umgeben. An einigen Stellen stach man Lehm zu
Ziegeln, die sich gelb brennen lassen; übrigens aber
schien uns alles öde und leer, zumal nach dem Anblick
einer solchen Gegend, die wir eben verlassen hatten.
Der Steindamm, auf welchem wir fuhren, war indes unverbesserlich,
und bald erreichten wir das kleine, geschäftige
Dünkirchen, welches, wie sein Name deutlich
zu erkennen gibt, in den Dünen angelegt worden ist.
Durch die Länge der Zeit und durch den Anbau ist aber
alles dergestalt weggeebnet und abgetragen worden, daß
man keine Erhöhung mehr gewahr wird und nur in einiger
Entfernung zu beiden Seiten der Stadt die Hügel
fortstreichen sieht.
Die unregelmäßige Gestalt dieser Sandhaufen, die
sich wie die stürmischen Wellen des Meeres, das sie bildete,
dem Auge darstellen, höchstens aber vierzig Fuß
in senkrechter Linie über die Wasserfläche hinausragen
und mit einigen Pflänzchen spärlich bewachsen sind,
gibt der Gegend etwas Befremdliches, Verödetes, Abschreckendes.
Ihre Veränderlichkeit verursacht den Einwohnern
dieser Küsten manche Besorgnis; die Winde
können den Flugsand, woraus die Dünen bestehen, stellenweise
ganz verwehen und eine Lücke machen, wo das
Meer bei außerordentlichen Fluten leicht durchbricht,
sich in die niedrige Fläche ergießt und den lebendigen
Geschöpfen sowohl als dem Lande selbst das Dasein
raubt. Wo diese fürchterlichen Katastrophen auch nicht
erfolgen, sind wenigstens die angrenzenden Äcker und
Wiesen dem Versanden ausgesetzt, welches sie auf
ganze Jahrhunderte hinaus unbrauchbar macht. Nicht
weit von Dünkirchen, auf der flandrischen Grenze,
zeigte man uns ein merkwürdiges Beispiel von der Wirkung
der Stürme. Ein Kirchturm stand im Sande vergraben,
und nur seine Spitze ragte noch hervor. Das Pfarrhaus
war gänzlich verschwunden, und man hatte sich