erreichten. Hier standen schon mehrere Mietskutschen
in Bereitschaft, um die Reisenden in ihr Quartier zu
bringen.
Gent ist eine große, schöne, alte Stadt. Ihre Straßen
sind ziemlich breit, die Häuser massiv, zum Teil von guter
Bauart, die Kirchen zahlreich und mit großer Pracht
geschmückt. Alles scheint hier den ehemaligen Wohlstand
der Einwohner und Spuren von dem jetzigen zu
verraten; doch ist die Volksmenge, wie in allen niederländischen
Städten, nach Verhältnis des Umfanges zu
gering; und es fehlt überall an Betrieb. Der erste Anblick
einer Stadt, wobei man so lebendig in verflossene Jahrhunderte
und ihre Begebenheiten versetzt wird, hat
gleichwohl etwas Einnehmendes, das zuweilen bis zur
Erschütterung gehen kann. Ich wurde recht lebhaft an
den Stolz Karls V. auf sein blühendes Gent und zugleich
an die Tyrannenleidenschaft erinnert, womit er selbst
dem Wohlstände desselben den tödlichsten Streich versetzte,
als ich sein Standbild auf einer hohen Säule am
Marktplatz erblickte. Als Kunstwerk betrachtet, macht es
keinen vorteilhaften Eindruck. Der Kaiser steht wirklich
sehr unsicher auf dieser gefährlichen Höhe; das Zepter
und der Reichsapfel von ungeheurer Größe scheinen
ihn völlig aus dem Gleichgewicht zu bringen; seine Knie
sind gebogen, und bald möchte ich fürchten, er sei im
Begriff herabzugleiten. Im Glanz der Abendsonne, welche
diesen vergoldeten Koloß bestrahlte, konnte ich
mich einer Reminiszenz aus Blumauers travestierter
»Äneis« nicht erwehren; ich dachte an jenes Backwerk,
wo der fromme Held zuoberst »ganz von Butter« stand.
Es hat schon etwas Unnatürliches, Statuen auf den Dächern
unserer Häuser anzubringen, die nicht, wie im
Orient, zum Aufenthalt der Menschen eingerichtet sind;
allein noch ungleich widersinniger scheint es, einen
Menschen auf den Gipfel einer Säule zu stellen, den
nur ein Verrückter oder ein Phantast, wie Symeon Styli-
tes*, bewohnen kann. Wenngleich die Alten uns das Beispiel
solcher Denkmäler gegeben haben, so bin ich doch
nicht der Meinung, daß wir ihrem Muster blindlings folgen
sollen. Auch war bereits der gute Geschmack in Verfall
geraten, als man zum Beispiel in Alexandrien auf die
schöne Porphyrsäule die Statue des Kaisers Severus
stellte. Die Aufmerksamkeit, die ein großer Mann bloß
durch die Höhe seines Standortes erregen kann, ist sicherlich
seiner nicht wert. Allerdings gibt es aber auch
Fürsten in Menge, die man nicht hoch genug stellen
kann, damit sich nur jemand ihrer erinnere. Die Nachwelt
vergißt die Wohltaten, sie vergißt aber auch die Ungerechtigkeit
der Regenten; wie wäre es sonst möglich,
daß Kaiser Karl auf dieser Säule noch über den Köpfen
einer so tief beleidigten Gesamtheit sicher steht? Für
den philosophischen Geschichtsforscher verwandeln
sich freilich unter solchen Umständen die Ehrensäulen
in Denkmäler der Schande.
Der Brand vom 14. und 15. November des vorigen Jahres
hat in der Gegend des Schlosses fürchterlich gewütet.
Viele der schönsten und prächtigsten Gebäude sind
ein Raub der Flammen geworden, womit die Kaiserlichen
damals die Stadt in einen Schutthaufen zu verwandeln
drohten und ihren Vorsatz auch ausgeführt hätten,
wenn das Regenwetter ihnen nicht so ungünstig gewesen
wäre. Wenn es im Kriege erlaubt ist, sich aller Mittel
ohne Unterschiede gegen den Feind zu bedienen - ein
Satz, der doch auch seine vielfältige Einschränkung leidet
-, so gehörte es gleichwohl zu den unglücklichen
Verkettungen des Schicksals, welches den verstorbenen
Kaiser so rastlos verfolgte, daß sich unter den Befehlshabern
seines niederländischen Heeres ein Mann befinden
mußte, der eine entschiedene Neigung äußerte, die härtesten
Maßregeln zu ergreifen, und dem das Blut seiner