tig wirkt, noch um vieles von der wahren Farbe der Natur
abweicht und viel mehr in einer eigentümlichen Art
der Behandlung als in einer getreuen Auffassung des
wirklich Vorhandenen liegt. Ich tadle es indes nicht, daß
Rubens so gern auch hier seine Karnationen durch stark
aufgelegten Zinnober erhöhet und mit durchschimmerndem
Blau und mit gelben Widerscheinen fast zu verschwenderisch
umgeht. An dem Platze, für den er dieses
Gemälde bestimmte, würde man vermutlich diese Farben
so hervorspringend nicht gefunden haben als hier,
wo sie dem Auge zu nahe gerückt sind. Man müßte die
Jesuiterkirche zu Neuburg, wo dieses große Gemälde
zuerst aufgestellt wurde, zuvor gesehen haben, um urteilen
zu können, wiefern diese Rechtfertigung des Künstlers
statthaft sei oder nicht. Daß indes kein Flame je das
Kolorit von Rubens übertroffen habe, wenn es nicht zuweilen
seinem Schüler van Dyck geglückt ist, bleibt seinem
Ruhme unbenommen. Auch die Kunst der Beleuchtungen
war sein: Licht und Schatten, zwar nicht
der wesentlichste Vorzug dieses Stücks, sind gleichwohl
mit großer Geschicklichkeit darin ausgeteilt und tun die
vortrefflichste Wirkung.
Wenn Kunstverständige einen Maler preisen wollen,
pflegen sie auch noch sein Machwerk (faire) herauszustreichen;
und in diesem Betrachte hat Rubens in der
Tat vor vielen ändern einen entschiedenen Vorzug. Er
wußte seinen Pinsel leicht und kühn zu führen, er
kannte seine Palette und den Effekt ihrer Farben, er vertrieb
diese zart und meisterhaft untereinander, gab
ihnen Haltung und besaß eine große Übung im Verteilen
und Abstufen der Lichtmassen und des helleren oder
tieferen Dunkels. Dieses Verdienst gehört in eine Klasse
mit der Fertigkeit eines Tonkünstlers, die Noten frisch
und rein vom Blatte wegzuspielen, oder mit dem ebenso
mechanischen und ebenso bewunderten Talent, auf einigen
Instrumenten die Schwierigkeiten der Ausführung
zu überwinden und eine seltene Beweglichkeit der Finger
sehen zu lassen. Allein wenn ich auch der Handarbeit
unseres Rubens ihren ganzen Wert zuerkenne,
wenn ich ihn ferner in seiner Anordnung und Gruppierung
im Reichtum seiner Gestalten, in der Farbengebung,
im Faltenwurf der Kleidungen, in dem Feuer seines
Geistes, womit er durcheinanderstürzende Figuren
zur Einheit zurückzuführen weiß, wenn ich in diesem
allem ihn bewundern kann: wie hoch wird denn sein
Ruhm sich schätzen lassen, da wir überall, wo es auf ein
nicht zu berechnendes Gefühl, auf innere Beweglichkeit
und Empfänglichkeit, auf eine gebildete Sonderungsund
Umformungsgabe ankommt, wo von Erfindung und
Wahl des Gegenstandes, dichterischer Ausführung aller
einzelnen Bestandteile des Gemäldes und Idealisierung
der Gestalten die Rede ist, von seinen Verdiensten
schweigen oder seiner Arbeit unseren Beifall versagen
müssen?
Doch es ist nicht das erste Mal, daß gerade dann,
wenn große Künstler mit Vorsatz alle ihre Kräfte aufboten,
das erzwungene Werk ihrem Geiste mißlang. Auch
die Empfängnisse der Phantasie sind unbedingte Gaben
eines göttlichen Augenblicks.