Ehedem hielt man mit einer unglaublichen Strenge auf
dieses Verbot. Ein Offizier, der einst einen dieser Mönche
nach dem Wege fragte und keine Antwort auf wiederholtes
Anfragen erhielt, hätte den armen Büßer beinahe
mit Schlägen ums Leben gebracht, ohne einen Laut
aus ihm hervorzubringen. In Frankreich brannte das
ganze Kloster ab, und keiner von den Brüdern brach das
heilige Stillschweigen. Die Aufhebung desselben ist nur
ein Vorläufer der gänzlichen Aufhebung des Ordens
selbst. Schon lange konnte er keine Novizen mehr bekommen;
man scheute die allzu strenge Regel. Mit dem
Aussterben dieser Mönche wird indes dem Staate kein
großer Gewinn zufallen, da sie soeben ihre Kapitalien
zu Erbauung einer neuen Kirche und eines neuen Klostergebäudes
verwendet haben. Ungeachtet sie kein
Fleisch essen, werden sie doch bei ihrer stillen, untätigen
Lebensweise, welche die Kräfte des Geistes fast
gänzlich schlummern läßt, recht alt und sind fast durch-
gehends wohlbeleibt. Unser Führer war über achtzig
Jahr alt und sah wenigstens zwanzig Jahre jünger aus.
Auf seinem übrigens sehr gutmütigen Gesichte war die
Leere des Gedächtnisses, die Armut des Ideenvorrats
unverkennbar. Was ist nun besser: einige Runzeln mehr
und einen durch Übung gebildeten, durch Erfahrung
und Tätigkeit bereicherten Geist zu Grabe zu nehmen,
oder sorglos, ohne Leidenschaften, ohne Geistesgenuß,
in stiller Andacht hinzubrüten und zuletzt ganz sanft in
seinem Fette zu ersticken? Wähle sich ein jeder, was
ihm frommt; ich weiß, daß diese Existenz und dieses
Ende keinen Reiz für den haben, der schon das bessere
Los der Menschen kannte:
Zu leiden, zu weinen,
zu genießen und zu freuen sich.
Düsseldorf
Heute weideten wir uns drei Stunden lang an der hiesigen
vortrefflichen Galerie. Gern nahm ich die Gelegenheit
wahr, sie zum fünften Mal in meinem Leben zu sehen,
die Eindrücke von so manchem Denkmal des
Kunstgenies und des Kunstfleißes aufzufrischen und vor
allem an ein paar göttlichen Werken einer seelenvollen
Phantasie, ein paar Lieblingsbildern, die, stets gesehen,
dennoch immer neu bleiben und immer neuen Genuß
gewähren, meine Augen und meinen Sinn zu erquicken.
Du erwartest von mir weder eine Beschreibung noch ein
Verzeichnis von diesem unschätzbaren Vorrat erlesener
Meisterwerke. Weder ein trockener Katalog, eine mühsame
Aufzählung aller einzelnen Stücke mit den Namen
der Meister, noch selbst die treueste wörtliche Beschreibung
dieser Gegenstände, deren Wert bloß durch die
Sinne empfunden werden kann, würde mich von dem
Vorwurf der gemißbrauchten Geduld retten. Wo ist die
Gemäldesammlung, von der man nicht nur vollständige,
sondern sogar sogenannte räsonierte Verzeichnisse hat,
die mit Kunstwörtern fleißig ausstaffiert, mit Lobeserhebungen
und nachgebeteter Verehrung manches berühmten
Künstlernamens angefüllt sind?
Das Vergnügen, welches man bei dem Anblick eines
Kunstwerkes empfindet, wird dadurch geschärft, daß
man die aus der Geschichte und Mythologie entlehnten
Subjekte schon kennt und die Ausführung des Künstlers,
seine Wahl des rechten, gefühlergreifenden Augenblicks,
sein Studium der Natur in Zeichnung, Charakteristik,
Stellung, Farbe, Beleuchtung und Kleidung der
dargestellten Personen dagegenhalten kann. Allein von
allem, was während dieses Anschauens und Verglei