seiner Zeit im Kabinett allmächtig. Maria von Medici,
bereits in guten Jahren, ist hier noch schön, aber so
stolz, so tief verschlossen, so gewandt in allen Künsten
der Verwirrung! Ich weile jedoch lieber bei dem eigenen
Bildnisse des Malers und seiner ersten Gattin. Es ist eine
überströmende Geistesfülle in seinem Kopf, und sein
ganzes Wesen, sein Anstand, seine Kleidung verraten
die höchste Eleganz. Wenn Rubens so ausgesehen hat —
und dieses Bild trägt alle Kennzeichen an sich, daß es
treu dem Leben nachgebildet worden ist -, so war der
Mensch an ihm bei weitem das Edelste, Größte und Beste;
keines seiner Werke gibt einen halb so erhabenen
Begriff von ihm als diese Nachahmung seiner eigenen
Züge. Der schöne, kraftvolle Mann sitzt da in der Blüte
des männlichen Alters. Die tiefliegenden Augen sprühen
Feuer hervor unter dem Schatten der dunklen
Augenbrauen; auf seiner Stirne liest man den Reichtum
und ich möchte fast sagen auch das Ungezähmte seiner
Phantasie. Seine Seele ist auf einer Bilderjagd außer dem
Bezirke des Gemäldes begriffen. Das hübsche Weib ruht
zu seinen Füßen, ihre Rechte in seiner Rechten, und
diese Hände sind von vorzüglicher Schönheit. Wahr und
treu ist auch ihr Kopf; allein die ungebildete Frau
konnte den größeren Menschen nicht fassen, der zugleich
Künstler und Staatsmann war, bald an Philipps
des Dritten Hofe, bald als sein Abgeordneter bei Karl
dem Ersten von England seine Rolle spielte, der Mann,
der nach den Mitteln seines Zeitalters vortrefflich erzogen
war, die Feder beinahe so gut wie den Pinsel führte,
um dessen Freundschaft Fürsten warben und den Wolfgang
Wilhelm, Herzog von Neuburg, in seinem eigenen
Wagen rettete, als man ihm in Madrid nach dem Leben
stand.
Was mag er wohl ersinnen in dieser traulichen Verschränkung,
auf dem ländlichen Sitz am Gemäuer, wo
sich das üppige Geißblatt mit duftenden Blüten emporschlängelt
und über seinem Haupte leichte Schatten
webt? Etwa jenes liebliche Gedicht, wo sieben Amoretten
sich hineinflechten in einen Kranz von Blumen und
Früchten? Mit welcher Fülle, mit welcher Kraft sind
diese Formen aus der Anschauung gegriffen! Welches
Leben regt sich in ihren Gliedern! Wie gaukeln die gesunden
Buben so froh im vollen Treiben ihrer neuerprobten
Muskelkraft! Des schönsten Genusses Kinder,
als Zeit und Sinne schwanden; Dasein ihre ganze Bestimmung,
Zweck und Mittel zugleich; und auch ihnen
gelten Zeit und Zukunft noch nichts! Hieher den Blick,
ihr Weisen, und sagt uns, ob es eine andere Wonne
gebe, als das schöne Leben zu sehen und zu fühlen: es
ist!
In der Himmelfahrt der Jungfrau, in der Geburt Christi,
in der Ausgießung des Heiligen Geistes, in dem Märtyrertum
des heiligen Laurentius und selbst im Nymphenraub
der Zwillingsbrüder Kastor und Pollux, lauter
großen, kraftvollen Werken von Rubens’ Hand, die ich
hier um mich her erblicke, sind so viele künstlerische
Verdienste vereinigt, daß man sich willig finden läßt,
auch über den wesentlichen Mangel einer feineren Vorstellungsart
hinauszugehen und sich mit dem Künstler
in seinen niedrigeren Gesichtspunkt zu versetzen. Unter
allen diesen Werken scheint mir dasjenige, wo die Apostel
am Pfingsttage mit neuen Kräften erfüllt werden, in
Absicht auf die Schönheit der Köpfe vorzüglich bemerkenswert.
Es ist zwar auch hier der gewöhnliche Fehler
auffallend, daß die Ergießung des Heiligen Geistes weit
mehr durch die von Licht umflossene Taube, die einzeln
herabfallenden Flämmchen und das Erstaunen der Heiligen
selbst über diese Erscheinungen, als durch eine
wirklich auf ihren Zügen sichtbare Begeisterung und
Verstärkung des geistigen Kraftmaßes angedeutet wird;