Der Eifer der Gewinnsucht schuf die Anfangsgründe
der Mathematik, Mechanik, Physik, Astronomie und
Geographie; die Vernunft bezahlte mit Wucher die
Mühe, die man sich um ihre Ausbildung gab; sie knüpfte
ferne Weltteile aneinander, führte Nationen zusammen,
häufte die Produkte aller verschiedenen Zonen - und
immerfort vermehrte sich dabei ihr Reichtum von Begriffen;
immer schneller ward ihr Umlauf, immer schärfer
ihre Läuterung. Was von neuen Ideen allenfalls nicht
hier zur Stelle verarbeitet ward, kam doch als roher Stoff
in die benachbarten Länder; dort verwebte man es in die
Masse der bereits vorhandenen und angewandten
Kenntnisse, und früher oder später kommt das neue Fabrikat
der Vernunft an die Ufer der Amstel zurück. -
Dies ist mir der Totaleindruck aller dieser unendlich
mannigfaltigen, zu einem Ganzen vereinigten Gegenstände,
die vereinzelt und zergliedert so klein und unbedeutend
erscheinen. Das Ganze freilich bildet und wirkt
sich ins Dasein aus, ohne daß die Weisesten und Geschäftigsten
es sich träumen ließen; sie sind nur kleine
Triebfedern in der Maschine, und nur Stückwerk ist ihre
Arbeit. Das Ganze ist nur da für die Phantasie, die es aus
einer gewissen Entfernung unbefangen beobachtet und
die größeren Resultate mit künstlerischer Einheit begabt;
die allzu große Nähe des besonderen Gegenstandes,
worauf die Seele jedes Einzelnen als auf ihren
Zweck sich konzentriert, verbirgt ihr auch des Ganzen
Zusammenhang und Gestalt. -
Nachmittags machten wir nach unserer Gewohnheit
einen Spaziergang durch die Stadt. Die Aussicht von der
Amstelbrücke hält den Vergleich mit der Maas bei Rotterdam
nicht aus; dagegen sind die Hauptstraßen an den
großen Kanälen (Heerengracht, Prinsengracht, Keizers-
gracht u. a. m.) weit länger und breiter als selbst der
schöne Boompjes, und ihre Häuser sind großenteils Paläste.
In einer kleinen Stadt fällt das Gewühl mehr auf
als hier, wo man Raum hat, einander auszuweichen; allein
es gibt auch in Amsterdam Gegenden, wo man sich
nur mit Mühe durch das Gewimmel in den engen Gassen
durchdrängen kann. Den ganzen Tag herrscht überall
ein unaufhörliches Getöse: die unzähligen Equipagen
der Bürgermeister und Ratsherren, Staatsbeamten, Direktoren
der Ostindischen Kompanie, Ärzte und üppig
gewordenen Reichen, der ununterbrochene Warentransport
und die deshalb so oft aufgezogenen Zugbrücken
sperren den Weg und verursachen ein beständiges Rufen
und Gerassel; vom frühen Morgen an schreien Männer
und Weiber auf allen Straßen mancherlei Sachen zu
verkaufen aus; die Kirchtürme habe Glockenspiele, und
des Abends wandern Leiermänner und singende Weiber
umher.
Im Rathause, diesem großen, prächtigen, mit architektonischen
Zieraten und Fehlern überhäuften Gebäude,
welches gleichwohl einige sehr schöne Säle und Zimmer
enthält, sahen wir unter vielen Gemälden eins von Rem-
brandt und eins von van Dyck, die als Porträtsammlungen
einen hohen Rang behaupten. Es ist auffallend, wie
die besten Stücke von Bäcker, Flinck, van der Heist,
Sandrart und ändern guten Malern wegfallen, wenn man
den van Dyck gesehen hat. Komposition ist indes in keinem;
denn es sind lauter aneinandergedrängte Bildnisse
von bekannten Männern, manchmal vierzig, fünfzig und
noch mehr auf einem Gemälde. Die allegorischen Schil-
dereien und Bildsäulen sowohl im Gerichtssaal als im
großen Bürgersaal und in der Bürgermeisterkammer sind
leider! keine Ausnahmen von der allgemeinen Regel, die
der modernen Allegorie eben nicht zum Ruhm gereicht.
Den Beschluß unseres heutigen Tagewerkes machte
die holländische Komödie. Man gab Merciers »Zoe«, ein
Drama (Toneelspel), in gereimte Verse übersetzt. - Wie