ich den ganzen Tag auf die physische Bildung und die
Gesichtszüge des Volkes aufmerksam gewesen war, so
ließ ich mir auch auf diesem Sammelplatz der Amsterdamer
Bürgerwelt die Fortsetzung meiner Beobachtungen
angelegen sein. In der Tat hält es schwer, die charakteristischen
Umrisse bestimmt anzugeben, worin das Unterscheidende
der holländischen Nationalgestalt liegt. Der
ganze Körper ist gewöhnlich sehr robust, und man wird
selten eine Figur von feinen, eleganten Proportionen
und zartem Knochenbau gewahr. Das Überfütterte aber,
das Schlaffe, Abgespannte, wodurch die Brabanter uns
so zuwider wurden, habe ich hier nur als seltene Ausnahme
bemerkt; gewöhnlich ist hier alles feste Faser und
derbes Fleisch. Der blonde Teint hat die starke Kirschenröte
der blutreichsten Gesundheit, wobei die Haut
nur selten so zart zu sein pflegt, wie unsere Weichlinge
sie verlangen und unsere Mädchen, diesem Geschmacke
zu gefallen, sie sich wünschen und durch tausend fruchtlose
Künste zu schaffen suchen. Das blaue oder graue
Auge hat unter den dichten Augenbrauen einen festen,
kalten Blick. Lange Nasen und gerade Profile sind nicht
ungewöhnlich, und die Mundwinkel laufen selten scharf
zu, sondern bleiben gutmütig breit, womit zuweilen ein
Ausdruck von Beschränktheit verbunden ist. Wie verschieden
aber auch der Schnitt der Lippen sei (denn es
gibt deren, die allerdings sonderbar geschnitten sind
und zumal unter dem Pöbel etwas Keckes, oft auch etwas
Hartes verraten), so scheint mir doch um den Mund
und an dem Halse das allgemeine physiognostische
Wahrzeichen, welches die Holländer kenntlich machen
kann, am deutlichsten ausgeprägt. Ohne Scherz, ich
glaube, daß die Teile, welche die Sprache bilden, wieder
von ihr und für sie gebildet werden, und die hiesige
ganz eigene vokalenreiche Mundart mit ihren vielen
breiten Doppellauten, ihren Gurgeltönen und ihrem
weichen Gezisch erteilt der Kehle, der Zunge, den
Mundmuskeln, Halsmuskeln und Wangen die eigentümliche
Bewegung, die mit der Zeit auf die Gestalt dieser
Teile wirkt. Man hat, wenn ich mich recht erinnere, die
Bemerkung schon eher gemacht, daß die republikanische
Verfassung den Sitten und zugleich dem Ausdruck
der Gesichtszüge etwas Einförmiges gibt; ich finde hier
das Phänomen bestätigt, was es auch für eine Bewandtnis
mit der Ursache haben mag. Indes herrscht doch in
den hiesigen Physiognomien ein bestimmter Charakter,
der mit der Erziehung und Lebensweise, mit der Denkungsart
und der Ausbildung im engsten Verhältnisse
steht. Man sage nicht, weil überall nur eine kleine Anzahl
von Begriffen unter den geringeren Volksklassen in
Umlauf kpmmt, daß es gleichviel sei, worin diese bestehen
und von welcher Art sie sein mögen. Die überwiegende
Stärke, womit hier gewisse moralische Grundsätze
auf die Handlungen des großen Haufens einfließen, die
ebenfalls in Gefühl übergegangenen Ideen von Freiheit,
die davon unzertrennliche Selbstachtung und die gefürchtete
Gerechtigkeit der öffentlichen Meinung oder
der allgemeinen Stimme des Publikums wirken nebst
vielen anderen Ursachen, um diese Menschen auf eine
Stufe der Humanität zu heben, welche vielleicht von anderen
Völkern mit glänzenderen Eigenschaften nicht
immer erreicht wird und über den Standpunkt der faden
Rassen unendlich erhaben ist, die, gegen den Sporn der
Ehre und der Schande unempfindlich, ihre Leere und
moralische Nullität nur mit dem Firnis der Nachahmung
und eines aberwitzigen Leichtsinnes übertünchen. Es ist
wahr, man vermißt hier ziemlich allgemein jene leichte,
spielende Flamme des Geistes, die aus dem Sterne der
Augen leuchtet, im Aufschlag der Wimper proteusähnlich
sich verändert, in den feinen Fältchen der Stirne
lauscht und des Mundes gedankenreiche Stille umgau