Raffaels und Tizians und Guidos Seelen in den belgischen
Schlamm hinabsteigen können? Zwar hätte Gérard
Dou seinen Marktschreier wohl ebenso interessant machen
können, ohne jene Details anzubringen, welche die
Tierheit des Menschen in ihrer härtesten Abhängigkeit
von den unreinsten Bedürfnissen ins Gedächtnis rufen;
allein wer trennt uns das voneinander? Wer mag selbst
dem pfiffigsten und kunstreichsten Teufel den unwiderstehlichen
Hang benehmen, unter die Säue zu fahren?
Soll ich mich jetzt von den niedrigsten Stufen der
menschenbildenden Kunst zu den Tier- und Landschaftsmalern
wenden? Ich halte mich nicht gern bei
ihnen auf, wo höhere Gegenstände mich an sich reißen.
Freilich ist der Gasparo schön; es herrscht eine dunkle,
hohe, mächtige Phantasie durch dieses wilde Tal und
seine einfache Größe; schade nur, daß man in dieser
Einsamkeit, wo der Blick auf den Trümmern alter Gebäude
und Paläste am fernen Gebirge ruht, durch eine
schale historische Gruppe unterbrochen wird, und
ebenso schade, daß das Bild schon so schwarz geworden
ist. Auch dieser ungeheure Eber von Snyders ist wunderbar
gerüstet mit zermalmender Kraft und fürchterlichem
Grimm; er verdiente, der Eber von Kalydon zu
heißen. Ebenso gewaltig in ihrer Art, ebenso rein der
Natur nachgebildet sind die mutig angreifenden und die
von dem gräßlichen Zahn des Ebers niedergemähten,
zappelnden und heulenden Hunde. Die Figuren der Jäger,
kühn wie die Tiere, aber mit Zinnober unnatürlich
koloriert, sind von Rubens. Was Fyt, de Vos und Wee-
nix von Tierstücken malten, kommt diesem nicht bei, soviel
Verdienstliches auch ihre Arbeiten und insbesondere
die des erstem haben.
Laß mich hinwegeilen über die geleckten Bilderchen
des Ritters van der Werff. Ihre zarte, geschliffene Vollendung,
ihre kunstreich geworfenen Gewänder können
uns nicht schadlos halten für ihre Kälte und Gleichförmigkeit,
für die manierierte, unrichtige Zeichnung und
das dem Elfenbein ähnliche Fleisch. Das beste unter einundzwanzig
kleinen Stücken ist die Erscheinung Christi
im Knabenalter unter den im Tempel versammelten Ältesten.
Der Knabe ist schön und geistreich, und diese Eigenschaften
vereinigt sind mehr als hinreichend, ihn interessant
zu machen. Von der großen, langbeinigen
Magdalena des Herrn Ritters läßt sich trotz allen mühseligen
Künsteleien so viel Gutes nicht sagen. Ehe ich
meine Feder hinlege, nur noch ein paar Worte von
Crayer und van Dyck. Crayers größtes Werk, doch will
ich eben nicht sagen sein Meisterwerk, ist das Altarblatt
aus der Augustinerkirche zu Brüssel, welches der Kurfürst
von den Mönchen für dreißigtausend Gulden und
eine Kopie kaufte. Als Dichtung betrachtet, hat es nicht
den mindesten Wert. Es ist ein Thron der Mutter Gottes,
die zuoberst, mit dem Jesuskinde auf dem Arm, dasitzt
und von Heiligen umringt ist, die zum Teil neben
ihr, zum Teil tief unten auf den Stufen stehen oder
knien. Ganz zuunterst im Vordergründe kniet der Maler
nebst seinem Bruder und, wie die Überliefemng ferner
lautet, seiner Schwester und seinem Neffen. Er kehrt
das breite, wohlgenährte, selbstgefällige Gesicht nach
dem Zuschauer hin, anstatt recht andächtig zu beten,
und zeigt uns mit der Hand, daß dies alles seine Arbeit
sei. Es ist wahr, die Heiligen selbst geben ein böses Beispiel:
sie stehen zum Teil ganz müßig da, oder sie plaudern
miteinander; die wenigsten bezeigen der Gottheit
oben ihre Andacht. Auch scheint es nicht, als ob sie
eigentlich zu irgendeinem ändern Zweck versammelt
sind, als weil etwa der Maler oder die Augustinermönche
zu Brüssel sie gern einmal beisammen sehen wollten;
und bei dem gänzlichen Mangel an Einheit und Zusammenhang
ist es noch die Frage, ob Crayer an etwas