wenn eine fremde Dazwischenkunft nicht der Schale gegen
sie den Ausschlag gegeben hätte. Allein die Rachsucht
der Sieger hat in Holland dreihundert der angesehensten
Familien zu einer freiwilligen Verbannung aus
ihrem Vaterlande gezwungen; fünfhundert andere hat
die Entsetzung von den Ämtern, die sie bisher bekleideten,
zugrunde gerichtet. In Friesland geht die Verbitterung
noch ungleich weiter, und die häufigen Konfiskationen,
wären sie auch nur Wiedervergeltungen für den
von den Patrioten zuvor verübten Mißbrauch ihrer
Übermacht, erhalten doch dadurch, daß sie nach geschlossenem
Frieden gleichsam mit kaltem Blute vorgenommen
werden, einen gehässigem Anstrich. Auch ist
das Feuer, das vorhin aufloderte, noch keineswegs gedämpft;
es glimmt überall unter der Asche und wird
durch jede neue Mißhandlung der Patrioten genährt.
Das Andenken an empfangene Beleidigungen ist im Busen
des Niederländers beinahe unvertilgbar; der tiefe,
mit ihm alternde Groll ist von seinem Charakter unzertrennlich
und, wie schon andere mit Recht erinnert haben,
in seiner ganzen Organisation gegründet. So tief
wird schwerlich ein anderer Europäer gekränkt, wie man
einen Holländer kränken kann. Diese Kränkungen sind
die unzerstörbaren Keime einer neuen Revolution, die
nach einem Jahrhundert vielleicht erst reifen wird; allein
auch alsdann noch wird die Rache den Kindern der Unterdrückten
zurufen: »Man schonte eurer Väter nicht!«
Hellevoetsluis
In wenigen Stunden gehen wir zu Schiffe; aus dem Fenster,
wo ich schreibe, kann ich unser Paketboot liegen
und sich durch seinen schlankeren Bau von den kleinen
holländischen Fahrzeugen auszeichnen sehen. Während
die Reisegesellschaft sich hier versammelt, will ich unsere
Abschiedsbemerkungen über Holland auf der Fahrt
von Amsterdam hierher so im Flug aufzeichnen, wie wir
sie im Fluge angestellt haben.
In Amsterdam, wie im Haag, nahte die Abschiedsstunde
zu früh für unsere Wünsche heran. Kaum hatten
wir die Hälfte der Merkwürdigkeiten besehen, welche
man in dieser großen Stadt den Fremden zu zeigen
pflegt, kaum fingen wir an, eine Menge der interessantesten
Bekanntschaften zu machen, so erwachte der Maimorgen,
auf den unsere Abreise unwiderruflich festgesetzt
war. Von allen Regeln, deren Beobachtung dem
Reisenden oft unmöglich wird, ist keine so leicht übertreten,
als diese gewissenhafte Einteilung der Zeit, und
keine, wobei die Standhaftigkeit der Entschlüsse sich
selbst besser belohnt. Wir fuhren um fünf Uhr morgens
mit der Barke nach Haarlem. Hier war unser erster Gang
zum Landhause des in allen Weltteilen bekannten Herrn
Henry Hope, der uns in Amsterdam den Erlaubnisschein
dazu gegeben hatte, einen Talismann, ohne welchen
man in Holland selten ein Privathaus besehen darf.
Ein angenehmer Spaziergang durch ein Gehölz führte
uns bis an das Gebäude, dessen Äußeres weniger verspricht,
als man im Innern findet. Die winkelige Form
verrät noch den seltsamen Geschmack des ehemaligen
Besitzers, und das feuchte Klima löst unaufhörlich den
Gipsüberzug ab, womit die Mauern beworfen sind. In