Bilderreichtum kann, solchen Begriffen untergeordnet,
in Erstaunen setzen und Bewunderung vom Zuschauer
erzwingen, wenn eine hohe Darstellungsgabe damit verbunden
ist; aber den Künstler, der so sich äußert, wird
man in seinem Werke so wenig lieben können als jene
morgenländischen Nationalgötter, deren Offenbarung
nur Grausen und Entsetzen in den Gemütern erweckte.
Ich will ihn ja bewundern, diesen großen Rubens, den
Mann von unerschöpflichem Fleiße, von riesenhafter
Phantasie und Darstellungskraft, den Ajax unter den
Malern, dem man gegen viertausend bekannte Gemälde
zuschreibt, dessen Genie den Himmel und die Hölle,
das letzte Gericht über die unzähligen Myriaden des
wiedererstandenen Menschengeschlechts, die Seligkeit
der Frommen und die Pein der Verdammten in ein ungeheures
Bild zu fassen und dem Auge sichtbar zu machen
wagt! Groß nenne ich es allerdings, so etwas mit
dem Pinsel in der Hand zu unternehmen, diesem Chaos
von Gestalten, wie sie mannigfaltig verschlungen in der
Phantasie des Künstlers ruhten, Dasein auf der Leinwand
zu geben, so umfassend in die heterogensten Gegenstände
die bindende Einheit zu bringen und das
Weltall mit wenigen Zügen zu erschöpfen. Dessenungeachtet
wende ich meine Augen mit Schauder und Ekel
hinweg von einer Darstellung, worin das Wahre, das der
Natur so treulich Nachkopierte, nur dazu dient, ein Meisterstück
in der Gattung des Abscheulichen zu vollenden.
Unter allen Fehlern, in die der Künstler verfallen
kann, ist keiner so groß, so durch kein Verdienst abzukaufen,
als der, wenn er die Grenzen seiner Kunst verkennt.
Was der Dichter in Worten schildern, was er sogar
mit den stärksten Ausdrücken bezeichnen kann, das
darf der Maler nicht gleich auch in Umriß und Farbe «fassen.
Alle die Abstraktionen, die dem Schriftsteller so
sehr zustatten kommen, sind für die bildende Kunst
gänzlich verloren. Mit einem Worte, mit einem konventionellen
Zeichen ziehen wir in unseren Kreis hinab,
was gänzlich außerhalb desselben lag: Allmacht, Ewigkeit,
Unendlichkeit, ja das Unbegreifliche selbst wird
uns durch diese Bezeichnung zum Begriff. Allein empört
sich nicht unser ganzes Gefühl gegen eine willkürliche
Versinnlichung solcher Worte? Die Einbildungskraft
des hochberühmten Rubens hat sich indes vielfältig auf
diese Art beschäftigt. In der hiesigen Galerie sind nicht
weniger als fünf Gemälde damit angefüllt. Vom Jüngsten
Gericht ist sowohl eine kleine Skizze als ein Stück in
den größten Dimensionen vorhanden. Auch die Hölle
sieht man zweimal abgebildet, einmal nämlich den Sturz
der Dämonen auf einem größeren Blatt, und sodann die
Verstoßung der Verdammten in einem kleineren Entwurf,
erglühend von verzehrendem Feuer. Ein fünftes
Stück stellt uns die Scharen der Seligen vor Augen. Unter
diesen Gemälden ist das große Bild vom Jüngsten
Gericht das ruhigste, wenn man die größere Sorgfalt in
der Anordnung mit diesem Ausdruck bezeichnen darf.
Verglichen mit den übrigen möchte man es kalt nennen,
denn vermutlich hatte sich die Künstlerwut in ihren ersten
Ergießungen schon erschöpft.
Ich will es vergessen, daß der Gegenstand dieses Gemäldes
offenbar außerhalb der Sphäre des Malers liegt.
Die sinnliche Vorstellung dessen, was allen Begriff übersteigt,
kann nicht anders als kleinlich ausfallen. Wie mag
es also der Künstler mit dem Zwecke seiner Kunst zusammenreimen,
daß er Dinge abzubilden wagt, die in
seinem Bilde nicht an Größe und Erhabenheit gewinnen,
sondern augenscheinlich verlieren? Doch dieser
Fehler ist bei modernen Künstlern so gewöhnlich und so
tief gewurzelt in der oft nicht von ihnen selbst abhangenden
Anwendung ihres Talents auf die Geheimnisse
des Christentums, daß Rubens darum nicht mehr zu ta