stand, der eine Folge milder und zweckmäßiger Politik
ist, gibt ihnen Mut und Kräfte, jedem eigenmächtigen
Eingriffe Widerstand zu leisten; Stände und Munizipalitäten
erhalten einen Wirkungskreis, und es geht zwar
langsam, aber desto sicherer eine allgemeine und allen
Gliedern des Staats gleich vorteilhafte Veränderung der
Verfassung vor sich. Offenbar zwecken viele Einrichtungen
sowohl des verstorbenen Königs als seines Nachfolgers
in den preußischen Staaten dahin ab; und dies ist
der Grund, weshalb in jenen Staaten auch nicht die entfernteste
Besorgnis einer Gärung im Volke vorhanden
ist.
Ich habe mir es nicht versagen können, Dir wenigstens
etwas von den Ideen mitzuteilen, die mir Zuströmen,
seitdem ich über die jetzige Lage von Lüttich nachdenke.
Von allen jenen Vordersätzen wage ich es indes
nicht, die Anwendung auf diesen individuellen Fall zu
machen und die eine oder die andere Partei zu verdammen.
Um das zu können, müßte man in die Geheimnisse
der Kabinette eingeweiht und bis zur Epopsie* darin gekommen
sein; ein Punkt, wo, nach dem Ausspruche der
Geweihten, die Entscheidungsgründe, womit wir Laien
uns so gern befassen, in tiefes Stillschweigen begraben,
die Urteile hingegen mit der unfehlbaren Autorität von
Orakelsprüchen der profanen Welt verkündigt werden.
Demütiger, als ich bin, will ich mich gleichwohl nicht
stellen; Du weißt, ich halte nichts von Tugenden, die
sich mit Gepränge melden; und, Scherz beiseite, wenn
ich alles erwäge, was ich soeben hingeschrieben habe,
kommt es mir mehr als problematisch vor, daß diese Sache
so von der Hand sich aburteilen lasse, wofern man
nicht gewohnt ist, mit Machtsprüchen um sich zu werfen
oder auf morsche Grundlagen zu bauen. Der wütigste
Demokrat und der eigenmächtigste Despot führen
heutigen Tages nur eine Sprache; beide sprechen von der
Erhaltung und Rettung des Staats, von Recht und Gesetz;
beide berufen sich auf heilige, unverletzbare Verträge,
beide glauben, eher alles wagen, Gut und Blut daransetzen
zu müssen, ehe sie zugeben, daß ihnen das
geringste von ihren Rechten geschmälert werde. Mich
dünkt, etwas Wahres und etwas Falsches liegt auf beiden
Seiten zum Grunde; beide haben recht und unrecht zugleich.
Ein Staat kann nicht bestehen, wenn jeder sich
Recht schaffen will. Ganz richtig; aber nicht minder richtig
ist auch der Gegensatz der demokratischen Partei:
ein Staat kann nicht bestehen, wenn kein Geringer
Recht bekommt. Gegen den Landesherm sich auflehnen
ist Empörung: die Herrschermacht mißbrauchen ist unter
allen Verbrechen das schwärzeste, da es in seinen
Folgen dem Staate tödlich und gleichwohl selten ausdrücklich
verpönt ist, sondern weil man auf die sittliche
Vortrefflichkeit des Regenten volles Vertrauen setzte,
seinem zarten Gefühl von Pflicht anheimgestellt blieb.
Jeder unruhige Kopf kann die verletzten Rechte des
Bürgers zum Vorwande nehmen, um einen Aufstand zu
erregen und seine ehrgeizigen Absichten durchzusetzen;
jeder Despot kann aber auch unter der Larve der
Wachsamkeit für die Erhaltung des Staats die gegründeten
Beschwerden des Volks von sich abweisen und dessen
gerechtestes Bestreben, seine Vorrechte zu erhalten
oder wiederzuerlangen, als einen Hochverrat oder einen
Aufruhr ahnden. In erblichen Monarchien kann der
Fürst, wenn seine Untertanen ihm den Gehorsam aufkündigen,
vor Gott und Menschen gerechtfertigt, sein
Erbrecht behaupten und die Rebellen als Bundbrüchige
zur Rückkehr unter seine Botmäßigkeit zwingen; allein
die Insurgenten werden ihn erinnern, daß der Erbvertrag
die Bedingung voraussetzt, der Herrscher solle der
weiseste und beste Mann im Staate sein; wenn es sich
nun aber fände, daß der Wechsel der Zeiten und Gene