teraturgeschichte sichert. Das Buch erfuhr damals sofort
Neuauflagen und Übersetzungen ins Holländische und
Französische.
Auch in heutiger Zeit wurden die Ansichten immer
wieder verlegt, allerdings nur im Rahmen mehrbändiger
Werksausgaben unterschiedlichen Umfangs. Mit der vorliegenden
Fassung wird endlich wieder eine Einzelausgabe
angeboten. Der Band ist als Leseausgabe konzipiert,
und dementsprechend wurde der Umfang des
Anmerkungsteils beschränkt. Es fanden vornehmlich erklärungsbedürftige
Anspielungen und heute ungebräuchliche
Begriffe Berücksichtigung. Den Charakter
der Leseausgabe unterstützen auch die zeitgenössischen
Illustrationen, die das Lesevergnügen erhöhen und die
Phantasie des Lesers anregen sollen. Die Textgrundlage
für die vorliegende Ausgabe bildete die Ausgabe der Ansichten,
1. und 2. Teil Berlin 1791. Außerdem lagen dem
Herausgeber noch folgende Fassungen vor: Sämtliche
Schriften, Tagebücher und Briefe Georg Försters, in der
historisch-kritischen Ausgabe der Deutschen Akademie
der Wissenschaften in Berlin (darin der von Gerhard
Steiner bearbeitete Bd. 9, Berlin 1963) und die zweibändige
Ausgabe von Försters Werken des Aufbau Verlages,
Berlin und Weimar 1979. Der Text wurde vor allem in
der Orthographie dem heutigen Sprachgebrauch angepaßt,
auch der Satzbau und veraltete Begriffe sind dem
heutigen Deutsch angeglichen. An einigen Stellen wurden
Kürzungen vorgenommen, die selbstverständlich
nicht als Verbesserungen gedacht, sondern im Charakter
des Buches als Leseausgabe begründet sind. Dabei sollte
der Leser vor allem durch eine Straffung entlastet werden,
wie zum Beispiel durch das Weglassen von Försters
ausführlicher - heute überholter - Diskussion der Entstehung
des Basaltes.
Ulrich Schlemmer
Boppard, den 24. März
Ich war eben im Begriff, unserer Philosophie eine Lobrede
zu halten, als mir einfiel, daß im Grunde wenig
dazu gehört, sich in ein Schicksal zu finden, welches
Deinem Reisenden noch Feder, Tinte und Papier gestattet.
Behaglicher wäre es allerdings gewesen, Dir alles,
was ich jetzt auf dem Herzen habe, aus Koblenz und in
der angenehmen Erwartung einer süßen Nachtruhe zu
sagen; dafür aber sind Abenteuer so interessant! Ein gewöhnlicher
Reisender hätte das Ziel seiner Tagefahrt erreicht:
wir sind drei Stunden Weges diesseits desselben
geblieben.
Es war einmal Verhängnis, daß es uns heute anders
gehen sollte, als wir erwartet hatten. Statt des herrlichen
gestrigen Sonnenscheins, mit dessen Fortdauer wir uns
schmeichelten, behielten wir einen grauen Tag, dessen
minder glänzende Eigenschaften aber, genau wie man in
Romanen und Erziehungsschriften lehrt, das Nützliche
ersetzte. Denn weil der Zauber einer schönen Beleuchtung
wegfiel und der bekannten Gegend keine Neuheit
verleihen konnte, so blieb uns manche Stunde zur Beschäftigung
übrig. Auf der Fahrt durch den Rheingau
hab ich, verzeih es mir der Nationalstolz meiner Landsleute!
eine Reise nach Borneo gelesen und meine Phantasie
an jenen glühenden Farben und jenem gewaltigen
Pflanzenwuchs des heißen Erdstrichs, wovon die winterliche
Gegend hier nichts hatte, gewärmt und gelabt. Der
Weinbau gibt wegen der krüppelhaften Figur der Reben
einer jeden Landschaft etwas Kleinliches; die dürren
Stöcke, die jetzt von Laub entblößt und immer steif in
Reih und Glied geordnet sind, bilden eine stachlichte
Oberfläche, deren nüchterne Regelmäßigkeit dem Auge