zeichnen. Wenn man sich freuen soll, daß diese unnatürlichen
Denkmäler der zügellosen Leidenschaft unserer
barbarischen Voreltern endlich als unnütz abgeschafft
werden, so muß wenigstens das schöne Schauspiel des
Fleißes und der emsigen Betriebsamkeit uns für den angenehmen
Eindruck entschädigen, den der Anblick aller
großen, durch Menschenhände ausgeführten Werke uns
gewährt. Lieber lasse man uns die alten Bastionen und
Gräben als diese öden Schutthaufen, welche die Ohnmacht
und das Phlegma der Nation so widrig bezeichnen.
Diese Eigenschaften drangen sich uns indes in
einer noch ungleich verächtlicheren Gestalt auf, als wir
in Erwartung unseres Mittagsmahls einen Spaziergang in
der Stadt machten und auf dem großen Markte die Freiwilligen
exerzieren sahen. Es-ist nicht möglich, das Lächerliche
dieser grotesken Gruppe mit Worten zu schildern;
selbst Hogarths Talent hätte verzweifeln müssen
bei dieser trägen charakterlosen Unordnung. Was ich
sah, war eine übelgewählte, buntscheckige und zum Teil
wirklich abenteuerlich gekleidete Wachtparade, aber
ohne alle Einheit, ohne diese Anziehungskraft, diesen
Geist des Ganzen, der die Bestandteile bindet und zu
einem lebendigen Körper beseelt. Man sah augenscheinlich
nicht nur, daß Soldat und Soldat nichts gemein hatten,
sondern daß der Mensch, sein Rock und sein Gewehr
heterogene Teile waren, die bloß der Zufall
zusammengehäuft, nicht das Gesetz der inneren Notwendigkeit
zu einer unzertrennlichen Individualität erhoben
hatte. Die Offiziere waren so unansehnlich wie
die Gemeinen und trieben ihr Handwerk mit einer Lässigkeit
und Lauigkeit, die uns vom Lachen bis zum Unmut
brachte. Unter vier- bis fünfhundert Menschen sahen
wir nicht einen von ansehnlicher Statur; dagegen
eine Menge Knaben von fünfzehn Jahren. Der einzige
Mensch, der einen Begriff von seiner Pflicht zu haben
schien und folglich der einzige, der diese tote Masse
noch ein wenig zu beleben vermochte, war der Regimentstambour.
Tournai hat einige schöne Plätze und Gebäude, aber
nicht über 24000 Einwohner, bei einem Umfange, der
eine ungleich größere Volksmenge verspricht. Die vorteilhafte
Lage der Stadt an der schiffbaren Schelde hat
ihren Handel dennoch nicht emporbringen können; dagegen
gedeihen hier die Priester, Mönche und Nonnen
von allen Benennungen und Farben und geben das bekannte
gute Beispiel ihrer nützlichen Tätigkeit. Auch
wimmelte hier alles von Bettlern, bis Joseph II. ihr einträgliches
und dem Staate so »vorteilhaftes« Gewerbe
verbot. Verhältnismäßig ist indes mehr Leben auf den
Straßen von Tournai als in Mechelen und in den braban-
tischen Städten, durch welche wir gekommen sind,
wenngleich der größte Teil der Einwohner sich von Fabrikarbeiten
nährt. Die hier verfertigten Kamelotte und
Berkane* sieht man überall; die Weiber gehen nie ohne
einen langen Mantel von diesem Zeuge aus, der bis an
die Knöchel hinuntergeht, mit einem großen Capuchon*
versehen ist und in Schmutz und Regen so gute Dienste
leistet wie im Sommer gegen den Staub. Diese graue
Tracht hat zwar nichts Zierliches; sie ist aber viel einträglicher
als die schwarzen Kappen, womit man die
Weiber in Brüssel gespensterähnlich umherschleichen
sieht. Ich glaubte mich an die Ufer des Kokytus* versetzt,
als ich zum ersten Mal diese scheußlichen schwarzen
Hüllen auf dem Markt erblickte, wo sie in allen Graden
der Vortrefflichkeit, ganz abgenutzt und zerlumpt
oder ganz neu, von wollenem oder halbseidenem Stoffe
oder gar vom besten Gros de Tours neben mir hinzogen.
Ein solcher Anblick läßt wenigstens für den Kunstsinn
des Landes, wo man damit überrascht wird, nicht viel
hoffen.