einen Unterschied machte. Die gewöhnlichen Neugierigen
eilen hier, wie im Britischen Museum zu London, in
Zeit von zwei Stunden durch die ganze Enfilade von
Zimmern. Gelehrte hingegen haben freien Zutritt, so oft
und so lange sie wollen; eine Erlaubnis, die man zuweilen
mit Unbescheidenheit mißbraucht hat, der wir aber
auch schon die wichtigsten Aufschlüsse, zumal im Fache
der Tiergeschichte, verdanken. Hier war es, wo Pallas*
zuerst den Grund zu seinem nachmaligen Ruhm als Naturforscher
legte. Herr Vosmaer führte uns freundschaftlich
zu verschiedenen Malen in diesem reichen Tempel
der Naturwissenschaft umher und zeigte uns auch die
neu hinzugekommenen Stücke, die noch nicht an ihrem
bestimmten Orte aufgestellt waren, wie z. B. das Skelett
eines der größten Krokodile aus dem Nil und auf dem
Boden das Gerippe des Camelopardalis der Alten oder
der Giraffe der Neuern, dieses seltsamen Tieres, das
mehr einem Traum der Einbildungskraft als einem
Gliede in der Naturkette ähnlich sieht und von dessen
Trab, wie man sagt, der Springer im Schachspiel seinen
Gang entlehnt. Sein ungeheuer langer Hals, der vorzüglich
dazu beiträgt, ihm eine Höhe von achtzehn Fuß zu
geben, besteht doch nur, wie bei allen vierfüßigen, säugenden
Tieren, aus sieben Wirbeln; so streng beobachtet
die Natur selbst in ihren exzentrischen Gestalten das
Gesetz der Analogie. Von dem großen Orang-Utan, wovon
Camper bloß den Schädel besitzt, enthält das fürstliche
Museum das vollständige Gerippe mit ungeheuer
langen Armen, wie der bekanntere langarmige Affe
(Gibbon, Golok oder Lar). Es wäre töricht, im Ernst das
Merkwürdigste aus einem Kabinett ausheben zu wollen,
wo dem Naturforscher alles merkwürdig ist und wo man
dem Nichtkenner mit leichter Mühe jedes einzelne Naturprodukt
von einer wichtigen und interessanten Seite
darstellen kann; es wäre unmöglich und ermüdend zugleich,
das lange Verzeichnis des ganzen Vorrats abzuschreiben.
Genug, das Kabinett, wo man mit Vergnügen
die Nashörner und Flußpferde neben dem kleinsten
Spitzmäuschen und Kolibritchen bemerkt und wo, des
großen, schon vorhandenen Reichtums ungeachtet, noch
immer für neue Vermehrung gesorgt wird, verdient in
jeder Rücksicht die Aufmerksamkeit des Dilettanten
und des Kenners. Die Menagerie des Prinzen im Loo hat
den Fehler einer ungesunden Lage und dient daher zu
wenig mehr als zur Pflanzschule für das Naturalienkabinett.
Ich könnte Dir jetzt noch etwas von den Versammlungszimmern
der Generalstaaten und der hohen Dika-
sterien im alten Schloß, im Oraniensaal u. a. O. sagen,
wenn ich nicht Vorkehrungen zu unserer Abreise treffen
müßte, die noch diese Nacht vor sich gehen soll. Ein
wahrer Deus ex machina ist herabgefahren, um die
Bande zu lösen, die uns an den Haag gefesselt hielten.
Morgen um zwölf Uhr stehen wir auf der Admiralitäts-
werft in Amsterdam und sehen den neuen »Triton« vom
Stapel laufen; kaum bleibt uns so viel Zeit, daß wir von
jedermann Abschied nehmen und uns über den Schmerz
der allzu frühen Trennung beklagen können.