wo der Aberglaube in dem zähen, trägen belgischen
Temperament so tiefe Wurzel geschlagen und jedem
Reis der sittlichen Bildung den Nahrungsstoff ausgesogen
hat, hier wird man einst desto kräftiger dem hierarchischen
Geiste fluchen. Je länger sich die Erschütterung
verspätet, um so viel zerrüttender dürfte sie
werden, sobald die Sonne der Wahrheit auch über Brabant
aufgeht. Die Hartnäckigkeit der Phlegmatiker bezwingt
nur ein gewaltsamer Schlag, wo die Beweglichkeit
eines leichter gemischten Blutes gelinderen Berührungen
schon gehorcht.
Mit geweihten Hostien, mit Sündenerlassungen und
Verheißungen jenseits des Grabes, mit der ganzen Übermacht
ihres Einflusses auf die Gewissen und, um ihrer
Sache sicher zu sein, auch mit jenem vor Otschakow* erprobten
Begeisterungsmittel, mit reichlich gespendetem
Branntwein haben die Mönche von Antwerpen ihre
Beichtkinder zur Freiheitswut berauscht. Der Ausschuß
von Breda ward von hier aus mit großen Geldsummen
unterstützt, wozu teils die Kapitalisten und Kaufleute,
teils die reichen Prälaten selbst das Ihrige beitrugen.
Schon dieser Eifer gibt den Maßstab für die Größe des
Gegenstandes, den sie sich erkämpfen wollten; einen
noch bestimmteren haben wir an der Summe, die sonst
jeder neuernannte Prälat bei seinem Antritt dem Kaiser
erlegen mußte: der Abt zu St. Michael hier in der Stadt
opferte 80000, der zu Tongerloo 130000 und der zu
Everbude 150000 Gulden. Diesen Tribut hat die neue
Regierung der Stände abgeschafft; dem soeben erwähnten
Abt zu St. Michael ist bereits dieses Ersparnis zugute
gekommen, und wie er es anzuwenden wisse, beweist
die prachtvolle, wollüstige Möblierung seiner Appartements.
Der königliche Schatz, den man in Brüssel bei
Trauttmansdorffs* Flucht erbeutete, und die Abgaben
des Volkes, die seit der Revolution um nichts erleichtert
worden sind, haben den Prälaten ihre Vorschüsse mit
Wucher ersetzt. Wenn also das Land von der neuen
Staatsveränderung einigen Vorteil genießt, so kann er
nur darin bestehen, daß die sieben oder, nach anderen
Nachrichten, gar zwölf Millionen Gulden, die sonst jährlich
nach Wien geschleppt wurden, nun hier bleiben
und wegen der Kriegsrüstungen in Umlauf kommen
müssen. Wieviel indes von diesem Gelde auch noch
jetzt auf Schleifwegen ins Ausland geht, wo diejenigen,
die es sich zuzueignen wissen, ihrem Patriotismus unbeschadet,
es sicherer als in Brabant glauben, wage ich
nicht so nachzusprechen, wie ich es hier erzählen hörte.
Schon allein die Einnahme der Zitadelle von Antwerpen
soll ungeheure Summen gekostet haben, die in Gestalt
eines goldenen Regens den Belagerten zuteil geworden
sind.
Der Macht der belgischen Klerisei hat diese Eroberung
die Krone aufgesetzt. Die Festung war mit allen
Kriegsbedürfnissen und mit Lebensmitteln auf Jahre
lang reichlich versehen, und was ihre Mauern nicht in
sich faßten, hätte sie zu allen Zeiten durch angedrohte
Einäscherung der Stadt erhalten können; denn ihre Batterien
bestrichen alle Quartiere, und sachkundige Männer
von beiden Parteien kommen darin überein, daß sie
nicht anders als durch eine regelmäßige Belagerung bezwungen
werden konnte. Bei der allgemeinen Überzeugung
von ihrer Unbezwingbarkeit war die Übergabe ein
Wunder in den Augen des Volkes; Vornehme sowohl als
Geringe glaubten hier deutlich Gottes Finger und seine
Begünstigung der Revolution zu sehen. Ihre Priester hatten
sie zu diesem Glauben vorbereitet und gestimmt; sie
bestärkten ihn jetzt und fachten ihn an zur lodernden
Flamme. Vom Tage der Kapitulation an bemächtigte
sich ein Schwindel, der zum Teil noch fortdauert, aller
Köpfe, und am Tage der Übergabe liefen aus den umlie