hätte wirklich nur in der Form gefehlt, indem es aus eigener
Macht und Gewalt die Usurpation des Edikts von
1684 aufhob und nicht durch regelmäßige Wahl, sondern
im Enthusiasmus des Augenblicks durch die allgemeine
Akklamation sich selbst neue Magistratspersonen
schuf, so wird doch, wo so viel, ja wo alles von Heiligung
der Form abhängt, die Unregelmäßigkeit der Prozedur
ihre Aufhebung und Annullierung bewirken müssen.
Das preußische Kabinett scheint diese Notwendigkeit
endlich einzusehen; und weil es weder mit dem deutschen
Fürstenbunde brechen noch auch plötzlich gegen
die Lütticher, die es bisher beschützte, Zwangsmittel
brauchen mag, zieht es endlich seine Truppen in wenigen
Tagen zurück und überläßt den ändern niederrheinischen
Fürsten die Ausführung des wetzlarischen Exekutionsdekrets.
Die Kosten einer Exekution, die ein so
starkes Korps von Truppen erforderte, häufen sich zu
sehr beträchtlichen Summen an, deren Abbezahlung das
Hochstift mit neuen Schulden belasten wird, wiewohl
der König, wie es heißt, die eigentlich sogenannten Exekutionsgelder,
die sich täglich auf dreizehnhundert Taler
belaufen und worin der Unterhalt der Truppen nicht
mitbegriffen ist, dem armen Lande großmütig erlassen
hat.
Bald dürfte man nunmehr ernsthafteren Auftritten als
den bisherigen entgegensehen. Das Gefühl mag tief er-
seufzen über die bevorstehende Verheerung dieses blühenden
Landes und die schrecklichen Ungerechtigkeiten,
welche von jedem feindlichen Überzug unzertrennlich
sind; Übel, deren Wirkung unendlich schmerzhafter
ist als das Unrecht, dem man steuern will, auf wessen
Seite das auch immer sei; der gesunde Menschensinn
mag einsehen, daß, wer auch recht behält, die Entscheidung
auf alles, was zur wesentlichen Zufriedenheit und
Perfektibilität eines jeden Lüttichers vom Bischof bis
zum Köhler gehört, keinen sichtbaren Einfluß haben
werde; die Philosophie mag beteuern, daß, auf ihrer
Waage gewogen, ein Menschenleben mehr wert sei, heiliger
geachtet zu werden verdiene als die ganze Rechtsfrage,
worüber man streitet; das zarte Gewissen frommer
Religionsbekenner mag endlich erbeben vor der schrecklichen
Verantwortung über das bei einer so frivolen Veranlassung
vergossene Menschenblut: so wird doch die
Politik, von den Furien des Ehrgeizes und der Selbstsucht
gegeißelt, beide Parteien mit Wut gegeneinander
erfüllen und keine zur Nachgiebigkeit stimmen lassen,
bis nicht Bürgerblut geflossen ist. Armes Menschengeschlecht!
so spottet man deiner, indem man Gefühl und
Vernunft, Philosophie und Religion im Munde führt
und deine heiligsten Güter, Leben und Endzweck des
Lebens, für nichts achtet, sobald es auf elendes Rechthaben
ankommt!
Das Lütticher Volk sehen wir jetzt sich mit Eifer zur
Gegenwehr rüsten. Alles trägt das Freiheitszeichen, eine
aus Schwarz, Grün, Weiß und Rot zusammengesetzte
Kokarde; man spricht einander Mut und Vertrauen ein,
indem man sich schmeichelt, der König von Preußen
werde mit seinen Truppen dem Volke nicht zugleich
auch seine Gunst und seine Fürsprache im Notfall entziehen.
Der Bürgermeister von Fabry, ein siebzigjähriger
Greis, für dessen Rechtschaffenheit und Einsicht das allgemeine
Zutrauen seiner Mitbürger spricht, arbeitet bei
diesen bedenklichen Umständen mit unermüdeter Tätigkeit,
um das Beste seiner Mitbürger zu bewirken. Dies
ist keine leichte Sache, wenn man den erhitzten, gewaltsamen
Zustand der Gemüter und die dunkle Aussicht
in die Zukunft erwägt. Die Ausschweifungen des
Pöbels lassen sich nicht berechnen, sobald er einmal aufgeregt
ist und das mit Zügellosigkeit so leicht von ihm
zu verwechselnde Wort Freiheit zu seinem Wahlspruch