sie gleich nicht befriedigt. Es wäre bald von der Sache zu
kommen, wenn man alles einer fehlerhaften Konstitution
zur Last legen wollte, deren Mängel und Gebrechen
jetzt so klar am Tage liegen; allein geübtere Augen erkennen,
daß eine Komplikation von Ursachen eintreten
mußte, um den Verfall dieser vor alters so blühenden
Stadt allmählich zu bewirken; und Komplikationen dieser
Art nachzuspüren, ist keine so leichte Sache, daß ein
jeder in wenigen Worten den Knoten lösen könnte.
Karls des Großen Residenz, der Krönungsort so vieler
Kaiser, war lange der Sitz nützlicher Künste und Gewerbe,
ein wichtiges Handelsemporium, ein Mittelpunkt,
wo vielfältiges Interesse Menschen aus allen Klassen
und aus den entferntesten Gegenden des Reiches
zusammenführte, wo dieser Zusammenfluß einen
schnelleren Umlauf des Geldes, einen rascheren Tausch
der Waren, einen wenigstens für jene Zeiten wichtigen
Grad des Aufwandes verursachte, und zwar dies alles
schon, als in der umliegenden Gegend noch keine Nebenbuhlerin
sich organisiert hatte und zur Vollkommenheit
gediehen war.
Jetzt verhält sich alles anders. Aachen ist nicht einmal
mit der Gegenwart eines Kaisers für den Moment der
Krönung beglückt und noch viel weniger dessen beständiger
Aufenthalt; der Glanz, den diese Gegenwart ihr
geben konnte, ist von ihr gewichen. Um sie her, auf allen
Seiten, sind nach und nach ansehnliche Staaten entstanden;
der Fleiß, die Freiheit und das Glück haben im
Wetteifer miteinander vielen neuen Städten einen Grad
von blühendem Wohlstand geschenkt, den Handel in andere
Kanäle geleitet, den Geist der Menschen entwickelt
und gebildet, wie er an einem vereinzelten Orte und bei
hartnäckiger blinder Anhänglichkeit an altes Herkommen
nicht mit fort rücken konnte. Sodann aber haben die
Tyrannei des Aberglaubens, die noch immer gegen anMarktplatz
und Rathaus in Aachen
dersgesinnte Religionsparteien wütet und die Nichtkatholiken
von manchen Vorrechten des Bürgers ausschließt,
die Wut der Parteien, die unaufhörlich um die
Alleinherrschaft einer nur dem Namen nach freien
Reichsstadt kämpften, und endlich der finstere Despotismus
der Zünfte zur Sittenverderbnis, zur Verblendung
über das wahre Beste des gemeinen Wesens und
des einzelnen Bürgers, zum Müßiggang, zur Bettelei
und zur Entvölkerung kräftig mitgewirkt. Wo ist der
Wohlstand, der so vielen ihn untergrabenden Feinden
widerstehen könnte? Was echte Bürgertugend allein wi