zellen herauskriechen. Dieses Auswandern ist ebenso gewöhnlich wie die Erscheinung des
Vertilgens der Larven. •
Auf der Fig. 76 sehen wir: 1) eine Larve (a) in dem Augenblicke, wo sie die Larvenzelle
ganz verlassen hat, 2) eine Öffnung in der Wachshülle (o), welche von der Larve für
das Verlassen der Larvenzelle angefertigt worden ist, und 3) drei Larven (b, c, d), welche
im Begriffe stehen auszuwandern. Nachdem sie die Larvenzelle verlassen hat, erregt die
Larve in den meisten Fällen augenblicklich die Aufmerksamkeit der ihr zunächst befindlichen
Hummel, welche sie vorsichtig ergreift und dann je nach Umständen handelt. Bisweilen
trägt sie sie zum Neste hinaus, wobei eine große Beharrlichkeit an den Tag gelegt
wird; wenn z.B. die Hummel auf dem Wege über die Waben die Larve fallen läßt, so
wird sie dieselbe unbedingt entweder selbst wieder auffinden, oder es tut dies eine andere
Hummel, auf jeden Fall aber wird die Larve aus dem Neste herausgeschafft und weitab
zur Seite geworfen.
Bisweilen ist diese Beharrlichkeit weniger stark ausgeprägt, indem die von einer
Hummel begonnene Entfernung einer. Larve von den anderen nicht fortgesetzt wird, wenn
es der ersteren nicht gelungen ist, ihre Aufgabe zu vollenden. So ließ z.B. einmal eine Hummel
die Larve, welche sie davontrug,- in eine leere Zelle fallen; statt nun die Larve von hier
b c
F ig- 76. Fig. 76 A. F ig. 76 B. Fig . 77.
herauszuziehen, verschlossen die anderen Hummeln die Öffnung der Zelle mit Wachs (Fig. 76 A),
wodurch sie die Larve natürlich dem Tode weihten. Es kommt vor, daß eine solche
wandernde Larve gar nicht hinausgeschafft, sondern in eine spezielle Wachshülle verschlossen
wird, wie dies auf der.Fig.76B angegeben ist. Solche Larven kommen aber nicht
um: sie werden von den Hummeln ebenso gepflegt, wie diejenigen in den Eierzellen.
Dasselbe, was wir in den Beziehungen der Hummeln zu den wandernden Larven beobachten,
können wir auch bei Larven sehen, welche k ü n s tlich aus ihren Zellen herausgenommen
worden sind, oder an Larven, deren Behausung zerstört worden ist, so daß die
Hummeln Gelegenheit haben, in unmittelbare Berührung mit ihnen zu kommen. So werden,
wenn man die Wachsschicht, welche die Larvenzelle bedeckt, entfernt, die darunter liegenden
Larven sofort von den Hummeln bemerkt; diese letzteren verfahren nun mit den Larven
ebenfalls je nachdem die Umstände es erfordern.'
Bei schönem Wetter, wenn die Tracht ergiebig und die Familie zahlreich ist, wird
die Beschädigung der Larvenzelle ausgebessert. Ist das Wetter dagegen schlecht mit andauernden
Regengüssen und die Tracht infolgedessen gering, so erfassen die Hummeln die
Larven mit den Kiefern und bringen sie m ö g lich s t weit vor das Nest hinaus; erweist
sich dieses nicht gut ausführbar, so fliegen sie mit ihnen davon, lassen sie irgendwo weit
von der Behausung fallen und kehren dann nach letzterer zurück. Es ist mir gelungen,
einen solchen Flug einer Hummel, welche eine Larve zwischen den Kiefern trug, bis auf
eine Entfernung von 25—30 Metern zu verfolgen.
Einst beobachtete ich bei Bombus lapidarius folgende Erscheinung. Nachdem die
Wachshülle von einem Teil einer Larvenzelle entfernt und die Larven von den Hummeln
bemerkt worden waren, nahm eine Hummel eine der Larven zwischen die Kiefer und
schleppte sie zum Neste heraus; nachdem sie mit ihrer Last eine kleine Strecke zurück-
gelegt hatte, kam sie an eine Stelle, welche ihrer Weiterbewegung Hindernisse in den Weg
legte; es war dies eine kleine Vertiefung (etwa 7 cm) in der Erde. Die Hummel legte die
Larve auf die Erde, kehrte aber bald zu ihr zurück, ergriff sie mit den Kiefern und breitete,
nachdem sie eine gewisse Strecke bis zu einer freien Stelle zurückgelegt hatte, die Flügel
aus, worauf sie, die Larve zwischen den Kiefern haltend, zum Fenster hinausflog (Fig. 77).
Ganz in der gleichen Weise werden unter analogen Umständen auch die wandernden
Larven beiseite geschafft.
Die soeben beschriebenen Erscheinungen habe ich unzählige Male bei allen Hummel-
aiten beobachten können. Besonders lehrreich ist es aber, daß es mir gelungen ist, einer
Vernichtung der Larven, die durch das W eib ch en von Bombus terrestris se lb s t ausg
e fü h r t wurde, beizuwohnen. Diese Tatsache zeigt in unwiderleglicher Weise, daß der
m ü tte r lich e In s tin k t der W eib ch en s e in e r p s y c h o lo g is c h e n N a tu r n ach
sich in k e in e r W eise von demjenigen un te r sch e id e t, was wir bei den A r be
ite r in n en in ih re r P fle g e der sich entwick eln den La rv en geseh en haben.
Es ist dies ein Umstand, welcher für das Verständnis der im Neste vorsichgehenden Prozesse
von größter Wichtigkeit ist.
Eine weitere, mit der Vernichtung von Larven zusammenhängende Tatsache ist
folgende. Während eines Futtermangels oder infolge einer zufälligen Abnahme der Bevölkerung
beginnen die Hummeln von sich aus, ohne die Auswanderung der Larven abzuwarten,
die Larvenzellen zu zerstören und die Larven zu „vernichten“. Ich habe diese
Erscheinung mehrfach bei der Überführung eines Hummelnestes aus dem Walde oder vom
Felde in das Zimmer — einmal mitten im Sommer an drei gleichzeitig eingebrachten
Hummelnestern — beobachten können. Infolge dieser Überführung und später infolge des
mißglückten Ausfluges der Hummeln aus dem Neste wird die Zahl der Familienglieder
nicht selten bedeutend verringert. Die nächste Folge hiervon ist die Vernichtung der Larvenzellen
und der Larven.
Ich habe noch hinzuzufügen, 1) daß das Ereignis der Larvenvernichtung zu jeder
beliebigen Zeit der Existenz einer Hummelfamilie, von Anfang Juni bis Ende August Vorkommen
kann, und 2) daß in allen beschriebenen Fällen die Hummeln ihre Larven nicht
wirklich selber g e tö te t haben. Das letztere geschah nur ganz ausnahmsweise. Ich beobachtete
einen Fall dieser Art bei Bombus terrestris: eine Arbeiterin schleppte eine der Larven
zuerst aus dem Neste und begann sodann dieselbe auszusaugen. Diese Erscheinung ist in
Anbetracht ihrer außerordentlichen Seltenheit als eine ganz zufällige anzusehen und entspricht
durchaus dem, was oben über das Aussaugen eines Eies durch eine Arbeiterin gesagt
wurde, welche das Ei aus der Eierzelle schleppte: die Larve war offenbar durch die
Hummel zufällig verletzt worden, und als der süßliche Saft der letzteren in den Mund geriet,
fand sie denselben zur Nahrung geeignet. — Es unterliegt natürlich keinem Zweifel,