In den kalten Tagen am Anfänge des Juni 1904, als die Hummelweibchen (wie auch
andere Insekten) sehr verspätet an ihre Arbeit gingen und noph herumflogen, ohne ein Nest
zu besitzen, bemerkte ich Weibchen von Bombus varians und B. lapidarius, welche nach
einem geeigneten, passenden Plätzchen suchten. Zuerst vermutete ich, es handle sich um
die Suche nach einem Platze für das Nest, bemerkte aber bald ein hiervon ganz verschiedenes
Gebahren. Das in ersterem Falle äußerst vorsichtige Weibchen ging seinem Geschäfte
zwar wie stets mit großer Beharrlichkeit nach, schenkte jedoch allem, was um dasselbe
herum vorging, nur wenig Beachtung. Ein Weibchen-zu beobachten, welches.im Begriffe
steht, sich ein Nest zu bauen, ist außerordentlich schwierig: kaum hat es eine Bewegung
des während der Arbeit in der Nähe stehenden Menschen bemerkt, so fliegt es
auch schon schleunigst davon. Hier lag die Sache ganz anders: ich konnte der Hummel
ohne weiteres folgen, und diese ging ihrem Geschäfte ruhig nach, indem sie sich bald hier,
bald dort auf die Erde niederließ, unter Blättern herumlief, oder sich in Vertiefungen,
Spalten und Gänge verkroch, dieselben wiederum verließ, >sodann langsam weiterflog, um in
einer Entfernung von zwei bis drei Fuß das gleiche Manöver von neuem zu beginnen.
Ferner arbeitet das Weibchen, wenn es einen Ort für sein Nest sucht, sehr eilig, ohne-
die Arbeit auch nur für einen Augenblick zu unterbrechen: es fliegt unermüdlich so lange:
umher, bis es endlich Hunger verspürt. Dann beginnt es von einer Blume zur anderen zu
fliegen, Nahrung zu sich zu nehmen und aüszüruhen. Ist das Weibchen damit fertig, so
macht es sich wiederum an die Arbeit.
Ganz anders benimmt sich das Weibchen, welches auf der Suche nach einem Nachtlager
begriffen ist. Dieses arbeitet, ohne sich zu beeilen, und säubert sich; nachdem es unter
den Blättern hervorgekrochen ist ; trifft es auf seinem Wege eine verführerische Blüte, so
läßt es sich auf derselben nieder, spaziert darauf herum und fliegt sodann gemächlich weiter.
So ließ sich ein Weibchen von Bombus lapidarius, welches ich. beobachtete, im Verlaufe
einer Stunde an etwa 150 Stellen nieder, und besuchte 5— 6 Blüten an verschiedenen Orten
und zu verschiedenen' Zeiten. Kurz vor Sonnenuntergang kroch es endlich unter trockenes
Laub neben einem Haselnuß Strauch, worauf es sich nicht mehr sehen ließ. Nachdem ich
etwa 10 Minuten gewartet hatte, hob ich .das Laub auf und entdeckte die Öffnung eines.
Ganges, welcher tief in die Erde unter dem Strauche führte. Die Hummel hatte, sich augenscheinlich
sehr weit in denselben verkrochen. Ich bekam sie nicht mehr zu Gesicht und
ein Nest wurde an dieser Stelle nicht angelegt.
Eine ganz übereinstimmende Erscheinung beobachtete ich auch bei anderen Weib-,
chen von Bombus lapidarius und B. varians. ’Letztere legten übrigens selbst auf der Suche
nach einem Nachtlager viel mehr Vorsicht an den Tag.
Durch diese Tatsachen werden zwei in gleichem Maße interessante Umstände festgestellt,
und zwar 1) daß die Weibchen noch' einen Instinkt besitzen, welcher den übrigen
Kasten nicht zukommt und offenbar früheren Ursprunges ist, und 2) daß dieser Instinkt
durchaus den Charakter eines v ö llig so litä ren In s tin k te s aufweist.
K a p ite l II.
Der Bau des Nestes.
Die gesamte mit dem Baue des Nestes verbundene Tätigkeit ist e inz ig und a lle in
das W erk des W eib ch en s ; wir können das letztere während dieser Periode seines
Lebens demnach ganz ebenso betrachten wie ein jedes andere solitäre Insekt, von welchem
das Hummelweibchen sich in psychologischer Hinsicht weder durch den Charakter der Arbeit,
noch durch deren Zusammensetzung unterscheidet.
Innerhalb dieser Tätigkeit der Hummelweibchen unterscheide ich dieselben drei verschiedenen
Prozesse, welche ich auch bei dem Nestbaue der Spinnen unterschieden habe,1
und zwafl /'•
A. Die Wahl des Platzes für den Nestbau.
B. Die Vorbereitung der Baumaterialien und
C. Den eigentlichen Bau des Nestes, dessen Architektur.
Betrachten wir ein' jedes dieser Einzelbilder im speziellen.
A. Die Wahl des Platzes für den Nestbau.
I n h a l t d e s A b s c h n i t t e s . D ie spezifischen Unterschiede in der Wahl eines Platzes für den Bau des
Nestes... — D ie Station und ihre Grenzen stimmen bei den verschiedenen Arten mit den Grenzen der Tracht
übereinBE— D er für den Bau des Nestes ausgewählte O rt muß folgenden Bedingungen entsprechen: a) E r leichterung
der ersten Arbeit, b) Zugänglichkeit und Ergiebigkeit des zum Nestbaue notwendigen Materiales. —
Hummeln und Mäuse. — „Ungewöhnliche“ Fun dorte für Hummelnester. D ie Psychologie der „Au swahl“
eines Platzes für die A nlegung des Nestes.
Es ist nicht möglich, irgend welche allgemeine Angaben über diejenigen Orte zu'
machen, welche von den Hummeln überhaupt für die Anlage ihres Nestes bevorzugt werden.
So. baut das 9 von Bombus lapidarius sein Nest tief unter der Erde oder in kleinen Erdhügeln,
genau in derselben Weise, wie wir dies bei B.terrestris sehen; unter der Erde an Abstürzen;
am Orte der eigentlichen Überwinterung; an der Oberfläche der Erde: im Walde,
aus -Moos, genau wie Bombus museorum, im Felde; aus trockenen Grashalmen; in der
Nähe von bewohnten Gebäuden, in Strohhaufen, unter dem Boden von Speichern u. s. w.
, Bombus museorum baut nicht unter der Erde; auf der Erdoberfläche dagegen habe
ich sein Nest an den verschiedensten Orten gefunden; einmal fand ich.ein Nest dieser Art
in einem auf der Erde/stehenden. .Starenhäuschen, ein anderes: Mal in dem Strohdache einer
Scheune, in einer Höhe von 3—4 Metern- über der Erde, und in diesem Jahre (1905) entdeckte
ich ein Solches Nest über einem Fenster dicht bei einem Sperlingsneste, in welchem'
sich Junge befanden. In dieser Beziehung lassen sich die Tatsachen höchstens so präzisieren,
daß gewisse Arten ihr Nest ausschließlich in der Erde anlegen, wie z. B. Bombus
ferreßtris, '• ‘ändere nur auf deren Oberfläche, wie Bombus museorum. ‘Endlich legen
andere Arten ihre Nester , sowohl unter wie über der Erde an, wie Bombus lapidarius.
In* übrigen finden' selbst ’ bei dieSer in so allgemeiner Form auf gestellten Norm nicht
selten, gewisse Abweichungen. von . der Regel statt, wenngleich diese letzteren auch mehr