der Ansicht der einen Autoren dienen den Insekten als Mittel zur Orientierung ihre Aug en
und das G ed äch tnis , oder, mit anderen Worten, der Vorgang des Abfluges und des
Heimfluges ist der Prozeß einer hoch entwickelten Psyche. Nach der Ansicht der anderen
verhält sich die Sache genau umgekehrt, indem nämlich dieser Prozeß nichts Psychisches
in sich einschließt.
G. W. und El. P e ckh am 1 vermuten, daß die Hymenopteren durchaus nicht infolge
eines besonderen Richtungssinnes in das Nest zurückkehren, sondern ausschließlich dank ihrer
Sehorgane und ihres Gedächtnisses. Diese Ansicht begründen die genannten Autoren auf Ergebnissen
von Beobachtungen, durch welche nachgewiesen wird, daß z. B. die Sphegidae,
welche zuerst ihren Gang graben und dann erst die Beute herzutragen, nach Beendigung
der Arbeit die Umgebung ihres Nestes erst aufmerksam betrachten, ehe sie nach Beute
fliegen: sie prägen die Lage ihres Nestes dem Gedächtnisse ein. Meist beschreiben sie, indem
sie sich allmählich von ihrem Bau entfernen, mehrere Kreise; in anderen Fällen führen
sie mehrere Zick-Zack-Linien in der u nm itte lb a ren Nähe über dem Baue aus; bisweilen
fliegen sie von dem letzteren fort, um sich irgendwo in der Nachbarschaft niederzulassen
und kehren sodann zu ihrem Neste zurück; sodann fliegen sie von neuem nach einer anderen
Seite fort u. s. w. Späterhin beschränken sie sich auf wenige eilige Kreise und fliegen geradeaus.
Ein besonders aufmerksames und eingehendes Studium widmen diese Wespen der
Umgebung bei ihrem ersten Ausfluge.
Gibt man der nächsten Umgebung des Nestes ein verändertes Aussehen, so bemerkt
das zum Neste zurückkehrende Insekt das Vorgefallene und es kommt vor, daß es dann
seinen Bau gar nicht betritt.
Eine Bestätigung der aus ihren Beobachtungen gezogenen Schlußfolgerungen, daß
die zum Neste zurückkehrenden Insekten durch ihr Sehvermögen und geistige Fähigkeiten
(intelligence) geleitet werden, sehen G. W. und El. Peckham in jenen Fällen, wo
die Wespen sich bei dem Aufsuchen ihrer Nester irren, wodurch sie in die Notwendigkeit
versetzt werden, mehr oder weniger langwierige Nachforschungen nach ihrem Neste anzustellen.
Eine der Schlußfolgerungen dieser Autoren bezüglich der in Rede stehenden Frage
ist unter anderem die Bestätigung dafür, daß die Idee von den „wunderbaren“ Eigenschaften
bei den Insekten (dem Richtungssinn) — auf einem Irrtum beruhe.
Zu demselben Schlüsse gelangt auch P. M a r ch a i2, welcher die Rückkehr in das Nest
bei Pompilus sericeus beobachtete und zu dem Schlüsse kam, daß dieses Insekt bei seinen
Handlungen sich durchaus nicht von dem Richtungssinne leiten läßt, sondern
„uniquement en tirant parti dans la mesure de ses moyens fort imparfaits, des données, qui lui sont fournies
par la vue et par la mémoire“ .
Zu einem analogen Schlüsse gelangt auch E. M arch an d8. Dieser Autor beobachtete
eine Bembex, welche ihr Nest angelegt hatte
„au près d ’un pied de Vincetoxicum, à peu de distance d ’un v ieu x moulin. Comme il vient d ’en sortir pour
aller en chasse, M. arrache le Vincetoxicum e t le replante à 0,60 m. environ. L ’Hyménoptère revient chargé
1 On the instincts and habits o f the solitary Wasps. (Wise. Geol. and Nat. Hist. Surv ey Bull. 1898, II.)
* L e retour au nid chez le Pompilus sericeus (C.-R. So c . Biol. LII. 1900). .
5 Sur le retour au nid de Bembex rostrata Fab r. (Bull. Soc. Sc> nat. Ouest X , 1900.)
d ’une proie, s’abat près du Vincetoxicum’ cherche, s ’agite, parait fort désorienté. M. le met en fuite, replace
la plante à sa première place et attend. A u bout de cinq minutes, l’insecte revient, s’abat de nouveau
au près de la plante e t ce tte fois trouve son nid. C ’est la démonstration formelle d ’une mémoire précise
et de l’utilisation de repaires pour retrouver le nid. L e v ieu x moulin servait sans doute de repaire pour
les grandes distances.“
Dieser Kategorie von Schlüssen schließen sich auch noch viele andere Autoren an,
von welchen ich noch B ou vie r nennen möchte, welcher Beobachtungen über die Rückkehr
in das Nest bei einer anderen Art von Bembex angestellt hat.1 Er schreibt folgendes :
„U n terrier de Bembex calciatus étant abrité par une pierre plate et blanche d ’un décimètre environ que
l’insecte es t obligé de contourner pour rentrer dans son nid, l’auteur déplace la pierre e t la transporte à
deux décimètres environ. Or, l’hyménoptère chargé de sa victime revient bientôt et, sans hésitation appréciable,
va s ’abattre sur le bord de la pierre, c ’est à dire à d eu x décimètres d e son terrier, puis se met a
fouir comme s ’il s’était trouvé à la bonne place. L a pierre ayant été remise au lieu ou elle était d abord,
l’insecte retrouve aussitôt l’entrée de son logis. Si la pierre est au-dessous d ’une certaine taille, elle n'a
plus d ’influence, et l’insecte se repairant sans doute sur des accidents locau x plus importants, n ’en tient
plus compte.“
Aus diesen seinen Beobachtungen zieht der Autor den Schluß, daß das Einprägen
der Gegend und der Gesichtssinn als die hauptsächlichsten, wenn nicht als die einzigen
leitenden Faktoren erscheinen, deren sich die Insekten bei der Rückkehr in das Nest
bedienen.
In ganz abweichender Weise werden diese Dinge von einer anderen Gruppe von
Naturforschern aufgefaßt.
F a b r e 8, welcher durch seine sorgfältigen und ein hohes Interesse verdienenden Beobachtungen
über das Leben der Insekten bekannt ist, hat in seiner Lebensbeschreibung von
Ce.rce.ris der Frage über die Rückkehr in das Nest bei diesen Insekten einen ganzen Abschnitt
gewidmet. Er teilt eine ganze Reihe geistreicher Beobachtungen über ihre Rückkehr
zum Neste mit, nachdem er sie 2— 3 Kilometer weit von dem Standorte des Nestes
fortgetragen hatte und beschließt die Beschreibung dieser Versuche mit folgenden Worten :
„eine Entfernung von drei Kilometern, eine Stadt mit ihren Häusern, Dächern, rauchenden Schornsteinen,
Dingen, welche, diesen Dorfbewohnerinnen so neu sind, konnten kein Hindernis für deren Rückkehr in das
Nest bilden. Man kann vermuten, daß die Insekten sich nicht einfach durch das Gedä chtnis, sondern
durch irgend eine andere Fähigkeit leiten lassen, welche uns abgeht.“
Diese „ rä ts e lh a fte B eg ab u n g “ der Insekten, wie F ab re sich ausdrückt, ist eben
der „Richtungssinn“ der Autoren.
Ganz besonders lehrreich sind die Versuche F ab re s über die Rückkehr in das Nest
bei Bembex, dem Insekt, an welchem auch E. Marchand und B ou vie r ihre Beobachtungen
angestellt haben.
Die Beobachtungen und Versuche von F abre beweisen, daß Bembex auch dann direkt
und ohne Schwankungen in sein Nest zurückkehrt, wenn das letztere mit einem Steine oder
einem Häufchen Mist bedeckt wird, wie dies von dem Beobachter getan wurde; weder die
neue Gestalt der auf das Nest gelegten Gegenstände, noch deren Färbung können jene
Regelmäßigkeit beeinflussen, mit welcher das Insekt sich bei der Rückkehr mit Beute auf
1 L e retour au nid chez les Hyménoptères prédateurs du genre Bembex. (C.-R. Soc. Biol. 1900).
? Souvenirs Entomologiques.