
wartete, daß die Hummeln in Zukunft zwar, wie beim ersten Male, durcli das Fenster fn2
h e r aus f l i e g e n (äf), aber stets nur d u r ch das F e n s te r fnx z u rü c k k e h r e n (rf).
Wochen vergehen, aber die Hummeln fahren fort, ihren großen Umweg zu beschreiben,
welcher auf der Strecke a— b, wo sich eine Menge den Flug erschwerende Gegenstände
befinden, besonders beschwerlich ist.
2. Ein and erer Versuch. Die Hummeln des Nestes N2 (Fig. 40) in dem Zimmer Z2,
das neben dem ersten liegt, wurden gezeichnet und durch das Fenster fn3 herausgelassen.
Nachdem sie fortgeflogen waren, wurde das Fenster fn3 geschlossen; die Hummeln hatten
nunmehr Zutritt zu ihrem Neste durch das Fenster des ersten Zimmers Zx und die von da
in das zweite Zimmer Z2 führende Türe p. Etwa nach einer Stunde zeigten sich die gezeichneten
Hummeln im ersten Zimmer (Z.!): sie suchten ihr Nest, unter endlosem Herumirren.
Endlich, nach vielstündigem Nachforschen ist die Behausung gefunden; öffnet
man nun ihr Fenster fn3, so kann man ganz sicher sein, daß die gezeichneten Hummeln,
welche auf dem Wege g—rf— d in das Nest geflogen sind, nur noch auf diesem Wege in
dasselbe zurückkehren werden. Nach Verlauf von 2M3 Tagen bringen wir diese Hummeln
in eine verzweifelte Lage, indem wir die Türe p. schließen. Öffnen wir dieselbe wieder, so
stürzen sie sich, ohne unsere Gegenwart zu beachten, durch diese Türe in ihr Nest. Jeden
T a g und jed e Stunde flie g en die Hummeln zu dem offen en F en s te r fn3 ihres
Zimmers he rau s, abe r sie erinnern s ich dessen nich t und k ön n en d ie B e z
iehung nich t b e g r e ifen , we lche zwischen dem W eg e des A b flu g e s und dem
W eg e ih rer R ü ck k eh r be s tehen muß.
Alle vier Kategorien von Tatsachen, welche ich angeführt habe, beweisen demnach,
1) daß das Einprägen der Lage des Nestes bei den Hummeln nur dann erfolgen kann,
wenn sie vor dem Fortfliegen von demselben sich mit dem Kopfe nach dem Neste wenden
und auf diese Weise die Möglichkeit erhalten, die das Nest umgebenden Gegenstände in
derjenigen Lage im Gedächtnisse zu behalten, wie sie ihnen bei de? R ü ck k eh r in das
Nest erscheinen werden; ferner 2) daß die Gegenstände, so wie sie den Hummeln bei dem
Abfluge und bei der Stellung des Körpers in der R ich tu n g die ses A b flu g e s mit vom
Neste abgewandtem Kopfe einprägen, nicht zur Anleitung für die Bestimmung der Lage
des Nestes bei der Rückkehr dienen können.
Mit anderen Worten: diese Tatsachen beweisen uns, daß das Einprägen des Weges
des Abfluges und desjenigen der Rückkehr in das Nest bei den Hummeln unabhängig voneinander
vor sich geht, und daß die Hummeln, indem sie von dem Neste weg fliegen, in
erster Linie darum besorgt sind, sich die Merkmale für die Rückkehr in das Nest einzuprägen.
Ich möchte sogar sagen, daß sie sich ausschließlich nur darum bekümmern, da
bei dem Abfluge aus dem Neste, besonders im Anfänge,, ihre Körperstellung nicht selten
eine derartige ist, daß sie sich nur des Rückweges entsinnen können.
Ein anderer, den Abflug der Hummeln betreffender Umstand, von welchem ich schon
mehrfach gesprochen habe, ohne jedoch bis jetzt seine Bedeutung hervorgehoben zu haben,
besteht darin, daß sie, um die Lage des Nestes im Gedächtnisse zu behalten, im Fluge
mehr oder weniger zahlreiche v e r s c h ie d e n a r t ig e Figuren um dasselbe beschreiben.
Die psychologische Bedeutung dieses Verfahrens ist leicht verständlich, wenn man. die
Eigentümlichkeiten der Sehorgane bei den Hummeln in Betracht zieht.1 Es ist bekannt,
daß ein Gegenstand, der sich sehr langsam in der Nähe der Hummeln vorbei
bewegt, von diesen nicht gesehen wird: bewegt man die Hände sehr langsam, so kann
man ein Hummelnest zerstören, ohne einen Protest seitens der Insassen hervorzurufen.
Rasche und hastige Bewegungen dagegen werden von den Hummeln augenblicklich bemerkt.
Hieraus ist ersichtlich, daß, um den Hummeln die Möglichkeit zu geben, einen Gegenstand
zu „betrachten“, entweder dieser Gegenstand rasch vor den Augen der Hummeln bewegt
werden muß, oder aber daß die Hummeln selbst sich rasch an dem Gegenstand vorbei bewegen
müssen, den sie besichtigen. Jeder Naturforscher, der das Leben der Hummeln im Felde
oder im Walde beobachtet hat, wird zweifelsohne oft gesehen haben, wie eine von ihm aufgescheuchte
Hummel neben ihm „Linien zieht“ (wie die Bauernknaben sagen), d. h. ihr zickzackförmiges
Hin- und Herfliegen beginnt. Die Entfernung, auf welche hin dieses Hin- und
Herfliegen erfolgt, ist stets ungefähr dieselbe, und zwar beträgt sie nach meinen Beobachtungen
niemals mehr als etwa 140— 170 cm von dem Gegenstand, welchen die Hummel betrachtet.
2 In allen Fällen des Abfluges von Hummeln, welche sich die Lage ihres Nestes
eingeprägt hatten, — und ich habe solche Ausflüge zu Hunderten beobachtet Wk blieb
die Grenze, innerhalb welcher dieses zickzackförmige Hin- und Herfliegen beschränkt war,
annähernd unveränderlich.
Wenn wir alle Einzelheiten des soeben beschriebenen Prozesses in der Tätigkeit der
Hummeln in Betracht ziehen, können wir mit voller Überzeugung die Ansicht aussprechen,
daß da, wo b e i den Hummeln das z ick za ck fö rm ig e Hin- und H e r flie g en aufhö
rt, auch das V e rm ögen , G egen stän de mit der ihnen zu g än g lich en D e u tlic
h k e it zu e rb lick en , ein Ende nimmt.
Weiter unten werden wir sehen, daß das Sehvermögen der Hummeln auch innerhalb
dieser Grenzen des Sehens ein äußerst unvollkommenes ist. Diese Grenze werde ich fortan
die S e h g r e n z e nennen, über welche hinaus die mit dem Fliegen aus dem Neste nach
Nahrung und zurück verknüpfte Tätigkeit der Hummeln, wie wir sofort sehen werden, einen
ganz anderen Charakter annimmt.
Zu den Mitteilungen über die Sehgrenze muß nur noch hinzugefügt werden, daß die
Hummel, ebenso wie sie bei ihrem Ausfluge aus dem Neste ihren Zickzackflug an den
Grenzen ihres Sehvermögens beendet, auch bei dem Zurückkehren (natürlich nur die erste
Zeit) den Zickzackflug sofort beginnt, sowie sie an der Stelle angelangt ist, wo ihr Seh-
1 Anatomisch-physiologische Daten liegen außerhalb des Bereiches unserer Interessen bei den vorliegenden Untersuchungen
; ich kann jedoch nicht umhin, den L e ser an die interessanten Untersuchungen von E x n e r zu erinnern, welcher
gerade durch anatomisch-physiologische Untersuchungen zu der Schlußfolgerung gelangt ist, daß während das Auge der
Wirbeltiere für eine vollkommenere Aufnahme der G e s t a l t der Gegenstände eingerichtet is t , die zusammengesetzten
Augen d er Wirbellosen besser befähigt sind, die B e w e g u n g e n d er Gegenstände wahrzunehmen.
* Diese Angabe steht einigermassen im Widerspruche mit den Schlußfolgerungen E x n e r s, welcher sich bekanntlich
d er Theorie von M ü l l e r über das musivische Sehen d er Insekten angeschlossen h a t, wobei er dieselbe insofern
ab änderte, daß das Auge der Insekten schließlich nicht ein vielfaches sondern ein ganzes und einziges Bild der Ge genstände
aufnehmen soll. Die Photographie, durch welche diese Ansicht b estätigt wird, gibt gleichzeitig Veranlassung zu der
Annahme, daß die Insekten imstande sind, die Gestalt groß er Gegenstände au f weite Entfernungen hin zu erkennen. Biologische
Beobachtungen, welche ich an Hummeln angestellt hatte (und ebenso an Schmetterlingen und anderen Insekten)
und welchen ich im allgemeinen unvergleichlich mehr vertraue als physiologischen Ergebnissen, bestätigen diese An sicht
E x n e r s nich t: die Grenzen des Sehvermögens sind bei den Hummeln sehr beschränkt.