
a) der größtmöglichen Erleichterung der Arbeit und
b) dem Vorhandensein von Baumaterial.
Es bleibt noch übrig, eine Frage rein psychologischer Natur zu beantworten: es
handelt sich darum, ob eine derartige „Wahl“ zwischen verschiedenen Winkeln für den Bau
eine Sache des Instinktes ist, oder aber ob auch gewisse Fähigkeiten des Verstandes und
des Bewußtseins daran teilnehmen?
Für mich unterliegt es nicht dem geringsten Zweifel, daß wir es hier ausschließlich
mit dem Instinkte allein zu tun haben, und zwar aus folgendem Grunde:
Eine „Wahl“ weist nur in dem Falle auf das Vorhandensein eines Bewußtseins hin,
wenn das die Wahl vornehmende Individuum im Stande ist, sein Werk entweder so oder
anders auszuführen. Dies ist jedoch nur unter der Bedingung möglich, wenn nachgewiesen
werden kann, daß dieses Individuum fähig ist, Gegenstände, wenn auch nur in der allerelementarsten
Weise, einander gegenüber zu stellen, sie miteinander zu vergleichen und, als
Resultat dieses Vergleiches, den einen oder den anderen dieser Gegenstände vorzuziehen.
Diese letztere Bedingung erfordert jedoch augenscheinlich ein wenn auch undeutliches, wenn
auch recht verworrenes Verständnis für den Zweck der Wahl.
Genügt jene Tätigkeit der Hummeln, welche man als die „Wahl“ eines Platzes für
den Bau des Nestes bezeichnet, den soeben angegebenen Bedingungen für das Bewußtsein
dieser Handlung oder nicht?
Es ist nicht schwer, sich davon zu überzeugen, daß die „Wahl“ der Hummeln keiner
einzigen dieser Bedingungen Genüge leistet, indem sie nicht von seiten irgend eines Individuums,
sondern durch die Hummelart selbst erfolgt: eine Art pm d. h. alle dieselbe ausmachenden
Weibchen — „wählen“ das eine, alle Weibchen einer anderen Art dagegen'
„wählen etwas anderes, wobei alle Individuen einer Art nicht eigentlich wählen, sondern
vielmehr alle in ein und derselben Weise, nach einer gemeinsamen Schablone, handeln.
Es ist mir natürlich nicht möglich, zu beweisen, daß die Hummeln nicht im Stande
seien, die Orte, welchei.sie behufs Erbauung ihres Nestes in Augenschein nehmen, miteinander
zu vergleichen; ich habe jedoch Veranlassung zu vermuten, daß schön die Menge
der in der Periode des Nestbaues von den Weibchen, besuchten Plätze, deren es wohl
Tausende, wenn nicht Zehntausende sind, sowie die Kürze der Zeit, welche die „Besichtigung
eines jeden Platzes in Anspruch nimmt, die Möglichkeit ausschließt, derartige Gegenüberstellungen
und Vergleiche vorauszusetzen. Diese Umstände zwingen uns im Gegenteile
zur Annahme einer anderen, viel einfacheren und dem ganzen S.achverlaufe viel besser
entsprechenden Lösung dieser Frage: die Hummel schätzt keine Eigenschaften gegenseitig
ab, vergleicht nichts und trifft keinerlei Auswahl, sondern entschließt sich direkt für das-
jenige, wodurch die Anforderungen ihres spezifischen Instinktes befriedigt werden; dieser
wird aber durch die erblich festgelegte Empfänglichkeit ihrer Sinnesorgane und ihre Arbeitswerkzeuge
bestimmt. Wenn der gefundene Winkel in bestimmter Weise auf diese Sinne wirkt,
so ist er eben für den Bau „gewählt“ . Von der Richtigkeit dieser Annahme werden wir durch
den Umstand überzeugt, daß das wichtigste Merkmal, welches die „Wahl“ unter verschiedenen
Gegenständen zu einem bewußten Akte stempelt, — nämlich die Befähigung zum
Vo rz ieh en —;, bei den Hummeln nicht vorhanden ist; diese Fähigkeit kann auch gar
nicht vorh anden sein, da diese Insekten sich gar keine Vorstellung von dem Zwecke
machen können, von welchem sie sich bei der Wahl eines Platzes müßten leiten lassen.
Die Weibchen, welche Nester bauen, haben ja nicht einmal die Möglichkeit gehabt, zu
erfahren, daß die Räume, in welchen sie sich entwickelten, durch Hummeln hergestellt
wurden und nicht etwa eine natürliche Kombination von Gegenständen darstellen, indem diese
Weibchen später als die übrigen Kasten zur Welt kommen und zwar zu einer Zeit, wo bereits
alle Arbeiten der Gemeinde fertig ausgeführt sind. Um die Möglichkeit zuzugeben, daß
ein junges, im fertigen Neste auftretendes Weibchen die Fähigkeit besitze, zu erkennen, was
vor seinem Erscheinen auf der Welt in diesem Neste vor sich gegangen ist, müssen wir
eine der zwei folgenden Annahmen zulassen: entweder besitzt das Weibchen eine Fähigkeit
zur Analyse und Synthese der es umgebenden Erscheinungen, die alles in den Schatten
stellt, was wir in dieser Hinsicht beim Menschen beobachten, — ist es doch diesem letzteren,
ungeachtet der zahlreichen Beobachtungen über das Leben der Hummeln, noch nicht gelungen,
sich über alle Einzelheiten ihrer Tätigkeit klar zu werden; oder aber die Hummeln
besitzen eine Umgangssprache, welche nicht ärmer sein kann, als die Sprache der Spezialwerke
über Biologie.
B. Das Baumaterial der Hummelnester.
I n h a l t d e s A b s c h n i t t e s : Das Material, welches aus verschiedenen Gegenständen pflanzlichen (und bisweilen
auch tierischen) Ursprunges besteht, und das Material, welches von den Hummeln selber ausgeschieden
wird. D as an O rt und Stelle „Vorgefundene“ und das „herzugetragene“ Material. Die „W ah l“ des Materiales
für oberirdische Nester und seine biologische Bedeutung. „Verbesserungen“ und „F o rts ch ritt“ in der
Auswahl des Materiales nach der A n sich t der Au toren.
Abweichungen in der W ahl des Materiales in der direkten Bedeutung dieses. Wortes, Die Psychologie
der mit der Wahl des Materiales im Zusammenhänge stehenden T ätig k e it der Hummeln.
Das Material, aus welchem das Nest gebaut wird, ist bei den Hummeln, wie auch
bei vielen solitären Bienen und bei den Spinnen, von zweierlei Art: ein Teil desselben wird
von den Hummeln in der Nähe des Nestes gesammelt, der andere von ihnen selber ausge schieden.
Aus ersterem werden die äußeren Teile des Nestes, aus dem zweiten einige
Teile der inneren Räume hergestellt.
Wir wollen mit dem Materiale beginnen, welches von den Hummeln in der Nähe
ihrer zukünftigen Nester gesammelt wird und deren äußere Teile bildet, nämlich die Basis,
die Wände des Nestes und dessen kuppelförmiges Dach.
Ich habe nie Gelegenheit gehabt zu beobachten, wie die Hummelweibchen den Bau
ihrer Nester beginnen. Aber ich habe letztere während der Periode gesehen, wo sie von
einem Weibchen allein bewohnt waren; ich habe gesehen, wie die jungen Weibchen ihr
Nest ausbessern; ich habe das Material im fertigen Neste genau untersucht und dasselbe
mit dem verglichen, wovon das Nest umgeben ist, und was sich direkt neben demselben
befindet. Diese Beobachtungen bieten eine Grundlage, welche vollkommen genügend ist,
um sich nicht nur den Prozeß, sondern auch den Sinn der Arbeit dieser Insekten klar zu
machen.
Wenn wir das Material der Hummelnester von solchen Gesichtspunkten aus betrachten,
so bemerken wir folgendes: Bei den einen besteht es aus Gegenständen, welche