bemerkte ich bald, daß die Mehrzahl der Hummeln das betreffende Gewächs hauptsächlich
während der P e riode seines massenh aften Blüh ens besucht.
Indessen besuchten die Hummeln zur gleichen Zeit, wenn auch in der Minderzahl,
auch die Blüten anderer Gewächse, und ferner gibt die Erscheinung des Besuchens von
in der Massenblüte begriffenen Pflanzen an und für sich noch keine Erklärung für die
Frage nach der Ursache einer derartigen Bevorzugung. Ich begann deshalb die Tätigkeit
bestimmter von mir zu diesem Zwecke gewählter Plummeln zu verfolgen und beobachtete
die letzteren so lange als sich mir die Möglichkeit hierzu bot.
Die auf dem Wege dieser Beobachtungen gewonnenen Resultate sind folgende:
1. Bombus lapidarius 9 sammelte Honig, indem es auf einer großen, mit den verschiedensten,
Ende Mai blühenden Gewächsen bedeckten Wiese flog; die ganze Zeit, solange
ich es beobachten konnte, flog dieses Weibchen von einer Blüte von Vicia sepium zur anderen,
indem es 31 mal die bei dem — auf mehr oder weniger große Entfernungen ausgeführten
— Hinüberfliegen angetroffenen Gewächse a lle r anderen A rten vermied.
2. Bombus lapidarius, ein anderes Exemplar; dasselbe — 28mal.
3. Bombus lapidarius, ein drittes Exemplar; dasselbe — 34mal.
4. Bombus lapidarius, ein viertes Exemplar; dasselbe1 — 2omal.
Einige von diesen Hummeln flogen fort, nachdem sie eine große Zahl von Exemplaren
dieses Gewächses an einer Stelle besucht hatten, und ließen sich auf Blüten von Vicia
sepium nieder, welche in mehr oder weniger beträchtlicher Entfernung von der früheren
Sammelstelle wuchsen. Dabei erwies es sich, daß der Standort einiger Komplexe von Feldwicken
den Hummeln augenscheinlich bekannt war: nachdem sie den einen von ihnen verlassen
hatten, flogen sie rasch und ohne Umwege
auf einen anderen zu, welcher oft 20—25 m
von dem ersteren entfernt lag.
5. Bombus terrestris flog i5mal von einer
Nelke (Dianthus carthusianorum) auf die
andere, indem er unterwegs mehrmals an Vicia
sepium vorbeiflog.
Auf Fig. 22 ist ein Teil des Weges dieser
Hummel abgebildet, wobei + den Standort von
Nelken, o denjenigen von Feldwicken bezeichnet.
F ig. 22.. T eil des F luges einer Hummel {Bombus
terrestris), die sich au f Dianthus carthusianorum (X )
niederließ und Vicia sepium (O ) überging.
6. Den 18. Juli (1900) besuchte ein Bombus muscorum 9 während der ganzen Zeit,
wo die Beobachtung ausgeführt werden konnte, a u s s c h lie ß lich roten Klee.
7. Den 25. Juli hielt sich dieselbe Art nur an Scabiosa und ließ sich auf keinen
anderen Blüten nieder.
8. Den 25. Juli taten 4 Hummeln das Gleiche, ohne sich jemals auf andere Blüten zu
setzen.
9. Den 9. August flog ein Bombus terrestris 9 i26mal von einem Exemplar von
Melampyrum nemorosum auf das andere, ohne sich auf andere Blüten, deren es auf
der betreffenden Waldwiese sehr viele gab, zu setzen oder sich bei ihnen aufzuhalten.
10. An demselben Tage und zu derselben Stunde setzte sich eine Bombus muscorum
9 , welche auf eine mit ungeheuer vielen Melampyrum nemorosum bedeckte Waldwiese
lang beobachtet und habe nur ein einziges Mal gesehen, wie ein Exemplar von Bombus
muscorum sich auf eine Blüte dieser Pflanze niederließ, den Versuch machte, auf die g e wöhnliche
A r t und W eise durch die Blütenkrone in den Honigbehälter einzudringen
und nachdem dieser Versuch mißlungen war, davonflog. Keine e inz ige die ser Hummeln
setzte sich an den ba sa len T e il der Krone der genannten B lü te n , an
welchen sich Öffnungen befanden und wohin Bombus terrestris in Massen geflogen kam.
Dieser Erscheinung kommt, wenn sie durch andere Beobachtungen bestätigt wird, meiner
Ansicht nach eine ungeheure Bedeutung zu.
Wie könnte man dann in der Tat erklären, warum Insekten einer und derselben Gattung,
welche eine sehr übereinstimmende Lebensweise führen und die gleichen Instinkte und
Angewohnheiten besitzen, sich durch ihre geistigen Fähigkeiten so stark voneinander unterscheiden?
Die Art Bombus terrestris erweist sich als befähigt, komplizierte Vernunftsschlüsse
zu konstruieren, während die übrigen Arten nicht nur außer Stande sind, selbst
irgend welche derartige Schlüsse zu ziehen, sondern nicht einmal dazu befähigt sind, zu
verstehen, wie sie die Resultate eines bereits ausgeführten Vernunftsschlusses für sich verwerten
könnten. Die eine Hummelart hat überlegt, einen Vernunftsschluß gezogen und gehandelt,
während eine andere im Verlaufe vieler Jahrhunderte nicht begreifen lernt, daß
durch eine fertige Öffnung der Zugang zum Honigbehälter für jede beliebige andere
Hummelart in gleicher Weise erleichtert wird, wie für Bombus terrestris. Dieser Umstand
gestattet es nicht mehr, allgemeine Betrachtungen über die Erscheinung anzustellen, wie
dies von Herrn Perez u. a. m. so weitläufig geschieht, sondern ich erblicke darin eine
ganz neue T a ts a ch e , welche den Sinn der die fragliche Erscheinung unrichtig wiedergebenden
Definition vollständig verändert.
Doch damit nicht genug.
Unterwerfen wir die Blüten von Melampyrum nemorosum einer genaueren Untersuchung.
B.
Fig. 26. o — d u r c h b i s s e n e Stellen
in. der Krone einer noch nicht geöffneten
Blüte von Melampyrum nemorosum.
F ig. 27. o — Eine Ö f f n u n g , welche
an einer noch verschlossenen Blütenkrone
von Melampyrum nemorosum angebracht
wurde (in F ig. B vergrößert).
F ig. 28. Öffnungen, welche an
solchen Stellen der Blüte angebracht
wurden, wo sie gar keine
Bedeutung haben können.
Bereits an den ersten zehn Exemplaren kann man sich leicht davon überzeugen, daß
eine Öffnung nicht nur an denjenigen Blüten vorhanden ist, welche sich vollständig erschlossen
haben und Honig enthalten, sondern auch an noch ganz geschlossenen Blüten,
welche sich vielleicht erst nach einem, zwei oder mehr Tagen öffnen werden.
Auf der Fig. 26 (A seitlich, B — en face) sehen wir eine solche Blüte, welche
noch keine richtige Öffnung besitzt, an welcher jedoch rechts und links von der Rippe ganz
deutlich ein mittelst der Kiefern ausgeführter Biß zu sehen ist (Fig. 26 B. o).
Auf Fig. 27 A sehen wir an einer anderen, ebenfalls noch nicht erschlossenen Blüte
Zoologica. Heft 46. •