gestellt sind, wird der Leser sofort einen klaren Überblick über die Charakteristika der einzelnen
Vogellungen gewinnen.
K ap ite l 7-
Vergleichung der Lunge der Vögel mit jener der Säugetiere.
Infolge des anatomischen Baues der Vogellunge ist der Bronchialbaum gezwungen,
seine charakteristischen Eigentümlichkeiten in der Verästelung anders zum Ausdruck zu
bringen als bei der Säugetierlunge. Während die Bronchien der letzteren sämtlich einen
intrapulmonaren Verlauf einschlagen und rings vom respiratorischen Lungengewebe umgeben
werden, sind die Verhältnisse in der Vogellunge entgegengesetzt geartet.
A eb y (1880 p. 36) sagt:
„Die bei den Vögeln äußere Seite der Lunge ist bei den Säugetieren zur inneren geworden
. . .“
„Die bei den Vögeln so ausgesprochene Zweiteilung des Bronchialbaums ist bei Säugetieren
beinahe völlig verschwunden.“
Will man auch das Auftreten des ep- und hyparteriellen Systems bei beiden Tierklassen
in Betracht ziehen, so dürfte sich herausstellen, daß die Anlage eines solchen in
der Vogellunge bei der ausgesprochenen Zweiteilung des Bronchialbaumes entschieden
schärfer ausgeprägt ist als bei dem Atmungsapparat der Säuger.
Nicht zum wenigsten darf aber das gewaltige Luftsackarrangement in der Umgebung
der Vogellunge außer acht gelassen werden, wenn es gilt, Punkte unterscheidender Natur
zwischen dieser und der Säugetierlunge anzuführen. Durch die Entwickelung des gewaltigen
Luftsacksystems ist der Atmungsapparat des Vogels in zwei für sich ausgebildete Bezirke
zerlegt, welche sich gegenseitig unterstützen, um den hohen Anforderungen der Atmungsfunktionen
gerecht werden zu können. Es ist hier eine Teilung der Arbeitsleistung eingetreten,
während in der Säugetierlunge ein stark elastisches, in mehrere Lappen geteiltes
Organ vorliegt, das den Anforderungen seiner Tierklasse entsprechend eingerichtet ist. Während
die Lunge der Vögel mit gewaltiger Energie ihre respiratorische Tätigkeit vollbringt,
speichern die voluminösen Luftsäcke große Mengen O-reicher Luft auf, so daß das Tier
selbst im schnellsten Fluge bei den ungünstigsten Gegenströmungen der Atmosphäre genügend
mit Atemluft versehen ist. Führt man den Vergleich der Säugetier- und Vogél-
lunge weiter aus, so finden sich auch in der Art der Verzweigung nicht unwichtige Verschiedenheiten
vor. Die dendritische Verästelungsweise der Säugetierlunge steht einem
meist kammartigen oder fiederförmigen, radiären Verzweigungssystem in der Vogellunge
gegenüber. Die an die Spirale erinnernden Gestaltungen in der Säugetierlunge, von denen
E rn st F is ch e r (1886 pag. 36) sagt:
„Die feinen und feinsten Bronchialäste sitzen den eigentlichen Bronchien spiralig aufgereiht
an . .
treten in der Vogellunge erheblich, wenn auch nicht gänzlich, zurück. Denn die Lungenpfeifen
pflegen rechtwinklig von ihrem Stamm abzugehen und meist gerade Bahnen einzuschlagen.
Bei den feinsten Luftwegen endlich bleibt die Säugetierlunge mit ihren geschlossenen
alveolären Bildungen zurück hinter einem überaus fein verteilten Luftkapillarnetz
der Vogellunge. In keinem Atmungssystem dürfte mithin die Vergrößerung der
respiratorischen Fläche zu Gunsten einer ausgiebigen Atmungstätigkeit so ausgeprägt sein
als hier.
Trotzdem nun diese Unterscheidungsmerkmale so markant hervortreten, haben sich
doch noch wesentliche Homologien erhalten und zwar bezüglich des Kalibers gewisser Bronchien
und hinsichtlich des Bronchialreichtums bestimmter Lungenbezirke.
Mit den Befunden in der Säugetierlunge deckt sich nämlich völlig die Tatsache, daß
einmal auch beim Vogel der ventrale Bronchialbezirk an Kalibergröße dem dorsalen überlegen
ist.
„Die dorsalen Bronchien stehen für gewöhnlich den ventralen nach, was Mächtigkeit
anlangt. Oft ist der Unterschied ein bedeutender,“ sagt Na r rath (1901 pag. 36) von der
Säugetierlunge.
Zum anderen wissen wir, daß die Dorsalfläche der Vogellunge sich durch große
Unregelmäßigkeit bei den einzelnen Species auszeichnet, eine Eigenschaft, die Narrath auch
bei Säugetierlungen beobachtet haben will, indem er behauptet:
„Unregelmäßigkeiten kommen häufig vor, wie ja überhaupt die dorsalen Bronchien
nich t so an s tren g e G esetze gebunden sind, wie die ventralen. Die Anzahl der die
einzelnen Stammbronchusstreclcen bevölkernden dorsalen Bronchien bleibt nicht immer dieselbe..
Die meiste Konstanz findet sich auf den oberen Strecken und sie nimmt in der
Richtung nach unten zu ab.“
In dem hiermit zum Abschluß gelangenden makroskopischen Teil meiner Arbeit sollte
versucht werden, das Grundgerüst des Bronchialbaumes der Vogellunge festzustellen und die
Beziehungen der einzelnen Bronchien zu einander sowie zum Luftsacksystem klarzulegen. An
der Hand dieses schematischen. Aufbaues des Bronchiälbaumes wird es unschwer gelingen,
Abweichungen irgend welcher Art bei den einzelnen Vogelarten zu erkennen und aus dem
Grad der Differenzierung auf die Höhe der respiratorischen Leistungsfähigkeit einer Species
zu schließen.