Von der Richtigkeit dieser Annahme werden wir durch folgende Tatsache überzeugt.
Ich fing Hummeln in einer Entfernung von etwa i Kilometer jenseits von einem Flusse und
brachte sie, in ein Papier gewickelt, zu mir nach Hause. Nachdem ich die Plummeln gezeichnet
hatte, ließ ich sie fliegen und fand sie am folgenden Tage wieder in ihrem Neste. Von
diesem R ich tun g s s in n e geleitet durchfliegen die Hummeln bedeutende Entfernungen und
zwar mit einer derartigen Überzeugung von der Richtigkeit der gewählten Richtung und,
was die Hauptsache ist, mit einer Geschwindigkeit, welche jede Voraussetzung einer Mög^
lichkeit ausschließt, bei Anwendung des Verfahrens, welches die Hummeln bei der Besichtigung
von Gegenständen anwenden, irgend etwas betrachten oder sehen zu können.
Daß der Richtungssinn jedoch nichts Derartiges darstellt, was außerhalb der uns bekannten
Sinnesorgane liegen würde, sondern bei den Hummeln auf die Sehorgane begründet
ist (wenngleich diese auch anders funktionieren als bei dem Betrachten von Gegenständen
auf kurze Entfernung), davon werden wir unter anderem durch die Tatsache überzeugt, daß
die Hummeln, wenn sie der Möglichkeit beraubt sind, ihre Augen in der Weise zu benützen,
wie sie dies bei dem Abfluge und der Rückkehr auf weite Entfernungen tun, von dem R ic h tungssinn
im S tich e g e la s s en werden. Bewegen sich die Hummeln durch Kriechen
oder fliegen sie im Zwinger, wo die Sehorgane ihnen keine Dienste leisten können, so werden
sie, wovon bereits im Anfänge dieses Kapitels die Rede war, nicht von dem Richtungssinn
geleitet. Indem die Hummeln sich von dem Richtungssinne leiten lassen, fliegen sie in gerader
Linie und verändern die Richtung nur dann, wenn irgend welche im Wege stehende
Hindernisse umgangen werden müssen, wie z. B. hohe Bäume, Häuser u. dergl. m. : der Richtungssinn
führt sie mit fast absoluter Genauigkeit nach Hause. Es kommen jedoch gewisse
Abweichungèn von der Geraden vor, und diese sind von Intéresse wegen ihrer Geringfügigkeit,
welche Zeugnis ablegt von der außerordentlichen Genauigkeit des Kriteriums, von
dem sich die Hummeln bei der Rückkehr nach Hause leiten lassen; außerdem sind diese
Abweichungen auch dadurch interessant, wo und wie sie korrigiert werden.
Nachstehendes habe ich mehrfach beobachtet: Wenn die Hummeln an das Nest
heranfliegen, k o r r ig ie r en sie häufig die R ich tu n g ihres F lug es . Diese Korrektionen
beginnen offenbar von dem Momente, wo das eine Kriterium — der Richtungssinn, durch
ein anderes — den Gesichtssinn ersetzt wird. Der letztere tritt in verschiedenen Entfernungen
vom Neste in seine Rechte. Ich hatte Gelegenheit, an ihr Nest heranfliegende Hummeln
zu bèobachten, welche sogar in einer Entfernung von sechs und zehn Metern vom Neste
sich etwas seitlich von derjenigen Richtung hielten, in welcher sie hätten fliegen müssen,
um direkt auf das Nest zuzusteuern. Ich erkannte diese Hummeln erst dann als die meinigen,
als sië einè brüske, wenn auch meist nicht bedeutende Schwenkung ausführten, welche die
Richtung wieder herstellte, und nach dem Fenster flogen. Graphisch könnte die Erschei-'
nung, von welcher soeben die Rede war, so dargestellt werden, wie dies in der Fig. 43
geschehen ist, wo der Punkt N das Nest, a—b den R ic h tu n g s flu g , b—c den unter der
Leitung der Sehorgane ausgeführten Flug bedeutet.
Was sehen denn die Hummeln nun eigentlich und wie sehen sie?
Folgende Beobachtungen können Antwort auf diese Frage geben. Auf der Fig. 44
sehen wir, daß die Hummel, indem sie zu dem Neste zurückkehrt, in der Richtung r f von
a nach h fliegt; kann sie nicht in das Fenster fn, hereinfliegen oder findet sie das Nest
nicht, nachdem sie durch das Fenster hereingeflogen ist, so beschreibt sie Schleifen nach
rechts und links (cd) und erhebt sich sodann in derselben Ebene in der Luft von e nach f
zum zweiten Stockwerke an das Fenster fn2; hier wiederholt sie dasselbe Manöver, welches
sie im unteren Stockwerke ausgeführt hat, d. h. sie beschreibt zuerst Schleifen g—h und
erhebt sich sodann längs der Linie k— m in derselben Vertikalebene wie vorher bis zum
Dache.
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Natürlich kann es Vorkommen, daß die Hummel, während sie die Schleifen c—d am
Fenster fn,, oder g—h am Fenster fn2 beschreibt, zu dem Fenster fn3 oder fn4 hereinfliegt:
sobald sie in die Sehsphäre geraten sind, können diese Gegenstände, infolge ihres identischen
Aussehens, die Hummel wohl zu einem Irrtume verleiten. Allein die Erscheinung des Fluges
in einer Vertikalebene bei der Rückkehr in das Nest bleibt eine Tatsache, welche um so
weniger zu bezweifeln ist, als ich mehrfach folgendes beobachten konnte: Nachdem eine Hummel
alle Stufen dieser Vertikalebene, von a bis b, von e bis f und von k—m durchlaufen hatte,
umflog sie rasch das Haus längs der Linie op; nachdem sie wiederum in jene Ebene geraten
war, welche sich ihr offenbar durch rechts und links von ihr befindliche Gegenstände
eingeprägt hatte und welche ihrem Flug in der hinter der Sehgrenze liegenden Sphäre als
Richtschnur dient, flog sie von neuem an das Fenster heran und wiederholte das soeben
beschriebene Manöver. Es ist klar, daß die A u g en der rechten und linken K o p f h
ä lfte bei dem A b flu g e ein jed e s bestimmte B ild e r beh ält, w ä h ren d d ie
Kombin a tion die ser letzterer} den F lu g leitet. Durch diese Kombination geleitet
können die Hummeln höher und tie fe r fliegen; in diesem letzteren Sinne verfallen sie
daher in große Irrtümmer. Viel seltener werden Abweichungen nach rechts und links von