höhere ist, als diejenige der Hummeln,; so muß auch der Gebrauch von reinem Wachs ein
Merkmal der Progressivität im Baue der Wohnung darstellen!
Eine völlig abweichende Bedeutung erlangt diese Erscheinung, wenn sie von meinem
Gesichtspunkte aus betrachtet wird. Die „sozialen“ Insekten repräsentieren seitliche Abzweigungen
von dem geraden Wege in der Entwicklung der Geselligkeit, und zwar tragen
diese. Zweige nicht einen progressiven, sondern einen regressiven Charakter. Hieraus ergibt
sich von selbst der folgende Schluß: je weiter sich die betreffende biologische Organisation
dem Rückschritte zuneigt; je vollkommener und vollständiger die durch ihr Leben hervorgerufenen
Folgen bei ihr zu Tage treten — um so niedriger ist ihre Psychik überhaupt
ausgebildet.
Da die biologische Organisation der Hummeln weniger stark von dem normalen Typus
der Geselligkeit abweicht, so darf infolgedessen das Wachs in ihrem Leben auch nicht diejenige
Rolle spielen, welche sie bei den am weitesten von der Norm abgewichenen Bienen spielt.
Hieraus folgt natürlich noch nicht, daß der Überfluß oder der Mangel an Material,
welches vom Organismus zum Zwecke des Baues einer Wohnung ausgeschieden wird, an
und für sich auch als Kriterium für den Grad der Abweichung dienen kann; ich will nur
sagen, daß die Erscheinung, welche v. B u tte l-R e ep en infolge falscher Voraussetzungen
für eine progressive angesehen hat, und die er für seinen genetischen Stammbaum zu
verwenden wünschte, — in Wirklichkeit eine - regressive Erscheinung darstellt und aus
diesem Grunde für den genannten Zweck in keiner Weise verwendet werden kann.
5) D as N e r v e n s y s t em is t , im V e r g le ic h e mit dem der einsam lebenden
Bien en, red u z ie rt, und im Z u sammen h än ge h ie rm it w e is en a u ch g ew is s e
m o rp h o lo g isch e Merkmale eine R edu k tion auf.
Auch das Nervensystem der Hummeln bestätigt meine Ansicht, wonach die Gruppe
der sogenannten sozialen Insekten nicht eine Entwicklungsreihe; darstellt, die von den
Hummeln als niedrigsten zu den Bienen als höchsten Formen fortschreitet;. Denn auch in.
Bezug auf das Nervensystem weisen die Bienen, die von dem normalen Typus der Geselligkeit
am meisten abgewichen sind, die geringste Vollständigkeit und die größte Reduktion
auf, die Hummeln dagegen die geringste Reduktion ljei geringster Abweichung von der
Norm der Geselligkeit. Folgende Tatsachen werden dies beweisen.
Die stielförmigen Körper des Gehirnes (corpora pedunculata) der Weibchen, Arbeiterinnen
und Männchen weisen bei den Hummeln mehr Ähnlichkeit untereinander auf, als
bei den Bienen und Wespen.|l|bliDas Gewicht des Gehirnes im Vergleiche zu dem gesamten
Körpergewichte beträgt allerdings bei den einsam lebenden Wespen 1/i0Q und bei den Bienena
rb e ite r in n en Vm- Allein man muß im Auge behalten, daß für die Feststellung des-
wirklichen Verhältnisses des Gehirnes der „sozialen“ Insekten zu dem der einsam lebenden
keineswegs das Gehirn der Arbeiterinnen, sondern dasjenige der Weibchen und Männchen
zu Grunde gelegt werden muß. Hierdurch würde sich das Verhältnis ganz gewaltig ändern.
Aber selbst, wenn man für einen solchen Vergleich nur das M itte l aus dem Gehirne
a lle r drei Kasten der sozialen Formen verwendet, modifiziert sich das oben angeführte
Verhältnis, bereits wie folgt : während das Gewicht des Gehirnes , bei .den splitären
Hymenopteren, V400 beträgt, geht dasjenige der „sozialen“ Bienen auf V4000 herab, d._ h. es
zeigt nunmehr eine ganz ungeheure Reduktion gerade jener Organe, durch welche der Grad
der psychischen Fähigkeiten einer Art bemessen wird.
Schon diese Tatsache allein hätte die Autoren darauf hiniveisen müssen, daß wir hier
keine wahre Geselligkeit vor uns haben, sondern etwas ganz anderes, da der wahren Geselligkeit
nie eine Herabsetzung, sondern immer-eine Erhöhung der geistigen Entwicklung
zu Grunde liegt;"sind doch z. B. die Bieber unbestreitbar die Klügsten aller Nagetiere.
6) Mit der Redu k tion der Ins tin k te b eoba ch ten wir, wie dies bei den
E r s ch e in u n g en des P a ra sitism us ste ts der F a ll ist, g le ic h z e it ig auch e in e
R edu k tion der m o rp h olo gisch en Merkmale. (Über die primitive Stellung der Q
und § im Zusammenhänge mit deren morphologischen und anatomischen Eigentümlichkeiten).
Diese morphologische Reduktion tritt bei den Weibchen um so deutlicher und vielseitiger
zu Tage, je mehr ihre Abhängigkeit von den Arbeiterinnen wächst, mit anderen Worten, je ausgesprochener
ihr Parasitismus wird. Das Hummelweibchen übertrifft die Arbeiterinnen noch
in vielen Beziehungen, und letztere sind nicht' sowohl für das alte Weibchen notwendig, als
vielmehr dafür, die jungen Männchen und Weibchen bis zum Eintritt des Winters aufzuziehen.
Bei den gesellig lebenden Bienen und Wespen aber stellen die Weibchen bereits
Formen dar, die rein parasitisch und stark regressiv sind.
So bestehen bei der Bienenkönigin die zusammengesetzten Augen aus nur 8—9000
Facetten, statt der normalen Zahl von 12— 13000 Facetten. Sie besitzt keine zur Wachs-
abscheidung dienenden Drüsen und hat an den Beinen weder Bürsten noch Körbchen.
Statt dieser O rg an e d ie man bei einigen ihrer freilebenden Genossinnen beobachtet,
sind bei der Königin, als einem wahren Parasiten, ungeheure Eierstöcke zur Entwicklung
gelangt, und es hat sich bei ihr ein neues Organ herausgebildet, das ReCeptaculum seminis,
wodurch sie zu einem Wesen geworden ist, das an einen Hermaphroditen erinnert.
Sehr lehrreich und ihrer Bedeutung nach ebensowenig gewürdigt ist die Tatsache,
daß der Unterschied in den morphologischen Eigentümlichkeiten bei den Weibchen und
Arbeiterinnen, im Sinne einer Reduktion der Merkmalel ein um so tiefgreifender isL je „vollkommener“
die ^Geselligkeit“ bei diesen Insektem erscheint, ein Umstand, welcher uns
wiederum an Parasitismus denken läßt. Hier und dort, sowohl im Parasitismus als auch in
der Geselligkeit der Insekten, erweist sich die Reduktion um so weitgehender, je stärker
Parasitismus und Geselligkeit ausgesprochen sind.
Bei den Hummeln stellen die sogenannten Arbeiterinnen sowohl in morphologischer
wie auch in anatomischer Hinsicht echte Weibchen dar; der ganze Unterschied besteht nur
in der Größe der Individuen, die ihrerseits eine direkte und zweifellose Folge der Ernährung
ist. Die Arbeiterinnen der Bienen und Wespen dagegen weisen einen sehr tiefgreifenden
Unterschied von den Weibchen auf: sie haben stets reduzierte Geschlechtsorgane, gleichviel,
worin diese Reduktion bestehen mag, in welcher Periode ihres Lebens sie auftritt und
wozu sie schließlich führt. Bei ihnen sind ferner gewiss# andere morphologische Merkmale
reduziert, die mit dem Genitalsystem zum Teil in Verbindung stehen* zum Teil auch von
demselben ganz unabhängig, aber ebenfalls nur für das Weibchen, nicht die Arbeiterin notwendig
sind. Endlich sind bei ihnen eine gewisse Anzahl von Instinkten reduziert, die mit
'der Sphäre der geschlechtlichen . Tätigkeit der. Weibchen im Zusammenhänge stehen und
bei den Arbeiterinnen.mehj. oder weniger vollständig^ verschwunden sind..