
und wenn sie, sich gegenseitig in Aufregung setzend (Psychologie der Menge), sich stoßend
und hastend ein und dieselbe Arbeit durch gleichzeitige Bemühungen vieler ausführen. Sie
irren sich fortwährend, beendigen das Angefangene nicht, beginnen die Arbeit von neuem
an einer anderen Stelle, beendigen sie wiederum nicht, fangen sie an einer dritten Stelle
an etc. etc. etc. So kommt es, daß wenn man das Verhältnis der von der einzelnen Hummel
aufgewandten Mühe zu dem erzielten Resultate mit 3:1 annimmt, bei Ausführung des
gleichen Werkes durch gemeinsame Arbeit dieses Verhältnis mit 9:1 angegeben werden
muß. Die „gemeinsame“ Arbeit, wobei die einzelnen Glieder der Familie sich gegenseitig
„Hilfe“ leisten, ergibt nicht nur keine Beschleunigung in der Erzielung der Resultate, sondern
sie verlangsamt dieselbe sogar in beträchtlicher Weise. Aus dem, was oben über die
Bedeutung und den Sinn der geselligen Arbeit der Hummeln gesagt wurde, begreift man
in klarster Weise,, woher sich dieses so verhält: die Arbeit der einen Hummel wird durch
eine andere fortwährend verändert, dann durch eine dritte u. s. w.; „aus den Händen der
letzten“ geht sie demnach anders hervor, als wenn sie so geblieben wäre, wie sie von der
ersten Hummel ausgeführt wurde; die Tatsache selbst eines solchen umgekehrten Verhältnisses
der kollektiven Arbeit zur Einzelarbeit ist, im Hinblick auf den Zeitgewinn und die
Summe des zustande Gebrachten, äußerst lehrreich. Argumentiert man ad hominem (und
die Tätigkeit sozialer Insekten wird ja meistenteils in dieser Weise abgeschätzt), so erscheint
ein solches Verhalten unbegreiflich. Wenn ein Pferd in einer Zeiteinheit 100 Kilogramm
um 1 Meter fortbewegt, so bewegen zwei Pferde in derselben Zeiteinheit unter gleichen
Bedingungen dieselbe Last um 2 Meter, und man sollte meinen, daß wir bei den Hummeln
ein analoges Verhalten finden müßten. Hier zeigt sich aber gerade das Gegenteil je
größer die Zahl der arbeitenden Individuen und je mehr dieselben einander helfen, desto
langsamer geht, bis zu gewissen Grenzen und relativ gesprochen, die Arbeit vor sich. Aber
wir kennen jetzt die Ursache dieser seltsamen Erscheinung.
K a p i t e l V.
Über den „gem ein sam en “ Angriff und die „g em e in sam e “ Verteidigung
der Familie in der Gefahr (Massenbewegungen).
Bei der Selbstverteidigung und der Verteidigung ihres Nestes verfahren die Hummeln
nach zweierlei streng voneinander zu unterscheidenden Methoden. Im einen Falle liegt klär
am Tage, daß dabei jegliche gegenseitige Hilfeleistung fehlt. Im anderen findet eine solche,
wenigstens auf den ersten Blick, ebenso zweifellos statt; sind doch Fälle verzeichnet worden,
wo Individuen von Bombus lapidarius sich so e inmütig und in solcher Masse auf erwachsene,
ihre Waben bedrohende Menschen stürzten, daß diesen nichts anderes übrig blieb,
afs ihr Heil in der Flucht zu suchen.
Ich beginne mit der Darstellung derjenigen Fälle, in denen die s ich v e r te id igenden
Hummeln se lb s tä n d ig h an d e ln , und gebe zunächst eine Beobachtung mit
denselben Worten wieder, mit denen ich sie in mein Notizbuch eingetragen habe.
Bei Sonnenuntergang geriet eine Hummel von Bombus hortorum in ein Nest von
Bombus lapidarius; sie hielt sich daselbst abseits, kroch unter' eine Wabe, als sie aber später
wieder zum Vorschein kam, wurde sie sofort von einer der Insassinnen des Nestes angegriffen.
Dieser Angriff war jedoch mehr hastig als ernst gemeint, sie trieben sich zwischen
den Blättchen herum, zuerst summte der Fremdling, dann die angreifende Hummel, und
alles beruhigte sich wieder. Hier wie in ähnlichen Fällen war von einer gemeinsamen Verteidigung
des Nestes durch die Hummeln keine Rede : zuerst macht sich die eine zu
schaffen und geht darauf davon, später eine andere, wenn sie zu fä llig ebendahin g e rä
t, und das Spiel geht von neuem los. ffj [ | | 1
Mit besonderer Deutlichkeit tritt die Hilflosigkeit der Hummeln,
die aus dem Fehlen gegenseitiger Hilfeleistung bei der Verteidigung
des Nestes resultiert, auch in der Geschichte ihrer sehr
umfangreichen und mannigfaltigen Beziehungen zu den P a r a s
i te n zutage, deren es in den Hummelnestern unzählige gibt.
So kommt es zum Beispiel vor, daß eine Hummel mit einer
ungewohnten Last langsam vom Felde in das Nest zurückkehrt:
an ihrem Rüssel, fest mit Hilfe der Kiefer angeklammert, sitzt
ein Käferchen, Antheröphagus nigricornis Fabr. (Fig. 117), das
übrigens, wie hier bemerkt werden mag, regelmäßig auf solche
Weise in das Nest gelangt. Die Hummel scheint offenbar, wenn
nicht Schmerz, so doch bedeutendes Unbehagen zu empfinden ;
sie kriecht auf den Waben des Nestes herum, streckt den Rüssel
hervor, macht eine Reihe von Bewegungen, um die Bürde abzuwerfen,
jedoch alles umsonst. Es bewegen sich Hummeln an ihr
vorbei, welche sie „zärtlich“ mit ihren Antennen befühlen und sodann
Vorbeigehen: nicht die geringste Spur einer dem „Kameraden“
geleisteten Hilfe, nicht der geringste Versuch, bei der Verteidigung
gegen den gefährlichen Feind Unterstützung angedeihen Fig II?
zu lassen. Und gefährlich ist er in der Tat, denn aus den von
dem Käfer abgelegten Eiern schlüpfen Larven aus, die enorme Verwüstungen im Neste
anrichten werden, indem sie sowohl das Wachs wie auch die Kokons vernichten.
Noch deutlicher geht das vollständige Fehlen einer Hilfeleistung gegen Parasiten aus
folgendem hervor. Die Raupen der Bienenmotte (Gallería melonella) zerstören das Nest
der Hummeln bis auf den le tz ten Rest und machen schließlich die erwachsenen Hummeln
zu Krüppeln, indem sie die Härchen, die ihren Körper bedecken, abreißen. Eine
Ansammlung solcher Raupen trägt stets den Sieg über den „Staat“ der Hummeln davon,
ungeachtet der furchtbaren Bewaffnung der „Bürger dieses Staates“ . Die Erklärung dieser
Erscheinung ist wiederum darin zu suchen, daß die Hummeln weder zu gemeinsamer
Arbeit, noch zu gemeinsamer Verteidigung und gemeinsamem Angriff befähigt sind. Wären
die Hummeln imstande, einander Hilfe zu leisten, so könnten sie die Raupen nicht nur
beim Beginn ihrer Tätigkeit, sondern zu jeder beliebigen Zeit ohne weiteres vernichten.
Der solitäre Charakter der Verteidigung tritt auch im typischen Verhalten der einzelnen
Hummel zutage. Die Behauptung, die Hummeln ertrügen alles Ungemach „sans jamais
songer à défendre leur demeure, ni tourner leur colère contre celui qui vient les tourmenter“
(Pérez), ist unbedingt unrichtig. Diesen Irrtum wiederholen die Autoren nach
Zoologioa. Heft 46.