scheinbar als tatsächlich sind; so legt Bombus terrestris, welcher seine Nester für gewöhnlich
unter der E rd e baut, dieselben bisweilen auch unter Strohschobern an.
Bei näherer Betrachtung bemerkt man unschwer, daß wir es hier weder mit Defekten
des Instinktes, wie es die Autoren nennen, noch mit Aberrationen1 desselben zu tun haben,
sondern daß wir hier nur sch e in b a re Abweichungen von der Regel vor uns sehen.
In dem Stroh findet das Hummelweibchen ebenso mühelos einen Eingang zu beliebigen
Tiefen, wie ihr dies beim Bau unterirdischer Nester durch Mäuselöcher geboten
wird. Niemals gräbt sich das Weibchen in dem Stroh nach oben zu ein, sondern stets entweder
horizontal oder nach unten, dem Inneren des Haufens zu.
Auch in der Anlage des eigentlichen Nestes bemerken wir das Auf suchen der gleichen
Bedingung, d. h. der größtmöglichen Erleichterung der Arbeit. Die Strohnester werden in
v o r jä h r ig en Haufen angelegt und zwar meistens in demjenigen Teile des Haufens, wo
das Stroh infolge der hier beständig herrschenden Feuchtigkeit in Fäulnis übergegangen
und daher fast schwarz geworden ist. Es kann wohl kaum ein Zweifel darüber bestehen,
daß solche Plätze aus dem Grunde bevorzugt werden, weil die Anfertigung einer Höhlung
für das Nest hier besonders leicht von statten geht, da faules Stroh sich leicht in jeder
Richtung zerkleinern läßt, frisches aber nicht. Häufig vermissen wir Hummelnester an
solchen Orten, welche sich für den Nestbau der betreffenden Art gut eignen würden, und
zwar aus dem Grunde, weil diese Orte von dem Menschen aufgesucht werden. Nicht alle
Hummeln verhalten sjch übrigens der Nähe des Menschen gegenüber in gleicher Weise;
1 Ich erachte es für no twendig, hier daran zu e rinne rn, daß ich unter dem Ausdrucke A b e r r a t i o n d er Instinkte
durchaus nicht dasselbe verstehe, was die Autoren „D e fekte “ der Instinkte nennen.
Das Vorhandensein solcher Erscheinungen in der instinktiven T ä tig k eit d e r T ie r e , welche als Feh ler (Defekte)
bezeichnet werden könnten, kann ich in keinem Falle zugeben. Die Abweichungen von dem, was die vollkommene Form
eines jeden gegebenen Instinktes darstellt, können von zweierlei A r t sein. E s sind dies erstens die Abweichungen d er Instinkte
in der direkten Bedeutung dieses W o r te s , das heißt jen e seltenen Fälle .von „zufälligen“ fremdartigen Angewohnheiten
be i gewissen Arten, welèhe nach D a r w i n , wenn s ie sich als nützlich erwiesen hä tten , au f dem W eg e der natürlichen
Auslese ganz neue Instinkte hätten hervorbringen können, wenn sie sich hingegen als schädlich erwiesen hätten, durch-
eben diese Auslese beseitigt worden wären. Aus dem soeben Gesagten folgt selbstverständlich, daß wir die Abweichungen
in den Erscheinungen des instinktiven Leb ens mit demselben Rechte als „F eh le r “ ’bezeichnen kö n n ten , mit welchem wir
das Auftreten neuer Streifen äu f dem F elle eines Säugetieres ode r ihrer Form oder Farb e nach neuer Federn bei den
Vögeln als Feh ler auffassen würden. Indem w ir A b w e i c h u n g e n der Instinkte als „Feh le r“ bezeichnen, begehen wir
selbst einen doppelten Fehler: dadurch, daß wir die betreffende Erscheinung mit einem ihr nicht entsprechenden Ausdrucke
belegen, veranlassen wir einmal zu der Voraussetzung, daß an derselben solche psychologische Momente (vorhergehende
Berechnung und Verständnis dessen, was getan is t und dessen, was hätte getan werden müssen) teilnehmen, welche in Wirklichkeit
keinerlei Anteil daran haben; ferner veranlassen w ir zu der Voraussetzung, daß das Auftreten einer Abweichung
etwas unbedingt korrekturbedürftiges s ei, wobei die Verbesserung dem diese Abweichung aufweisenden Individuum er-,
wünscht sein muß, was jedo ch in Wirklichkeit gar nicht der Fall ist. Und zwa r is t dies nicht nur nicht der Fall, sondern
es kann auch g a r nicht d er Fall s ein , da nur derjenige irren kann, welcher imstande ist, eine Wahl der auszuführenden.
Handlungen zu. treffen, welcher infolgedessen fähig is t seinen Irrtum zu erkennen, denselben zu begreifen und wieder gut
zu machen, wenn dem nichts im W eg e steht. Alle diese Momente, welche in dem Begriffe eines Irrtums in der instinktiven
T ä tig k eit enthalten sind, fehlen ab er in d er Tat.
Eine andere A r t Abweichungen von d em, was die vollkommene Form eines gegebenen Instinktes repräsentiert,
kann man in der Erscheinung d er „V e r ä n d e r u n g e n d e r I n s t i n k t e “ beobachten. Unter dieser Bezeichnung verstehe
ich ständige und unbeträchtliche Abweichungen d er Instinkte von ihrem normalen T yp u s ; au f derartige Abweichungen
übt die Auslese keine Wirkung aus, w o fü r eben die Beständigkeit dieser Erscheinungen Zeugnis ablegt.
W ie wir in der Morphologie des Pflanzen- und T ierreiches keine zw e i völlig identische Individuen kennen, wobei
die Unterschiede fast immer unwesentlich und nur in seltenen Fällen sofort bemerkbar sind, ebenso haben w ir es in der
Zoopsychologie mit einer Reihe von Tatsachen zu tun, von welchen die einen unwésentliche Abweichungen (Schwankungen -
der Instinkte) repräsentieren, während an de re, welche viel seltener auftreten, sich als ganz unzweifelhafte, wirkliche A b weichungen
d e r Instinkte erweisen.
einige Arten, wie z. B. Bombus lapidarius, kümmern sich sehr wenig um die Anwesenheit
des Menschen. Ich habe Nester dieser Art gesehen, deren eines in einer Entfernung
von 35 cm von einem Vorratskeller angebracht war, welcher täglich betreten wurde, ein
anderes dagegen sich in einem Speicher befand.1 Im allgemeinen aber sind die Hummeln,
namentlich in der Periode des Nestbaues, ungewöhnlich vorsichtig.
Was nun die „Station“, d. h. die allgemeine Lage des Nestortes bei den verschiedenen
Hummelarten betrifft, so kann an der Existenz besonderer Eigentümlichkeiten in dieser
Hinsicht nicht gezweifelt werden, obgleich deren Feststellung oft schwierig ist. So nistet
Bombus sylvarum a ausschließlich im Walde. Niemals traf ich Nester dieser Form in
Anpflanzungen, Höfen, im Felde oder sonst außerhalb des Waldes an. In Anbetracht
des Umstandes, daß das Leben in einem von mir ins Zimmer verbrachten Neste dieser
Hummeln seinen gewohnten Verlauf nahm — die Hummeln flogen aus und kehrten wieder
zurück wie alle anderen auchBHj vermute ich, daß die Ursache für das Fehlen dieser
Hummelart in der Nähe menschlicher Wohnstätten und das ausschließliche Vorkommen
ihrer Nester im Walde darauf zurückzuführen ist, daß ihre Lebensbedingungen (in erster
Linie natürlich die Tracht) mit der Flora des Waldes in innigerem Zusammenhänge stehen,
als dies bei anderen Arten der Fall ist. Ein Zusammenhang zwischen der Wahl eines Nestplatzes,
im Sinne einer Station, und dem Einsammeln der Nahrung kann bei den Hummeln
wohl nicht in Zweifel gezogen werden.
In Übereinstimmung mit dem eben Gesagten sind die Nester derjenigen Hummeln,
welche einen weiten Rayon für das Einsammeln ihrer Nahrung besitzen, an außerordentlich
verschiedenartigen Plätzen anzutreffen, während bei anderen Arten, wie z. B. bei B. sylvarum,
wo diese Rayons mehr beschränkt sind, auch die Stationen ihres Nestbaues genauer
festgelegt erscheinen. Es versteht sich von selbst, daß dieses Prinzip des Zusammenhanges
und der Abhängigkeit zwischen der Wahl eines Ortes für den Nestbau und dem
Bezirke, wo die Nahrung eingesammelt
wird, durch die erwähnte
Unbestimmtheit der Station bei
gewissen Hummelarten in keiner
Weise Einbuße . erleidet. Das
Prinzip wird in solchen Fällen nur
schwerer zu konstatieren sein. Ich
verweise hier auf einige von mir
gezeichnete Pläne von Fundorten
der Nester von B. museorum
außerhalb von Ansiedelungen, wo
sie sehr häufig angetroffen werden
(Fig 5 • a b c d e) ^*i> Nj — Hummelnester.
Unvergleichlich klarer sind jene Bedingungen, welchen die innerhalb der Stationen
durch die Hummeln auszusuchenden „Winkel“ für den Nestbau entsprechen müssen.
Solcher Bedingungen gibt es zweierlei:
a b c
d e
Fig . 5. A — A c k e r ; B — Gebüsch ; F — Fluß ; C — Weg.
1 E . H o f f e r (Die Schmarotzerhummeln Steiermarks) sah eine Hummel (B. lapidarius), welche ihr Nest unmittelbar
über einer Haustüre anlegte.