Was war es, das den Hummeln in dieser Sache als Kriterium diente ? Berücksichtigt man
den Umstand, daß eine aus dem gleichen Neste stammende Wabenmasse von den Hummeln
sofort als die ihrige anerkannt wird, und zwar in einem jeden ihrer Bestandteile und nicht
nur an dem Orte, wo sich das Nest befand, sondern auch dann, wenn die Hummeln nach
einem anderen, für sie fremden Orte verbracht werden, — wobei es ganz gleichgültig ist,
ob diese Teile gleichzeitig mit dem Volke transportiert oder demselben nach einiger Zeit
untergelegt werden, ob sich der in den Zellen enthaltene Honig in den Waben erhalten hat,
oder aus denselben entfernt wurde, endlich ob alle Zellen ganz geblieben sind, öder einige
derselben beschädigt wurden, — so können wir mit voller Überzeugung behaupten, daß
weder die allgemeine Gestalt der Wabenmasse, noch die Gestalt und der Bau der ¡einzelnen
Waben bei diesem Erkennen auch nur die geringste Rolle spielen.
Andererseits erweist es sich, daß die Hummeln nur eine gewisse Zeit auf den Waben
zu verweilen und sich auf denselben hin und her zu bewegen brauchen, damit eine immer
größere und größere Anzahl von ihnen dieselben als die ihrigen anerkennt. Hierbei werden
die Waben verschiedener Völker ein und derselben Art verhältnismäßig rasch anerkannt;
die Waben verschiedener Arten werden einige Zeit lang als fremde betrachtet, sodann
aber um so rascher in den Kreis der wirtschaftlichen Tätigkeit des Volkes hereingezogen,
je häufiger und in je größerer Anzahl sie von dessen Gliedern besucht werden.
Wenn es nicht das Sehvermögen und die Erinnerung an das Aussehen der eigenen
oder fremden Architektur des Baues ist, so kann nur das G eruch sve rmö gen das Mittel
sein, um zu erkennen, ob es sich um etwas Eigenes oder um ein Fremdes handelt;, und
die Fühler sind es, vermittelst welcher diese Frage gestellt und Antwort auf dieselbe
empfangen wird.
Die Richtigkeit dieser Schlußfolgerung wird auch durch die Erscheinungen bestätigt,
von welchen ich bereits oben gesprochen habe,, als ich Fälle der Übersiedelung von Hummeln
mit der Königin an einen neuen Ort und von dem Benehmen dieser letzteren wie
auch der Arbeiterinnen beschrieb. Nach den dort erwähnten Fällen stellte ich noch zahlreiche
Versuche ähnlicher Art mit Bornbus muscorum an. Ich entnahm einem Neste die
Königin und eine kleine Anzahl von Arbeiterinnen
ohne Waben und setzte dieselben in
einen Zwinger mit Baumaterial. Die Hummeln
bauten bald ihre Waben aus Wachszellen
Fig ,25 entweder direkt auf dem Boden des Zwingers
(Fig. 125), oder auf eitlem Stückchen Karton,
oder endlich auf einem beliebigen, auf den Boden der Kiste gelegten Gegenstände, wenn
de rse lb e mit demjen igen T e ile des inneren Ne s te s e in g e r ie b e n wu rd e , auf
welchem die Waben la g en und w e lch e r b e s tän d ig von den Humme ln b e gan
gen wurde. Ein derartiges Einreiben kann auf die Weise erfolgen, daß absolut'keine
sichtbaren Spuren nachbleiben; trotzdem erkennen die Hummeln, indem sie das geriebene
Plättchen oder den Teil des Kistenbodens befühlen, diese Stelle sofort als die ihrige an
und machen sich an die Arbeit. Durch diese Versuche wird die Tatsache, daß die Hummeln
über einen gut entwickelten taktilen Geruchssinn verfügen, d. h. über einen Geruchssinn,
welcher sie dazu befähigt, Eigenes von Fremdem durch Berührung mit den Fühlern zu unterscheiden
B -.in it vollster Augenscheinlichkeit festgestellt. Bis zu welchem Grade der Feinheit
dieser Geruchssinn bei den Hummeln entwickelt ist, erhellt aus folgender Beobachtung.
In der Nähe eines zerstörten Nestes, etwa 70 cm von demselben entfernt, sammelte
sich einmal eine ziemlich ansehnliche Gruppe von Hummelarbeiterinnen. Der Gegenstand,
welcher diese Ansammlung an einer Stelle verursacht hatte, erwies sich als ein Stückchen
Wabe mit Puppen. Ich nahm dieses Stückchen mit den darauf sitzenden Hummeln mit
nach Hause. Als ich am nächsten Tage nach dem zerstörten Neste sah, fand ich wiederum
eine Gruppe von Hummeln an derjenigen Stelle vereinigt, wo gestern das Wabenstückchen
gelegen hatte; die unsichtbaren Spuren desselben hatten die Insekten angelockt!
Indem wir alles, was über die „Sprache“ des Geruches .bei den Hummeln gesagt wurde,
kurz zusammenfassen, können wir erstens behaupten, daß eine derartige Sprache wirklich
vorhanden ist; zweitens, daß deren Anwendung sich im wesentlichen auf das eine Wort
„Eigenes“ beschränkt, da allfllf was nicht eigen ist, — fremd sein muß, und durch seine
Einwirkung auf die Hummeln bei diesen eine entsprechende Reaktion hervorruft: ein
fremdes Nest, das Glied eines fremden Volkes u. s. w. Endlich, daß die Hummeln dasjenige,
als das ihrige anerkennen, was den Geruch ihres Nestes hat, wenn sie auch von
den anderen Eigenschaften des Gegenstandes nicht die geringste Vorstellung haben.
Den besten Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung können folgende I atsachen
abgeben. Hat ein Psithyrus eine Zeit lang im Neste gesessen,-so wird er von den Hummeln
als einer der ihrigen anerkannt und wird, wenn er, nachdem er das Nest verlassen
hat, wieder heimkehrt, durchaus freundschaftlich empfangen; begibt sich ein solcher Psithyrus
in ein anderes Hummelnest, so wird er getötet oder fortgejagt werden; es liegt auf
der Hand, daß es von seinem Gerüche abhängt, ob der Psithyrus als ein Genosse oder als
ein Fremder behandelt wird.
Es fragt sich nun, w o h e r d ie s e r fü r e in je d e s b e t r e f fe n d e Ne s t
sp e z ifis ch e G eruch stammt, und von wem diese Substanz ausgeschieden wird? Durch
viele der von mir angeführten Tatsachen wird die Ansicht B e th e s anscheinend auf das
beste bestätigt, wonach diese „S ub stan z“ von jedem einzelnen Individuum jeder
g e g eb en en F am ilie der sozialen Insek ten au sg e sch ied en wird und als ein
R e su lta t des S to ffw e ch s e ls in deren O r g a n ism u s zu b e t r a c h t e n ist. Diese
Substanz dient ihnen als Mittel, sich gegenseitig zu erkennen, und bildet die Grundlage jenes
C h em o re fle x e s , von welchem der Autor spricht.
Beobachtungen haben mich gelehrt, daß je en e rg is ch e r die Lebenstätigkeit der
Hummeln ist, desto le ich te r dieselben die Ffemden erkennen, und umgekehrt: daß sie sich
um so schwieriger erkennen, je schwächer diese Tätigkeit zu Tage tritt. Wenn nun die Bewegungen
der Hummeln infolge andauernden Lebens in der Gefangenschaft weniger lebhaft
wer den, und das Ausfliegen eingestellt wird, so wird auch die Fähigkeit, die Ihrigen
von Fremden zu unterscheiden, entsprechend herabgesetzt. Offenbar geht mit der Herabsetzung
der Lebenstätigkeit der Hummeln eine Abschwächung ihres Stoffwechsels und damit
eine verminderte Ausscheidung der für jedes Volk spezifischen Substanz Hand in Hand.
Besonders beweisend im Sinne dieser Schlußfolgerung erscheinen diejenigen Tatsachen,
durch welche festgestellt wird, daß, wenn man zu einem Volke von Hummeln mit herabgesetzter
Lebenstätigkeit (d. h. zu einem solchen, welches lange in der Gefangenschaft ger