Auffassung nach am meisten begründet sind und mit meinen eigenen Beobachtungen am
besten übereinstimmen.
Die Veränderlichkeit der Organismen überhaupt wird, wie dies von Em e r y 1 erstmals
ausgesprochen worden ist, durch Ursachen von zweierlei Art bedingt; die einen werden durch
die Eigenschaft des Keimplasmas, die anderen durch die Bedingungen des umgebenden
Mediums bestimmt. Erstere bezeichnet der Autor als angeborene, b la s to g en e , letztere als
erworbene, somatogene Faktoren.2 Diese letzteren erscheinen denn auch als die nächstliegendsten
Ursachen für die Entstehung der K a s t e n und derjenigen Modifikationen,
welche bei ihnen beobachtet werden.
Vom Gesichtspunkte dieser Theorie aus- betrachtet, erscheinen die Arbeiter der Hummeln,
Wespen, Bienen und Ameisen als eine Folge der Ernährungsweise, deren Charakter
M a r ch a i3 durch die Worte „castration nutritiale“ bezeichnet hat. Die ungeschlechtlichen
Individuen waren demnach ein Ergebnis e x p e r im e n te lle r T e r a t o g en ie , welche von
den Insekten selbst ausgeführt und von der natürlichen Auslese unterstützt wurde. Die
Tatsachen, durch welche dieser Schluß bestätigt wird, sind so zahlreich, daß dessen Richtigkeit
nicht mehr angezweifelt werden kann.4
Ich werde hier nur eine solche Tatsache anführen : In zwei Nestern von Bonibus
muscorum fand ich im Sommer 1903 je zwei Generationen von Zwergarbeiterinnen.
Gewöhnlich treten solche Arbeiterinnen bei den Hummeln am Anfänge dès Sommers
als erste Individuen der Brut auf. Die Nahrung ist zu dieser Zeit nur spärlich
vorhanden, da dieselbe von der Königin allein zubereitet wird. Allein es ereignete
sich, daß das Nest von Parasiten heimgesucht wurde, deren es in dem betreffenden
Jahre sehr viele gab (ich fand 5 Nester, welche von Parasiten fast gänzlich zerstört
waren, und während meiner Abwesenheit, vom 17, Juni bis zum 8. Juli, gingen alle sechs
von mir in der Gefangenschaft gehaltenen Stöcke infolge verschiedener Parasiten zu Grunde).
Zu dieser Zeit waren schon viele Larvenzellen in den verschiedensten Entwicklungsstadien
vorhanden; da nun die Larven einiger Parasiten die Puppen der Humüieln angreifen (indem
¿ie deren Kokons durchnagen), so ereignete sich folgendes: Die Zahl der das Futter
liefernden Arbeiterinnen hörte mit einem Schlage auf, sich zu vermehren, was unter normalen
Bedingungen des Lebens hätte erfolgen müssen, während die Zahl der nahrungsbedürftigen
Mäuler immer größer wurde und mit jedem Tage immer mehr und mehr Nahrung verlangt
wurde. Und nun begann, offenbar weil viel weniger Nahrung herbeigeschafft wurde als notwendig
gewesen wäre, eine zweite Generation von Zwergweibchen den Kokons zu ent-
1 C. E m e r y , L e polymorphisme des Fourmis e t la castration alimentaire. Compte-rendu des séances du troisième
'.Congrès International d e Zoologie 1896, Leyde.
‘ D a n i e l R o s a , („Die progressive Réduction d er Variabilität und ihre Beziehung zum Aussterben und zur Entstehung
der Arten“ . Jena 1903) hält eine solche Einteilung für künstlich und nimmt a n , ein jedes Merkmal sei zum T eile
blastogenen zum T eile somatogenen Ursprunges. Diese Correction ändert meiner Ansicht nach nichts an dem von E m e r y
,aufgestellten Prinzipe, da schließlich alle Erscheinungen au f gemeinsame und alleinige G esetze zurückzu führen sind, woraus
jedo ch natürlich durchaus nicht fo lg t, daß die Unterscheidungen zwischen denselben künstlich sind; logischerweise hätte
R o s a behaupten müssen, daß auch die Unterscheidung zwischen dem Menschen und Affen eine künstliche sei, da sowohl
der Affe Merkmale der menschlichen Organisation, wie d er Mensch Merkmale des Affen besitzt.
* P. M a r c h a i , L a castration nutritiale chez les Hyménoptères sociaux. Compte-rendus d e la Société Biologique.,
1897.
* P. M a r c h a i , L a reproduction e t l’évolution des guêpes sociales. Archives de Zoologie expérimentale e t générale.
III. sér., Tom. IV. Année 1896.
sehlüpfen. Der größte Teil derselben wurde in ihren Kokons von den Parasiten gefressen,
allein diejenigen, welelSSjch hatten entwickeln könne# legten Zeugnis von dem Prozesse
ab, d e S ich hier abgespielt hatte und in fRender WejJ||ausgedrückt werden kann: statt
der üblichen Vergrößerungen, a|®l Wüchse .der Weibchen, mit dem Auftreten neuer Generationen
lllöbei y|S§ 5. Größengrade für die Arbeiterinnen der Hummel-„Familie“, und zwar
f f die Zwergweibchen und H 3), 4) und 5) die großen Weibchen, annehmen) - ergab sich
folgende Reihe,: I, 2, 3, wiederum 1 und hierauf der Untergang, oder richtiger gesagt, das
langsame Absterben der „Gemeinde“ .
I)fi|||l<ückkehr zum. ursprünglichen Stadium ergab sich als eine direkte Folge der
Ernährungsweise, wie sie wahrend der Entwicklung des Zusammenlebens dieser Insekten zu
iePp i f a beobachtet werden kann.
Von großem InteBäp: im Smnl|teetJ angeführten Gesichtspunkt# sind auch die von
E. Wasmann mitgjjlilten T a tS h M 1 D iR r ||pfcher ffriaJSe'tiolgendes: In den Ameisennestern
finden t t h bekanntlich Individuen, die zwischen den Arbeiterinnen (neutres) und
den Weibchen stehen S H erweist sich nun, daß wenn eine Larve zuerst die für Weibchen
bestimmte Nahrung§pfhalt, sodann aber mit rieh Nahrung der ArMitcrinnen {'.im:UTs)_geiüueri
wird, LärStBin entsteht, das zwar den Körper, des Weibchens besitzt, allein
gftchlechtsteS ist (asexull Wird dagegen d B Ernährung in der umgekehrten Reihenfolge
vorgenommen, 8 bildet ||ch||f|f der Larve ein Wesen mit dem Körper einer Arbeiterin
(ncutrfU allein mit ausgobiideien Geschlechtl|n:ganen |^xue).,
Die^ichtigkeit^^^Bedankens’Äon der Einwirkung der Nahrung auf die Entwicklung
-wird'iemfer durch eipige Tatsachen bestätigt] auf weichÄEmery bmgewiesen hat: die
mangelhafte Ernährung der Larven ruft das Auftrete«%on zwergartigen Fliegen, Schmetterlingen
und'yerschiedenen anderen' Tieren
Für dH Hummelffiu^d Wes'Si kann eine :s«he Wirkuiigider Nahrung im unmittelbaren
Sinne angenommen werden, d. h. diese Wirkung wird hier durch die Qu antität und
? Q u a litä t der Nahrufig direkt beiffiint. Was die Bienen ffitrifft, wo die zwischen der
.‘•Königin und den- Arbeiterinnen ,lie|fnden Stadien ausgefallen sind, #0 daß der Unterschied
zwischen den. am weiiÄ|teü:i Voneinander stehende»iäst^|Än sehr tiefgehender ist, kbvSäßt
sich dieV;t*She folgendermaßen erklärte® der EVölutionspro||J dieser Insekten ist in einer
rndangen jeitperiode vor B h jpgangen/daß dieigegeüwaiitl|^Bienenkönigin und.jfrbeiterin
einerseits al^tdas Rtodükt der Ernährung|Wei|g wd/che sich vielleicht in einer anderen Art
und auf einem anderen Stadium der postcmbryonalen Entwicklung geltend gemacht hat,
anderesseits. aber als j f s Produkt j e n ^ S r e r b t e n F ä h i g k e i t e n aufgefaßt ^erden kann, welche
unter; dier Mitwirkung der natürlichen Auslese in der Vergangenheit von ihrem Keimplasma
herausgearbeitet worden waren. .
Wie sich nun auch die Ergebnisse bezüglich der Entstehung der Kasten bei
' den „sozialen“ Insekten gestalten mögen,.f#'“s» legt.- doch dasjenige, was über die
biologische Bedeutung, dieser .Erscheinung bekannt .geworden ist. einstweilen dafür
’ Zeugnis ah, daß die morphologische Verschiedenheit,.; zwischen /den...Gliedern der „Gemeinden“
bei den-,sogenannten, feialen Insekten eine äußerst tief eingreifende ist, nament-
1 Die ergatogynen Formen bei den Ameisen und ihre Erklärung. (Biolog. Zentralbl. X V , 1895).