beschreibt den Vorgang wie folgt: Unter dem Steine, dessen Rand auf unserer Fig. 135 mit
den Buchstaben St bezeichnet ist, sehen wir einen Gang, welcher bei R nach außen mündet.
Dieser Gang teilt sich in einer gewissen Tiefe
in zwei blind endigende Arme A; M ist die
Fortsetzung des Hauptganges,, welcher sich
etwas in die Tiefe senkt (durch Punktierung
angegeben) und ebenfalls in zwei blind endigende
Arme Ue ausläuft. Diese letzteren Arme
dienen als eigentlicher Ort für die Überwinterung.
In ihnen befanden sich sieben Weibchen
dicht nebeneinander' (ihre Lage ist durch
Kreuzchen bezeichnet); die übrigen Weibchen
s befanden sich in dem Hauptgange, nach der
Öffnung R zu. Das Frühjahr war bereits eingetreten,
und einige Halictus-Arten waren schon
an der Arbeit.
In dieser Erscheinung erblicken wir eine typische Form der temporären Geselligkeit
und erkennen auch die Zweckmäßigkeit eines derartigen Instinktes. Hummeln und Wespen
stehen in diesem Punkte tiefer: ihre großen Weibchen überwintern, wie wir wissen, einzeln.
B. Die Anlage eines Nestes durch das Weibchen zur Aufzucht der Nachkommenschaft
bei den „sozialen“ und „solitären“ Insekten.
Über den Bau des Nestes im Frühjahre seitens des Hummelweibchens, wo letzteres als
solitäres Insekt arbeitet, habe ich bereits früher gesprochen, als von den solitären Instinkten
der „sozialen“ Insekten die Rede war. Ich werde demnach hier nur einige Worte darübeii
zu sagen haben, in welcher Beziehung diese Instinkte der „sozialen“ zu den entsprechenden
Instinkten der „solitären“ Insekten stehen.
Über die Wah l des P la tze s für den Bau ist nichts zu sagen; bei den Weibchen
der Hummeln, wie bei den Weibchen der einsam lebenden Hymenopteren ist dieser Instinkt
im wesentlichen gleich elementar und besteht in dem Aufsuchen eines bequemen Winkels.
Anders verhält es sich mit der W ah l des Materiales.
Bei den Hummeln befindet sich dieses Material selbst dann, wenn es herbeigetragen
werden muß, doch stets in der Nähe und wird zu dem Neste entweder einfach durch Scharren
mit den Beinen oder (seltener) mit den Kiefern herbeigeschafft; seine Differenzierung besteht
nur darin, daß die kleineren Bestandteile des Materiales für bestimmte Teile des Nestes, die
größeren für andere verwendet werden. Außer diesem Materiale verwenden die Hummeln
für den Bau ihrer Wohnung noch Wachs, das von ihrem Organismus aüsgeschieden wird.
Bei den einsam lebenden Insekten dient zum Baue des Nestes nicht nur (bisweilen
aus großen Entfernungen) herbeigeschafftes, sondern auch s o r g f ä l t i g a u s g ew ä h lte s
Material, wie z. B. bei Osmia. Es braucht nicht erst nachgewiesen zu werden, daß ein solcher
Instinkt in der Auswahl des: Materiales eine höhere Komplikation aufweist, als die Verwendung
von Gegenständen, welche neben dem Bauplatze liegen, mögen dies nun Moos,
Sägespäne oder trockene Pflanzenteile sein1; um auswählen zu können, muß man wissen,
was nötig ist, man muß es verstehen, das Nötige zu finden, es auf irgend welche Weise
von den übrigen Gegenständen absondern, der Gegenstand muß herbeigeschafft und zu
diesem Zwecke passend bearbeitet werden u. s. w.
Ferner, ist. das Material bei den einsam lebenden Hymenopteren in den verschiedenen
Teilen des Baues nicht immer gleichartig. Sodann kommt es vor, daß die für den
Nestbau gewöhnlich verwendeten Blumen aus irgend welchem Grunde plötzlich fehlen und
durch ein anderes entsprechendes Material ersetzt werden müssen. So teilt F er ton2 von
Osmia lanosa mit, daß sie, wenn „les fleurs de Pavot viennent à lui manquer, tapisse ses
cellules avec des lambeaux de pétales jaunes de Glaucium luteum Scop.“ .
Bisweilen sind die Nachforschungen nach dem Materiale für den Bau mit einem bedeutenden
Aufwand von Kraft und Beharrlichkeit verbunden. So finden die „Hyménoptères
résiniers en Corse“ nach den Worten des gleichen Autors das von ihnen gesuchte Baumaterial
unter anderem in den „planches de Pin Laryx exposées à l’air sous forme de
portes, volets etc..............qui, plus de dix ans après avoir débitées, laissent suinter la résine
à travers la peinture“.
Eine derartige Tätigkeit erfordert offenbar bedeutend k om p liz ie r te re Ins tin k te
als die oben besch rieben^ . T ä t ig k e it bei der Wah l des M a te r ia le s se iten s
der Hummeln.
Was die Ve rwendung von A us sch e id un g en d.es O r g a n ism u s a ls B a u ma
te ria l betrifft, so habe ich hierzu folgendes zu bemerken: 1) kommt ein derartiges
Material auch bei e inig en einsam, leben den Bienen zur V e rw endung, indem die
einzelnen Teile des Baues damit befestigt werden oder dem Material selbst damit mehr
Halt gegeben wird; 2) spielt bei den Hummeln das Wachs dieselbe Rolle und 3) spricht
die ergiebigere Verwendung des Wachses für die Bauten, wovon in dem vorhergehenden
Kapitel die Rede war, nicht nur keineswegs zugunsten einer höheren Vollkommenheit und
einer größeren Kompliziertheit der Instinkte, * sondern weist im Gegenteile auf einen
Rückschritt der genannten Insekten in diesem Sinne hin, obgleich die Autoren ganz entgegengesetzter
Ansicht sind.
Es muß noch hinzugefügt werden, daß auch die A r c h i t e k t u r der Bauten bei
den einsam lebenden Wespen alles weit hinter sich läßt, was wir bei den „sozialen
Hymenopteren sehen.
Die Hummeln werden bei dieser Frage gewöhnlich nicht berücksichtigt: ihre Bauten
gelten als primitiv, und doch sind diese Bauten hinsichtlich ihrer Architektur schon aus
dem einen Grunde nicht weniger vollkommen, als diejenigen der Bienen z. B., weil sie
einèn mannigfacheren Chärakter aufweisen. — Seit die Bienenzéllè aufgehört hat als das
Produkt einer geheimnisvöllen Macht und raffinierten Berechnung zu gelten, (die seinerzeit
zu einer Korrektion der Logarithmentafeln beigetragen hat), ist aus diesem „Wunder der
Baukunst“ etwas sehr bescheidenes geworden : ein schablonenmäßiges Erzeugnis, dessen Anfertigung
nicht so sehr durch die Psychik, als durch die Gestalt und die Lage des Körpers
* Unter den Spinnen finden wir derartige Bauten mit ausgewähltem Materiale bei Agroeca in den wunderbaren
Nestern dieser Gattung ( „L ’industrie des Araneina“). . . ,
* C h . F e r t o n . Notes détachées sur l’instinct des Hyménoptères mellifères e t ravisseurs av ec la description de
quelques espèces. Annales d e la Só c . Entomologique de France. Vo l. L X X . 1901.