3. Die handförmigen Äste des Dorsalmuskels. Unmittelbar scheitelwärts vom Organ
zweigen zwei sich h an d förm ig v e rä s te ln d e Gruppen ungleich zarterer Muskeln ab,
die oral- und vorwärts verlaufen. Sie liegen dem Gallertkopf dicht' an, dessen vordere
Hälfte sie umspannen. Auch der oralen Einwölbung des Kopfes folgend konvergieren sie
zum „plumet“, um schließlich an der Crousta der großen Wimperzellen selbst anzusetzen.
Fig. i (Taf. I) zeigt eine dieser Fibrillen (MD. hdf.) in ihrem ganzen Verlauf; die übrigen
sind auf der Transparentblatt-Zeichnung ergänzt.
4. Die ringförmigen Äste des Dorsalmuskels. Endlich findet sich noch ein System
von drei oder vier Muskeln, die von den intermediären Ästen in senkrechter Richtung einzeln
und in gleichen Abständen voneinander nach vorne abzweigen. Sie verlaufen dicht dem
Gallertkopf anliegend in zueinander parallelen Kreisen, die nur rückwärts nicht geschlossen
sind, um g eb en a lso den G a l le r t k o p f wie e in e A r t R in gm u s k u la tu r (Fig. i
Transp. a, MD. rgf.). Fig. 12 (Taf. III) zeigt die Abzweigstelle eines solchen Muskels (MD. rgf.);
da der Schnitt aber nicht in der Ebene eines derselben geführt ist, sieht man mehrere hintereinander
liegende getroffen.
Außer den Refraktoren finden sich also zwei aufeinander senkrecht stehende in ihrer
Gesamtheit den Gallertkopf netzartig „umfassende“ Systeme, wie ich sie vorläufig
nennen will.
Funktion des bimförmigen Organs.
Aus der Anordnung der Muskulatur ergibt sich ohne weiteres die rein mechanisch e
F unktion des Gallertkopfes- (organe glandulaire, Barrois). Schon am Leben fällt die
ungeheure Beweglichkeit des Organs auf, das
fortwährend seine Form verändert und so weit
vorgestreckt werden kann, daß die für gewöhnlich
konkaven Flächen, die Wimperrinne und
die „fossette anterieure“, zu Konvexen werden
(siehe fjfext-Fig. IV). Im Extrem ist das unmittelbar
vor der Festsetzung der Fall, wobei
der das „plumet“ tragende Teil der „fossette“
wie eine Zunge hervorragt, die sogar ganz
selbständige Bewegungen auszuführen vermag.
All dies wäre überhaupt gar nicht denkbar
ohne die überaus sinnreiche Einrichtung einer
Art inneren Skelettes, wie es die Gallertzellen
darstellen, die vermöge ihrer offenbar gallertigknorpeligen
Konsistenz den Muskelkontraktionen
nachgebend, zugleich mit der Form des
Fig. IV. Das bimförmige Organ nach einem med. Schnitt.
Die Pfeile bedeuten die Richtung des Nahrungsstromes.
ganzen Kopfes auch die des wimpernden Epithels beliebig verändern können. Während, wie
schon oben erwähnt, der mediane und die in te rmediä ren Muskeln der R e trak tion
dienstbar sind, besorgen die beiden „umfas senden“ S ys teme die E xp u ls io n , und da
die beiden Gruppen sich direkt entgegenwirken, lassen sie alle Abstufungen zu. Überdies
wird die Richtung der Expulsion, und speziell die feinere Einstellung des plumet, durch die
Wirkung der handförmig verästelten Gruppe geregelt, wie sich aus deren Insertion unmittelbar
an der Crousta der großen Wimperzellen ergibt. Die mechanische Funktion des „organe
glandulaire“ ist zu augenscheinlich, als daß es nötig wäre, die meist mit Reserve ausgesprochenen
Meinungen anderer Autoren zu berücksichtigen. Wozu aber diese weitgehende
Formveränderlichkeit der wimpernden Epithelien? Wir müssen vor allem zwei deutlich verschiedenartige
Funktionen des Organs voneinander trennen, die erste während des Frei-
schwebens, die zweite während des Kriechens auf der Unterlage knapp vor dem Festsetzen.
Die Frage, ob das Organ während des Freischwebens Lokomotionsorgan sei, fällt von vorn
herein weg; denn erstens ist seine Bewegung am lebhaftesten, wenn das Tier an der Wasseroberfläche
still liegt, und zweitens erfolgt der wirksamste Schlag des Wimperbusches nach
der Rinne zu, gleichsinnig mit der Schwimmrichtung, also die Schwimmbewegung hemmend.
Aber gerade dieser Schlag des plumet, das hiebei an der Spitze gekrümmt bleibt, ist geradezu
eine „G r e ifb ew e g u n g " und dessen weite Vorstreckbarkeit zum Ergreifen entfernterer
Nahrungspartikel sehr günstig, die dann in die Wimperrinne gebracht, von dieser
weiter in .den Schlund befördert werden. Sollte es in Fig. 1 (Taf. I) den Anschein haben,
als würde durch Vorstülpung des Organs die Kommunikation zwischen dem vorderen Atriumabschnitt
resp. der Rinne und dem mittleren Atriumabschnitt unterbrochen werden, so beweist
die ebenfalls nach einem meiner Präparate gezeichnete Text-Fig. IV das Gegenteil. Gerade
durch äußerste Expulsion streckt sich die Rinne und führt direkt zum Schlund. Ob
dem plumet außerdem die Funktion zufällt, eine Auswahl zwischen den Nahrungspartikeln
zu treffen, ist fraglich; zweifellos als Sinnesorgan
fungiert es jedoch unmittelbar vor dem
Festsetzen.
Hiebei ändert sich zuerst die Art der
Fortbewegung, indem die Larve nicht mehr
schwimmt, sondern mit der Atriumöffnung
auf der Unterlage .aufsitzend mit Hilfe der
Corona-Wimpern eine Zeitlang umherkriecht,
wobei man sie bequem unter dem Mikroskope
beobachten kann. Hiebei ist die Fortbewegungsrichtung
geändert; während früher das
Scheitelorgan das vorgeschobene Sinnesorgan
war, so kriecht die Larve jetzt mit dem bimförmigen
Organ voran. Der schopftragende
Fig. V . Nach Beobachtung am lebenden Objekt konstruierter
Medianschnitt durch das bimförmige Organ
während des Kriechens au f d er Unterlage. Der Pfeil
bedeutet die Fortbewegungsrichtung.
Teil des Organs ragt wie eine Zunge unter
der Corona weit hervor (sv Text-Fig. V) und bewegt sich selbständig in der Ebene der
Unterlage hin und her. Der Schopf selbst führt dieselbe Bewegung aus, wie vorher bei der
Nahrungszufuhr, nur kann er natürlich nicht mehr bis in die Rinne hineinschlagenj weil die
Unterlage ihn daran hindert; und so klopft er mit dem hackenförmig gebogenen Ende auf
diese auf. Die ganze Bewegung erinnert jetzt frappant an die einer Ameise, die den Kopf
hin und her wendet und hiebei ihre Umgebung mit den Antennen „ b e ta s te t “ — und
als T a s to r g a n haben wir somit auch das bimförmige Organ hier aufzufassen. Es
scheint,, daß die Larve nach einer möglichst glatten Unterlage sucht, denn sie setzt sich
Zuologlca. Heft 47. 3