
sie gehören: ihre Verteidigung ist mehr passiver Natur: sie legen sich auf den Rücken
und warten, bereit mit dem Stachel zu stechen. Andererseits bin ich mehr als einmal von
Hummeln (Bombus lapidarius), deren Neste ich mich näherte, angegriffen worden, wenn
die Zahl der auf dem Nes te befindlichen oder in dessen Nähe h e rum flie g end en
Hummeln sehr bedeutend war. Näherte ich mich dem gleichen Neste zu einer Zeit, wo
auf dem Neste gar keine Hummeln saßen und in dessen Nähe nur zwei bis drei Arbeiterinnen
herumflogen, so kam es vor, daß sie keinerlei Anzeichen feindseliger Stimmung
an den Tag legten und überhaupt nicht angriffen.
Endlich erkennen wir* daß die Massenbewegungen der Hummeln (und anderer
„sozialer“ Insekten) eine Erscheinung darstellen, die ihrer psychologischen und biologischen
Bedeutung nach v o lls tän d ig id en tis ch is t mit den M a s s e n b ew e g u n g e n der
einsam lebenden Insekten. Diese Identität wird durch folgende Belege festgestellt:
a) Beide entstehen infolge a u s s c h lie ß lich p h y s isch e r E inw irk u n g der In d ividuen
aufeinander.
b) Beide können auf mathematischem Wege berechnet werden, indem sie von der
Anzahl im direkten Sinne dieses Wortes abhängig sind.
c) Diese wie jene (d. h. die Massenbewegungen der sozialen und der solitären Insekten)
stellen im Leben der betreffenden Tiere nichts absolut Notwendiges dar: die Massenangriffe
und -Verteidigungen können bisweilen, wie wir gesehen haben, nutzlos sein, wie
die oben beschriebenen Angriffe von Andrena; einzelne Individuen nehmen vielleicht kein
einziges Mal in ihrem Leben an solchen Massenbewegungen teil, obwohl sie zu solchen
befähigt sind.
Der ganze Unterschied zwischen beiden besteht nur darin, daß die „sozialen“ Insekten,
indem sie miteinander leben, öfte r physisch aufeinander einwirken können und daher
häufiger zu „Massen“-Bewegungen bereit sind.
Zum Beschlüsse des Themas über die Massenbewegungen der Insekten und die Einwirkung
der Masse auf das Individuum überhaupt noch eine Bemerkung. So groß die
Ähnlichkeit zwischen den Massenbewegungen der gesellig lebenden und denen der einsam
lebenden Insekten ist, so bedeutend unterscheiden sich diese beiden von den analogen Bewegungen
höherer Tiere. Dasjenige Merkmal, worauf dieser Unterschied in erster Linie
beruht, ist die Befähigung der höheren Tiere zur Nachahmung: solche -fehlt den Insekten
unbedingt.1
K a p i t e l VI.
Über die „gemeinsame“ Tätigkeit der Hummel-„Familie“ bei deren Übersiedelung
von einem Orte nach einem anderen.
Die Übersiedelung ist bei den Hummeln stets die Folge einer Zerstörung ihres Nestes
durch äußere oder innere Feinde (Parasiten); unter normalen Lebensbedingungen bleiben
die Hummeln in dem Neste, welches sie einmal angefertigt haben.
' Die F ra g e über die verschiedenen Arten der Massentätigkeit innerhalb der Ansammlung, des A g g re g a te s , der
Herde und der Menge d e r menschlichen Gesellschaft erw eist sich als so kompliziert, daß ich .es nicht für möglich halte,
dieselbe in vorliegender Abhandlung zu berühren, und ich verweise D iejen igen , die mit dieser F ra g e bekannt werden
wollen, au f meinen Aufsatz „D ie Biologie und Psychologie der Menge“ (russ.).
Die Übersiedelung kann bei den Hummeln auf zweierlei Weise erfolgen: entweder mit
der Königin, wenn letztere am Leben geblieben ist, oder ohne Königin, wenn diese zu Grunde
gegangen ist.
A. Die Übersiedelung ohne Königin.
Ich habe bereits oben erwähnt, daß die Hummelnester massenweise von Füchsen zerstört
werden. In den meisten Fällen wird das Volk dabei in Solchem Grade dezimiert, daß
Seine Lebenstätigkeit gänzlich aufhört. Sogar Ende Juli, wo der Schwarm am stärksten zu
sein pflegt, kann man auf den Trümmern eines zerstörten Nestes nur noch zwei bis drei herumirrende
Individuen antreffen, die augenscheinlich nicht im Neste übernachtet hatten und
erst nach der Katastrophe in dasselbe zurückgekommen waren. Es kommt jedoch auch vor,
daß ein Hummelvolk nicht gänzlich vertilgt wird. In solchen Fällen kann der Fuchs am
nächsten Tage wieder zu dem Neste zurückkehren, wie ich dies an einem Neste von
B. terrestris, welches am 27. Juli von einem Fuchse teilweise zerstört worden war, beobachtet
habe; dieses Nest fand ich am folgenden Tage vollends zerstört, und von
seiner am Tage zuvor noch ziemlich zahlreichen Bevölkerung war nur eine einzige Arbeiterin
übrig geblieben^S Kehrt jedoch der Fuchs, nachdem er ein Volk von Hummeln nur zum
Teile vernichtet hat, nicht wieder zu dem Neste zurück, so machen sich die am Leben gebliebenen
Hummeln an die A u s b e s s e r u n g des Nestes. Eine solche bietet ganz besonderes
Interesse dar.
Fig. 119. F ig. 120.
Auf der Fig. 119 ist ein Schnitt durch ein Nest im ursprünglichen Zustande und nach
dessen Ausbesserung dargestellt. Das ursprüngliche Nest Nx befand sich in dem Erdhümpel co,
der von einem Fuchse teilweise; und zwar in der durch den Buchstaben n. bezeichneten
Ausdehnung, zerwühlt worden war. Die am Leben gebliebenen Hummeln begannen das
Nest zu reparieren. Sie sammelten das zerstreut herumliegende Baumaterial und brachten
es nach der früheren Stelle, wo auch einige Stücke von Waben übrig geblieben waren, beschränkten
sich jedoch nicht auf diese Arbeit: &ie legten außerdem eine Vertiefung in der
Erde (m.m.m) an, welche sie ganz mit demselben herbeigeschleppten Materiale anfüllten, so
daß das Nest N2 ein ganz neues Bild darbietet. Es waren nicht mehr eine, sondern zwei
Höhlungen, Nx und N* vorhanden, welche beide mit einer ziemlich lockeren Masse vegetabilischen
Materiales angefüllt waren. — Die neue Abteilung des Nestes hatten die Hummeln
vor allem natürlich aus dem Grunde angelegt, weil das Licht, so schwach es auch sein
Zoologlca.. Heft 46. ' 2 0