Die überwinterten Weibchen bauen ihre Nester im Frühjahre; die jungen Weibchen
schlüpfen gegen das Ende des Sommers aus. Wie konnten nun diese letzteren Kenntnisse
im Nestbau erlangen, da sie doch weder gesehen hatten, wie ein Nest gebaut, noch wie
es ausgebessert wird? Woher konnten sie Erfahrung gewinnen, da doch die ungeheure
Mehrzahl aller Weibchen sich nur ein einziges Mal in ihrem Leben ein Nest baut? Die
Annahme, das Weibchen sei schon dadurch, daß es in einem fertigen Neste lebt, befähigt,
dessen Architektur und Einrichtung kennen zu lernen, wäre absurd.
Denn während seines Lebens im fertigen Neste könnte das Weibchen nur dasjenige in
der E r in n e ru n g b eh alten und dementsprechend im gegebenen Momente natürlich nur
dasjenige ausführen, was seinem Erfassungsvermögen auf irgend welche Weise zugänglich
werden konnte, d. h. die allgemeine Form des Nestes, dessen oberflächliche Schicht samt
der Zusammensetzung des Materiales, aus welchem sie besteht, die der äußeren Schicht anliegende
Schicht des inneren Nestes, die allgemeine Gestalt dieses letzteren und den darunter
befindlichen Teil der basalen Schicht. Die Verteilung des Materiales in der Masse
des äußeren Nestes, den Plan und die Ausführung der Arbeiten u. s. w. kann das Weibchen
dagegen nicht kennen, da es in die erstere nie hineingelangt, bei den letzteren nicht
zugegen ist. Dabei ei weist sich aber, daß es gerade dasjenige ausführt, was es nicht kennen
kann und was es nie gesehen hat, während es gerade dasjenige, was es gesehen hat, nicht
reproduziert.
Das Weibchen sieht nämlich die a llg em e in e G e s ta lt des Nestes, allein es sieht dasselbe
anders, als wie es, von dem Mutterweibchen angelegt wurde und als es selbst es seinerzeit
ausführen wird, indem die ursprüngliche Gestalt des Nestes durch die Arb eitsh ummeln
mit der Zeit a b g e än d e r t wird; anfänglich flach und abschüssig angelegt, kann das Nest
zur Zeit des Auskriechens der jungen Weibchen aus den Zellen hoch und gewölbt werden.
Hierdurch wird natürlich auch der Umstand erklärt, daß es im Frühjahre und im Frühsommer
schwerer ist, ein Hummelnest zu finden, als gegen das Ende des Sommers hin;
im Frühjahre ist das Nest kleiner, als es Ende Juni und im Juli sein wird, wo es von den
Arbeiterinnen ^überbaut worden ist. Der Ausbau erfolgt aus dem Grunde, weil mit der allmählichen
Vergrößerung der Waben, wie wir sehen werden, auch eine allmähliche Vergrößerung
des inneren Nestes vor sich geht, und mit der Ausdehnung dieses letzteren das
äußere Nest sich auseinanderschiebt und die Kuppel anfängt durchscheinend zu werden; das
Licht reizt die Arbeiterinnen, welche die Lücken mit dem in der Nähe liegenden Materiale
ausbessern S und das Nest wächst, indem es seine Gestalt immer mehr und mehr verändert.
Hieraus geht hervor, daß junge Weibchen, welche am i. Juli ihre Zelle verlas$en,
in der oberflächlichen Schicht des äußeren Nestes dasjenige Material und diejenige Anordnung
desselben erblicken, wie es von den Arbeiterinnen gesammelt und angeordnet wurde,
während sie selbst ihr Nest im kommenden Frühjahre anders und aus anderem Materiale
erbauen werden, selbst dann, wenn sie ihren Bau an derselben Stelle anlegen würden, wo
sie das Licht der Welt erblickt haben.
Das Weibchen sieht die dem äußeren Neste anliegende Schicht des inneren Nestes
nicht, und legt dieselbe durchaus nicht in derselben Weise an, wie dies von den Arbeitern
zu der Zeit geschieht, wo die jungen Weibchen zur Welt kommen.
Das Weibchen sieht die allgemeine Form des inneren Nestes am Ende des Sommers,
verfertigt sie.: aber so, wie sie am Anfänge des Sommers zu sein pflegt, d. h. so wie sie
es niemals ge seh en hat, indem die Gestalt des inneren Nestes, sich unaufhörlich verändert
und am Ende des Sommers durchaus von dem verschieden ist, was es am Anfänge
desselben gewesen ist, u. dergl. m.
Andererseits befolgt das Weibchen genau den Plan in der Anordnung der Schichten
des Nestes und führt gerade diejenigen Einzelheiten des Baues in vollkommener Weise aus,
welche es niemals zu Gesichte bekommen hat.
b) Die Architektur des äußeren Nestes bei den unterirdischen Hummeln.
Ich habe bereits erwähnt, daß bei den Hummeln, welche ihr Nest unter der Erde
bauen, dessen äußerer Teil viel einfacher eingerichtet ist, als bei den oberirdisch bauenden
Hummeln. Die Höhlung, welche von den Hummeln unter der Erde für den Bau des Nestes
angelegt wird und deren Wandungen eigentlich das äußere Nest repräsentieren, erreicht
bis zu 18 cm im Durchmesser; diese Höhlung wird sehr regelmäßig und sorgfältig angelegt.
Ein Flugloch, welches bei den oberirdisch bauenden Hummeln einen Bestandteil des
Nestes ausmacht, wird hier gar nicht angebracht
(im inneren Neste dagegen ist ein solches
vorhanden); es wird hier durch das fertig Vorgefundene
Mäuseloch dargestellt, in dessen
Verlaufe die Hummeln in einer gewissen Tiefe
ihr Nest angelegt haben. In einigen Fällen
dient übrigens ein von dem Weibchen selbst
angelegter Gang als Flugloch; ich habe dies
in denjenigen Fällen konstatiert, wo das Nest
an dem Überwinterungsorte des Weibchens
angelegt wurde. Solche Nester habe ich bei
B. lapidarius beobachtet.
Fig. 19. Cö. — Erdhügel; N — Nest von Bonibus terrestris;
O — F lu g lo ch ; tu, — Abschnitt des Mäuseloches, der von
den Hummeln in den Gang zum Nest verwandelt w u rd e ;
tu2 — Abschnitt des Mäuseloches, der von den Hummeln
nicht verwendet wu rd e ; a—b Höhe, c— d Breite des Nestes.
In folgendem gebe ich die Beschreibung des Nestes von B. terrestris, dessen Architektur
in allgemeinen Zügen in der Fig. 19 dargestellt ist. o bezeichnet die Eintrittsöffnung
des Nestes, welche gleichzeitig als Eingangs- und vielleicht auch als Ausgangsöffnung für
den Mäusebau (tux und tu2) gedient hat, dessen sich die Hummel zur Anlage ihres Nestes
auf eine gewisse Ausdehnung vom Eingänge an gerechnet bedient hat, und zwar unmittelbar
unter dem Gipfel des Hümpels (C o), in einer Tiefe von 27 cm. Dieses Nest besitzt,
wenn die Hummelfamilie ihre volle Entwicklung erreicht hat, die Gestalt einer fast regulären
Kugel ab cd. Die Erdarbeiten 'Sind, was ihre Ausführung betrifft, von tadelloser
Qualität; die Wände sind fast ganz glatt und vollständig gleichmäßig abgerundet.
Die Tiefe, in welcher die Nester dieser Hummeln angelegt werden, schwankt von
14 bis 68 cm. Tiefen, welche diese Grenzen überschreiten, habe ich nie angetroffen. Diese
Schwankungen sind die Folge davon, daß die Hummeln den Neigungen der Mäuselöcher
folgen; der Unterschied in dieser Hinsicht beruht, wie ich bereits weiter oben bemerkt habe,
nur darauf, daß die einen Arten Gänge mit stärkerer Neigung, andere Arten solche mit
geringerer Neigung bevorzugen.