Das gesamte ventrale Gebiet der Lunge muß mit Rücksicht auf die Art der Verästelung
in zwei Teile geschieden werden — einen vorderen und einen hinteren —, deren Grenze
die Eintrittsstelle des Hauptbronchus in die Lunge im Verein mit dem Bronchus caudalis
bildet. Bemerkenswert ist schließlich noch, daß der vordere Abschnitt vornehmlich von großkalibrigen
Ästen beherrscht wird, während im Bereiche des hinteren das für die Vogellunge
charakteristische Lungenpfeifensystem zur Ausbildung gelangt. (Siehe Fig. 5.)
c. Dorsales Bronchialsystem
(Siehe Taf. Fig. 1 u. 6.)
Von der intrapulmonaren Portion des Hauptbronchus aus gehen eine Anzahl fast
gleichweiter Bronchien zur dorsalen Lungenfläche, welche mit ihren meist parallel verlaufenden.
Kanälen die mediale Lungenhälfte ausfüllen. Ich bezeichne sie als B ron ch i d o rsale s
(Ektobronchien Gadow 1890, p. 36, bronches costales Sappey). Ihre Zahl schwankt normalerweise
zwischen 6 und 10.. (Siehe Tabelle 1—3, pag. 16— i8 .g Sie entspringen von der
medio-dorsalen Wand des Mesobronchium, und zwar die beiden obersten vom Vestibulum
selbst, während die nachfolgenden im Hauptbronchus wurzeln. Auf der dorso-lateralen
Lungenhälfte ist ferner ein gleichkalibriges und netzartig verbundenes Kanalsystem erkennbar,
welches dadurch entstanden zu denken ist, daß die aus dem Lungeninnern hervortretenden
Lungenpfeifen unter sich und mit sämtlichen umliegenden Bronchien Anastomosen eingegangen
sind. Mithin kann auch hier auf der'.Dorsalseite ein gröberes und ein feineres
Verästelungssystem unterschieden werden, das aber nicht |g| wie ventralwärts — auf der
vorderen und hinteren, sondern auf der inneren und äußeren Lungenhälfte ausgeprägt ist.
Die von den Ventralbronchien ausgehenden Verzweigungen verstreichen, wie bereits
angeführt wurde, größtenteils zur dorsalen Lungenseite. Wir können bei Betrachtung der
Dorsalfläche deutlich wahrnehmen, wie die Ventraläste nach Erreichung des Lungenrandes
umbiegen und nun direkt in die ihnen entgegenkommenden Ästchen der Bronchi dorsales
übergehen. Die letzten Ausläufer der Bronchien besitzen überdies eine meist gleiche Kaliberstärke,
welche im entsprechenden Einzelfall dem Lumen der zugehörigen Lungenpfeifen
entspricht. (Siehe auch Tafel IV— V.)
d. Lungenpfeifensystem.
(Siehe Taf. I, Fig. 7 u. 8.)
Das Luiigeninnere wird von zahlreichen gleichweiten Gängen durchsetzt, welche von
den intrapulmonaren Bronchien allseitig, von den oberflächlich verstreichenden einseitig abgehen.
Nur der Hauptbronchus selbst macht von dieser Regel eine Ausnahme, indem er
erst nach Erweiterung zum Vestibulum nur von seiner dorsalen Wand aus mit den Kanälen
anastomosiert, seine mediale und ventrale Wand hingegen stets geschlossen bleibt. Sie sind
unter dem Namen Lungenpfeifen bekannt (Parabronchia Huxley 1875 pag. 36, cannaux ter-
tiaires Cuvier, Bronchial tubes Rainey, canaliculi aeriferi Schulze 1871 p. 36). Ich bezeichne
sie als B ron ch i fis tu la r ii. (Siehe Taf. 1, Fig. 7.) Unter rechtem Winkel ziehen dieselben
meist parallel angeordnet von außen und oben nach innen und unten der Lunge hin. Sie
bilden größtenteils die vermittelnden Kanäle zwischen der dorsalen und ventralen Lungenoberfläche
sowie die Verbindungsbrücken des hinteren medialen und distalen Lungenrandes
und werden ungefähr in der Mitte der Lungensubstanz durch Seitengänge, die sämtlich in
einer Ebene liegen und das Lumen der Pfeifen besitzen, miteinander vereinigt.
Meine Schilderung vom gröberen Bronchialbaüm der Vögel mag den bisherigen
Mangel einer eingehenden Darstellung ersetzen. Außer von Gadow (1890) und Max Baer
(1896) sind genauere Beschreibungen desselben nicht geliefert worden. Selbst die Angaben
der letzteren haben das Gebiet noch nicht erschöpft, und noch weniger wurden vergleichendanatomische'
Untersuchungen auf dieäe interessanten Organe ausgedehnt, so daß ich hier
noch ein dankbares Feld der Forschung vorfand.
Kap ite l 4.
Blutgefäßsystem,
(Siehe Taf. I, Fig. 9, 10 u. if .) .
Mit dem speziellen Studium der Lungengefäße habe ich mich nicht eingehend befaßt.
Da ich indessen von einigen Gefäß injektionen mehrere brauchbare Präparate erhielt,
so möchte ich die Befunde nicht unerwähnt lassen. Bevor ich dieselben hier anführe, will
ich die Worte Max Baers (1896, pag. 36), welche auf die Blutwege Bezug nehmen, citieren:
„Die Arteria und Vena pulmonalis sind relativ sehr stark, die letztere nur einfach
vorhanden. Beide verästeln sich im gemeinschaftlichen Verlauf dichotomisch, ohne an die
Bronchien gebunden zu sein, und lösen sich in außerordentlich zahlreiche Endverzweigungen
pinselförmig auf.“
Auf meine Resultate übergehend, weise ich auf folgendes hin: Die Arterie tritt etwas
seitwärts und vor dem Mesobronchium in die Lunge ein und teilt sich kurz darauf in
zwei Hauptstämme; welche die rfiedio-craniäle und latero-caudale Lungenhälfte mit Blut
versorgen. (Siehe Taf. IV, Fig. 8.) Der erste vorn abbiegende Ast verstreicht nach dem
medialen Lungenrande und gibt auf seinem Wege allmählich schwächer werdende Äste in
immer kürzeren Zwischenräumen ab. Der zweite kräftigere Ast bildet die Fortsetzung des
eigentlichen Hauptstammes und verläuft caudalwärts zum mittleren hinteren Lungengebiet, in
welchem er sich in zahlreiche allseitig abgehende Zweige, auflöst. An seiner Basis gibt er
einen kräftigen Kanal ab, welcher von der Wurzel des Hauptbronchus und längs dessen lateraler
Wand bis zum lateralen hinteren Lungenrand verstreicht. Derselbe ernährt hauptsächlich
den seitlich vom Mesobronchium gelegenen Lungenabschnitt.
Die feinere Verzweigung der Pulmonalis geht mit großer Regelmäßigkeit vor sich,
indem die in immer kürzeren Zwischenräumen radiär abgehenden Nebenäste sich wiederholt
dichotomisch teilen, bis die letzten Ausläufer pinselförmig oder büschelartig dicht gedrängt
in das Blutkapillarnetz übergehen. (Siehe Taf. I, Fig. 9, 10, n , Taf. V die Korrosionspräparate
der Pulmonalis.)