sozialen Insekten zu der Evolution der Geselligkeit im Tierreiche? Es gibt hierauf nur die
eine Antwort: jenes Zusammenleben steht in keinerlei Beziehung zu dieser Evolution und
hat mit ihr absolut nichts zu tun.
In den nachfolgenden Kapiteln werde ich eingehende Betrachtungen mitteilen, welche
den in der obenstehenden Tabelle ausgedrückten Gedanken bestätigen.
K a p i t e l V.
Das Zusammenleben der „sozialen Insekten“
repräsentiert eine spezielle Form der Symbiose, mit dem Charakter
eines deutlich ausgesprochenen Parasitismus.
Was s te llt das „Zusammenleben“ der sogenannten „soz ialen “ Insekten,
als b io lo g is ch e O rg an isa tion b e t r a c h te t , dar?
Indem ich die oben dargelegten Angaben berücksichtige ,#4?|d. h. den Polymorphismus
der zusammenlebenden Individuen, das Fehlen eines mütterlichen Instinktes, endlich
die absolute Unfähigkeit zur Nachahmung und zu gegenseitigen Mitteilungen durch Hilfsmittel,
wie sie diese Fähigkeit bei den Individuen einer Herde und einer Gesellschaft charakterisieren
— komme ich zu dem Ergebnisse, daß das Zusammenleben der sogenannten
sozialen Insekten weder eine Familie, noch eine Herde, noch eine Gesellschaft und noch
weniger ein Staatenwesen genannt werden darf.
A b e r was s te llt denn die ses Zusammenleben dar?
Es ist eine sp e z ie lle Form der S ym b io s e , d ie den C h a r a k t e r e in e s
d eu tlich ausg e sp ro ch enen P a ra s it ism u s zur Sch au trägt.
Ich begründe diese meine Behauptung durch folgende Erwägungen: •
1) Der Polymorphismus der zusammenlebenden Individuen; dieser Umstand ist bereits
weiter oben erwähnt und seine Bedeutung besprochen worden, weshalb ich mich bei diesem
Gegenstände nicht länger aufhalten werde.
2) Den Ausgangspunkt in der Phylogenie der „^sozialen Insekten“ bilden Formen,
welche parasitische Instinkte besitzen und sich parthenogenetisch fortpflanzen, und zwar sind
dies keine zufälligen und vorübergehenden Merkmale, sondern obligatorische und beständige.
3) Die außerordentliche Fruchtbarkeit der Weibchen, die für einen parasitischen
Charakter des Wesens der „Gemeinde“ spricht.
4) Die Reduktion vieler Instinkte bei den „sozialen“ Insekten im Vergleiche mit
den einsam lebenden Insekten.
5) Die Reduktion des Nervensystemes der Weibchen und Männchen gegenüber dem
der einsam lebenden Bienen.
6) Die Reduktion einiger morphologischer Merkmale.
Untersuchen wir nunmehr einen jeden dieser fünf letzten Punkte einzeln.
2) Den A u sg an g sp u n k t in der P h y lo g en ie der Bienen b ild en , wie d ie s
durch w is s en s ch a ft lich n ach g ew ie sen e T a ts a ch en e r h ä r t e t w ird , F o rm en ,
we lche durch p a r a s it is ch e In s tin k te und d u r c h P a r th e n o g e n e s e g e k e n n ze
ich n et sind, und zwar die G attun g en Sphecodes und Halictus.
Die Phylogenie der Hymenopteren ist bereits von vielen Autoren festgestellt worden;
die in chronologischer Reihenfolge allerletzten Versuche, diese Frage zu lösen, finden wir
bei F r ie se und v. Buttel-Reepen.
Die von F r ie se aufgestellte Tabelle: setzt sich aus zwei Gruppen zusammen, von
denen die eine alle Gattungen von Bienen umfaßt, w e lc h e d ie V o r r ä te mit den
B e in e n e in s am m e ln (Beinsammler), die andere dagegen diejenigen Gattungen, welche
mit dem Bau ch e ein sammeln (Bauchsammler). Die höchsten, letzten Stufen in der
Gruppe der Bauchsammler nehmen nach dem genannten Autor die Gattungen Osmia,
Chalicodoma u. a. m. ein, während die Gattung Prosopis deren Ausgangspunkt bildet.
Unter den höchsten Vertretern der Bein sammler finden wir die Gattungen Bonibus
und Apis. Es ist nun meiner Ansicht nach sehr lehrreich, daß F rie se als den A u s g
an gspu n k t der g en e a lo g is ch en Re ih en in die ser le tz teren Gruppe die G a ttungen
Sphecodes und Halictus ansieht. Und was stellen denn diese Bienen dar?
Was die Gattung Sphecodes betrifft, so sind dies nach P. M arch al, F e rton, Alf-
ken, B re iten b a ch , von B u tte l-R e ep en u. a. m. entweder echte Parasiten, oder aber
Formen, welche nahe daran sind, es zu werden, v. B u t t e l-R e e p e n hält die eirstere Annahme,
d. h. daß Sphecodes ein echter Parasit sei, für die richtigere. F rie se vermutet,
daß hier „entweder ein symbiotisches Verhältnis vorwalten möge, oder daß wir es mit der
eben erwähnten Möglichkeit zu tun haben, nämlich mit einer Art, die sich in einigen
Gegenden dem parasitären Leben zuwendet.“ Smith führt Beobachtungen an, aus welchen
hervorgeht, daß Sphecodes kein Parasit ist. Andererseits konstatieren einige französische
Forscher in Bestätigung der parasitischen Lebensweise dieser Bienen, daß erbitterte Kämpfe
zwischen Sphecodes und den Inhabern des Nestes stattfanden, indem erstere dieses Nest für
ihre Zwecke benutzen wollten. Allerdings ist darauf erwidert worden, daß ein echter Parasit
angeblich niemals kämpfe, allein dies beruht auf einem Irrtum: Psithyrus ist ein echter und
zweifelloser Parasit der Hummeln (in der allgemein angenommenen Bedeutung dieses Begriffes)
und doch hat bereits E d .H o ffe r bestätigt, daß sich zwischen dem Hummelweibchen
und Psithyrus häufig ein richtiger und andauernder Kampf entspinnt, der solange an-
däuert, bis ersteres sich entweder endlich davon überzeugt, daß sein Widerstand umsonst
ist, worauf es sich dem Eindringling unterwirft, oder aber bis es. im Kampfe zu Grunde
geht. Ich selbst habe mehr als einmal Gelegenheit gehabt, mich von der Richtigkeit dieser
Beobachtung zu überzeugen. — Unter Berücksichtigung aller dieser und anderer Beobachtungen
und Ansichten neige ich zu der Annahme, daß Sphecodes keine parasitische
Form repräsentiert, da sie Vorrichtungen an den Beinen zum Einsammeln von Nahrung besitzt,
wohl aber eine Form, welche eine Tendenz zum Parasitismus an den Tag legt, und bereit
ist, zu einem Parasiten zu werden, sobald sich nur die Gelegenheit dazu bietet.
Was nun die Gattung Halictus betrifft, welche als Ausgangspunkt in der Phylogenie
der „sozialen“ Insekten betrachtet und von einigen Forschern (wie z. B. v. Buttel-Reepen)
den Hummeln nahegestellt wird, so können wir in Anbetracht der Beobachtungen von
F a b r e 1 und F r ie se die Parthenogenese bei Halictus als festgestellte Tatsache hinnehmen,
trotz der Einwände von P é re z in dessen Buche „Les Abeilles“ .
J. H, F a .b r e ¡ Etudes sur la parthénogénése des Halictus. Ann. Sc. Nat. 9® sér. t. IX.