Begattung anbelangt, so kriechen die Männchen einer jeden Art ohne Unterschied auf jedes
beliebige Weibchen. Ich setzte in einem Terrarium zu einem .Weibchen! von Bombus terrestris
Männchen verschiedener Arten, wobei die letzteren alle, ohne Ausnahme,, sich bemühten, das
Weibchen zu begatten, wobei sie sich gegenseitig fortdrängten;, das Weibchen verhielt sich
seinerseits allen Männchen gegenüber ganz gleichmäßig.
Die Resultate einer solchen Kreuzung kennen zu lernen ist außefordentlichifehwierig.
Wenn man jedoch in Betracht zieht, daß dieSlim'Frühjahre eine v iii ärmere Auswahl an
verschiedenen Formen und Farben darbieten als wir d iÄ b e i ihnen im Verlaufe dès Sommers
beobachten können, so kann man wohl die Vermutung aussprechen, daß die Bastarde
weder überwintern, noch eine Nachkommenschaft erzeugen.
Nichtsdestoweniger kann ihr Vorhandensein wohl kaum bestritten werden, wie auch
kaum bestritten werden kann, daß derartige Kreuzungsprodukte bei: der Bildung neuer Arten
eine Rolle gespielt haben; eine bedeutend dankbarere Aufgabe für das Studium dieser
Bastarde, in einer Richtung nämlich, welche geeignet wäre, einige Wechselbeziehungen
zwischen wirklich gestehenden Arten aufzuklären, ist jljijoch meines Wissens noch von nie-
mandem in Angriff genommen worden.
Eine andere Ursache des Polymorphismus der Hummeln liegt vielleicht ik jener
fehlenden Übereinstimmung (désaccord)’ Zwischen dem durch di¥ herbstlichen Bedingungen
der Umgebung differenzierten Keimplasma und den Frühjahrsbedingungtsh, welche March ai
für die Grundbedingung des geschlechtlichen und sozialen Di- und Polymorphisiiiijs hält. Ist
die Frage, inwiefern dieses Prinzip in den angeführten Fällen Gültigkeflhat, noch unentschieden,
so wird man jedenfalls kaum berechtigt sein, in dein Polymorphismus ièir Hummeln,
welcher sowohl durch deren launenhafte Polychromie als auch durch ihre zahlreichen
Varietäten zum Ausdrucke gelangt, eine große Unbeständigkeit des Keimplasmas sowie des
somatogenen Plasmas dieselftffere bestreiten zu wollen.
Genau dem gleichen Polymorphismus, wie wir ihn bei den verschiedenen Arten von
Hummeln in Bezug auf morphologische Eigenschaften finden, begegnen wir auch in ihren
Instinkten, welche daher, wie wir aus den wejteren Ausführungen erkennen werden, für die
Klassifikation dieser Insekten sehr wenig Anhaltspunkte geben.. Zur Erläuterung des soeben
Gesagten möchte ich ein Beispiel anführen, auf welches zurückzukommen ich gegebenen
Ortes Gelegenheit haben werde. Betrachten wir die nachstehend aufgezählte Reihe von
Nestern A, 3 jgPP|u Sj E (Fig. i).
A8|Das Nest. (N|! befindet sich unter der Erde und ist in gewisser Tiefe in einem,
an einer Stelle erweiterten Mäuseloche angelegt.
B. Ein ebensolches Nest (N), welches jedoch näher an der Erdoberfläche liegt.
C. Das Nest (N), in einer natürlichen kleinen Vertiefung verborgen, jedoch so, daß
es eben sichtbar ist.
D. Das Nest (N) befindet sich in einer natürlichen Vertiefung und sein ganzer äußerer
Teil ist von oben zu sehen.
E. Die Vertiefung ist gering; das Nest ist von oben, sowie zum Teile auch von den
Seiten zu sehen.
F. Das Nest liegt ganz frei.
Ziehen wir in Betracht, daß der zum Bau eines äußeren Nestes erforderliche Instinkt
komplizierter ist, als derjenige für den Bau eines Nestes in einer fremden Erdhöhle (in
welcher die Anbringung eines Nestes nur eine Erweiterung der Höhle an der betreffenden
Stelle nötig machte, während ein äußeres Nest sowohl die Herbeibringung bedeutenderen
Baumateriales als auch eine vollständigere Architektur erfordert und außerdem so eingerichtet
sein muß, daß es vor den Äugen der zahlreichen Feinde verborgen bleibt u. s. w.),
so könnten wir diese Reihe als von A bis F ansteigend ansehen, und auf Grund derselben
diejenigen Hummeln einteilen, deren Nester irgend ein Stadium dieser Reihe repräsentieren.
Es erweist sich jedoch, daß Bombus la-pidarius fü r sich a lle in nicht nur Bauten a lle r
d ie ser T yp en , sondern, wie wir später sehen werden, außerdem noch andere Bauten aufführt.
Ein wahrhaft ..erstaunlicher Fall von Polymorphismus des Instinktes! Ebenso verhält es
sich mit vielen anderen Instinkten. Dies sind die Tatsachen, welche uns von allem Anfänge an
zwingen, jede Hoffnung darauf aufzugeben, in der Systematik der Hummeln feste und unveränderliche
Züge für die Aufklärung der Biologie dieser Insekten zu finden und umgekehrt
aus dem biologischen Kriterium geeignete Angaben für die Systematik derselben,
in derjenigen Gestalt und mit einer so grossen Anzahl von Arten, wie sie gegenwärtig besteht,
zu schöpfen. Es unterliegt natürlich keinem Zweifel, daß diese Unmöglichkeit, die
morphologischen und biologischen Kriterien zur Anordnung der bestehenden Gruppen in
genetische Reihen, unter gegenseitiger Vergleichung und Ergänzung, heranzuziehen, nicht
etwa als ein Beweis für die Unzulänglichkeit dieser Kriterien selbst, die genealogischen Beziehungen
der Hummeln untereinander aufzuklären, sondern nur für den ungenügenden Stand
der wahren Kenntnisse von diesen und jenen anzusehen ist. •
Wie dem auch sei, so trägt doch die Systematik der Hummeln, nach den Ergebnissen
ihres gegenwärtigen Standes, für meine Ziele — die Aufklärung der Biologie der Hummeln
— zu wenig bei, als daß es sich lohnen würde, länger bei ihr zu verweilen; das
Wenige, was man in diesem Sinne dürfte verwenden können, werde ich an geeigneter Stelle
verwerten.
Es erübrigt noch zu erwähnen, daß in Anbetracht des oben Gesagten den hauptsächlichsten
Gegenstand meiner Studien nur folgende Hummelarten bildeten: Bombus terrestris,
B. lapiäarius, B. muscorum, B. sylvarum Walck.