Fragen steht noch offen. Einstweilen kann man nur annehmen, daß die uns gleichartig
erscheinenden Gegenstände in Wirklichkeit verschieden sind, und daß dieser Unterschied
durch die Sinnesorgane der Insekten mit Leichtigkeit festgestellt wird: dann können diese
Gegenstände auch verschiedene, für jeden gegebenen Fall passende Reaktionen hervorrufen.
Was die Art und Weise betrifft, wie die Larven mit Honig (Drohnen) und Brei
(Weibchen) gefüttert werden, so ergibt sich aus meinen Beobachtungen, daß sowohl der
Honig als auch der Brei den Larven in folgender Weise verabreicht wird: die Hummelarbeiterinnen
stecken ihren Rüssel durch die dünne und zarte Wachshülle der Larvenzelle,
ohne dabei natürlich auch die geringste Vorstellung davon zu haben, was sich hinter dieser
undurchsichtigen Scheidewand befindet, und füttern die einen Larven „blindlings“, während
sie anderen soviel Nahrung abladen, daß sie
davon allseitig umspült werden. Die Fig. 70
stellt den Moment dar, wo „männliche“ und
„weibliche“ Larven von einer Hummelarbeiterin
Zfr- in solcher Weise „blindlings“ gefüttert werden
(lar — Wand der Larvenzelle, la JH Larve).
Diese Tatsache, in Verbindung mit dem Umstande, daß die Pflege der heran wachsenden
Generationen mit dem Momente auf hört, wo sich die Vertreter dieser Generationen
außerhalb der Kokons sehen lassen, d. h. gerade zu der Zeit, wo den Hummeln die Möglichkeit
geboten wird, „ihresgleichen in ihnen zu erkennen“, und daß diese Pflege nur so
lange andauert, als die Hummeln nicht die geringste Idee davon haben, was und für wen
sie arbeiten, — alle diese Tatsachen geben schon eine Vorstellung vom Wesen jener
Psychologie, mit der wir es hier zu tun haben. Um jedoch die psychologische Natur der Hummeltätigkeit,
soweit im vorliegenden Kapitel von ihr die Rede war, und die von den Autoren
für eine Offenbarung der S o rg e der „so z ia len “ Insek ten um ih re Nachkommens
c h a f t “ angesehen wird, vollkommen klarzustellen, ist noch zweierlei erforderlich. Es muß
1) bewiesen werden, daß die gesamte mit die ser P fle g e v erbund ene T ä t ig k
e it der Hummeln eine in s t in k t iv e ist, d. h. daß sie weder von Anweisungen noch
von Erfahrungen abhängig ist ;, x
2) werden die mit der Vernichtung der Eier und Larven durch die Arbeitshummeln
in Verbindung stehenden Tatsachen zu besprechen und abzuschätzen sein.
Daß die mit der P fle g e der N a ch k om m en s ch a ft verbundene Tätigkeit der
Hummeln eine in s t in k t iv e ist, wird durch viele, in diesem Kapitel bereits von mir beschriebene
Tatsachen bewiesen, mit ganz besonderer Anschaulichkeit jedoch durch Beobachtung
vor dem A u s sch lü p fen aus dem Kokon iso lie r te r Hummeln festgestellt.
Auf der Taf. I, Fig. 16 ist die erste Wabe von Bombus lapidarius abgebildet; die
Kokons dieser Wabe (coc) sind von zimmtbrauner Farbe, da das die Larvenzelle bedeckende
Wachs von dem Weibchen nicht entfernt wird. Einer der Kokons dieser Wabe hatte eine
Öffnung (Taf. I, Fig. 16 coc. 1.), durch welche der weiße Körper der darin befindlichen
Puppe zu sehen war.
Die erste Hummel verließ ihren Kokon (v.r.), nachdem die Wabe am 10. Juni Vormittags
isoliert worden war. Trotzdem die Wabe absichtlich in einer falschen Lage hingelegt worden war,
und zwar mit dem Kopfende der Puppen nicht nach oben, wie sich dies gehörte, sondern
nach unten gerichtet, kroch die Hummel, nachdem sie die Zelle verlassen hatte und sich
unterhalb der Wabe befand, sofort nach oben und ließ sich auf der Wabe nieder, d. h. so,
wie dies sich gehört: sie korrigierte den absichtlichen Fehler des Beobachters, welcher sie
von ihren ersten Schritten in der Welt angefangen in eine ungewohnte Lage hatte versetzen
wollen. Ihre Haare waren noch klebrig und lagen dem Körper dicht an, wodurch
diesem eine hellgraue Färbung verliehen wurde. Auch die Flügel waren augenscheinlich
noch verklebt und nicht gerade, sondern schief gerichtet. Ich bot der Hummel auf einem
Papierröhrchen Honig an, welchen sie sofort zu saugen begann, wobei sie sich Kopf und
Fühler damit beschmierte.
Die Versuche des Tieres, sich von dem Honig zu reinigen, waren deshalb von
Interesse, weil sie äußerst schwach und ungeschickt ausfielen. Die junge Hummel schien
immer neue Versuche zu machen und stets ohne Erfolg; erst nach etwa fünf Minuten gelang
es ihr, sich von der lästigen Masse zu befreien. Dabei war sie sowohl mit den Beinen
als mit dem Hinterleibe tätig. Diese ganze Zeit über hielt sich die Hummel auf der Wabe
auf, welche sie nicht verließ. Bald wurden ihre Bewegungen immer bestimmter und rascher,
was von Minute zu Minute deutlich zu verfolgen war.
Der erste Tag der jungen Hummel verging in folgender Weise: sie fraß dreimal von
dem Honig in sehr kleinen Portionen und machte sich sehr viel an der Wabe zu schaffen,
indem sie auf derselben hin und her lief, als wollte sie sehen, ob alles in Ordnung wäre;
auch kaute sie etwas an dem halbgeöffneten Kokon. Um 5 Uhr schickte sie sich zum
Schlafen an, und zwar oben auf der Wabe. Daß die Hummel schlief, war aus ihrer Unbeweglichkeit
und den lange Zeit aussetzenden Atembewegungen zu ersehen. Unter die
Wabe war sie kein einziges Mal hinabgeklettert.
Als der Hummel am 11. Juni ein Röhrchen mit Honig angeboten wurde, offenbarte
sie Handlungen, welche am Tage zuvor nicht beobachtet worden waren. Erstens summte
sie gleichsam drohend, d. h. sie verteidigte die Wabe. Dieses Summen wird als Selbstverteidigungsmittel
von den Hummeln a u ß e r h a lb des Nestes nicht angewendet, im Neste
aber ist es bei jeder Erregung das erste, was die Hummel tut. Und zwar bedienen sie
sich dieser Lautäußerungen vom zweiten Tage an. Es ist nun im höchsten Grade lehrreich,
daß unsere isolierte Hummel sich ebenso verhielt. Am ersten Tage hatte die Hummel bei
der Annäherung eines Röhrchens mit Honig nicht gesummt, d. h. in diesem Gegenstände
keine Gefahr für die Wabe gesehen, welche sie zu beschützen berufen war; am zweiten
Tage aber erblickte sie in dem gleichen Gegenstände etwas sie Bedrohendes, obwohl
doch die e in z ig e E r fa h r u n g , die sie inzwischen gemacht hatte, sie hätte belehren
sollen, daß das sich nähernde Röhrchen nicht nur ungefährlich, sondern sogar sehr
nützlich war, indem es ihr Honig verschaffte. Andere Hummeln aber, welche ihr dies
hätten eingeben können, waren nicht zugegen.
Ferner ließ sich die Hummel, als sie eines fremden, sich bewegenden Gegenstandes
gewahr wurde, auf den Rücken fallen, was ebensogut ein Mittel zur Selbstverteidigung ist,
wie zur Verteidigung des Nestes. Dieses Gebahren ist, wie wir bereits wissen, auch den