Eine aridere Beziehung der Hummeln zu deiihLarven kann ich schon aus dem Grunde
nicht zugeben, weil ich sorist diese Insekten für klüger erachten müßte als die Menschen, von
denen keiner ohne persönliche Erfahrung und Belehrung eine Ahnung von der Metamorphose
der Insekten haben würde, während die Hummeln doch ohne gelernt oder irgend
etwas gesehen zu haben sofort nach dem Verlässen der Zellen in dieser Sache bewandert
sind: denn sofort nach dem Ausschlüpfen aus dem Kokon, mit noch verklebten Härchen,
verhalten sie sich den Larven gegenüber genau eberiso wie die vollständig erwachsenen
Tiere. Ein weiterer Grund ist der, .daß gerade das Verhalten zu den heuteti„innig geliebten"
und morgen „ohne Ursache" vernichteten Larven keine andere Auffassung zuläßt
Die Erklärung, auf welche Weise:<dfe>Tatsache des F u tte rm an g e ls mit dem Instinkte
der Larvenvernichtung verknüpft werden konnte; und die Bezeichnung der Reize,
'auf welche der Instinkt als Reaktion erscheint, bot keine Schwierigkeit. Vipischwerer ist
es, die psychischen Prozesse festzustellen, die uns die gleiche Reaktion b e i e in e r V e r minderung
der A rb e it sk r ä f te der Hummelfamilie erklären könnten: welche Faktoren
sind an dem Prozesse, dessen Ausgangspunkt die Verminderung der Arbeitskraft und dessen
Endpunkt die Vertilgung der Larven bildet, beteiligt, und wie wirken sie? Ich vermute, daß
der Anstoß in der auf den Untergang eines Teils der Familienglieder folgenden allgemeinen
H e rabsetzun g der E n e rg ie der F am ilie zu suchenist; ein auf der Rolle der Menge
beruhender Faktor, von dem in dem folgenden Kapitel spezieller die Redjs sein wird.
Das sind die Tatsachen und daraus sfch ergebenden Schlußfolgerungen über die
Larvenvertilgung bei den Hummeln, ihre biologische Bedeutung und psychologische Natur.
Es erübrigt nochllj|i Frage zu beantworten : womit läßt sah der zwischen den Hummeln
einerseits und den Bienen und Wespen andererseits:in dieser Hinsicht bestehende Unte rsch
ied erklären und welches ist die biologische Bedeutung dieses Unterschiedes?1 Die Ant-
wort hierauf scheint mir vollständig klar zu sein: da die G em e in sch a ften der Hummeln
v ie l wen ig e r za h lr e ich sind, als d ie jen ig en der Bienen und Wespen, so. e ilt
die F ru ch tb a rk e it des Hum m e lw e ib ch en s u n te r n o rm a len V e r h ä l tn is s e n
ste ts den K r ä ften der A rb e itsh än d e ivoraus; durch dieseS normale Übergewicht de|>
Bedarfs an Nahrung über das Angebot derselben läßt.sich zweierlei erklären: erstens, warum
die ersten Bruten von Arbeiterinnen stets aus bedeutend kleineren Individuen bestehen alsr
die nachfolgenden Bruten und warutn mit dem Anwachsen der BevÖlkerurigszahl auch der
Wuchs der Individuen zunimmt (indem die Möglichkeit, die Nachfrage zu befriedigen,
immer größer und großer wirdjjuund zweitens auch der Umstand, daß das Gleichgewicht
zwischen Nahrungsbedarf und -angebot bei den Hummeln sehr wenig...stabil ist: kaum
treten die geringsten Schwierigkeiten in der Beschaffung der für die Larven passenden
Nahrung ein, so wird dasselbe gestört, und es beginnt eine H e r a b s e t z u n g des B e d
a r fs , d. h. eine Vernichtung von Larven, die entweder eine teilweise (die „auswanderri-
den“ Larven treffende) oder eine totale sein kann.
Bei den Bienen dagegen werden n ic h t a l le Larven getötet, sondern nur diejenigen,
welche Drohnen ergeben werden; .auch werden sie, wie wir wissen, in Bezu g auf
die Z e it n ich t ordnungs lös v e r t ilg t , sondern genau zu der Zeit, wo auch die Drohnen
selbst getötet werden. Die Vertilgung der Larven^^^J also auf einen bestimmten Moment
im Leben der Familie fixiert. Die Ursache dieser Abweichung liegt klar zu Tage.' Die'
Familie der Bienen ist im: Gegensätze zu derjenigen der Hummeln stets g le i c h m ä ß ig
Stark; das' Gleichgewicht zwischen der Zahl der Larven und der der Arbeitskräfte, die
bereit sind, ihnen Nahrung darzubieten, ist darum in der Bienenfamilie ein unvergleichlich
beständigeres. Hierauf 'beruht die Möglichkeit; eine größere Anzahl von untätigen Essern
zu unterhalten; die in Anbetracht der Stärke des Stockes nicht »viel schaden, gelegentlich
aber sich als nützlich erweisen können; daher auch endlich, — neben der Spezialisierung
in der Erziehung der Larven von Drohnen Und Arbeiterinnen — die Möglichkeit einer
Spezialisierung des Instinktes» zur Vernichtung einer bestimmten Art von Larven.
Diese normale Ordnung der Dinge kann bekanntlich auch gestört werden und eben
hierdurch Zeugnis davon ablegjfüf daß die Psychologie der Drohnenlärvenvertilgung bei den
Bieneri sich in keiner wesentlichen Weisri von» demjenigen unterscheidet, was wir bei den
Hummeln gesehen haben; abgesehen natürlich von der (in psychologischer Hinsicht unbeträchtlichen)
Spezialisierung des Instinktes in der A B w a h l der Larven.
Z. B. wissen' wir, daß bei idp j Bienen die Vernichtungen der Drohnen und ihrer
Lar veil zeitlich bisweilen nicht zusammenfallen ;_:.es-smd Fälle bekannt, wo die Drohnen
in Perioden von Futtermangel;)schon im Frühsommer „gemordet" werden, während die
Larven in Ruhe gelassen werden. Es sind auch Fälle bekannt, wo sowohl Drohnen als»
Larven i:ii Anfänge des Sommers getötet worden sind. Ob es: vorkommt, daß die Larven
vernichtet werden», die Drohnen aber, wenn auch nicht ganz ■ unangetastet bleiben, so doch
jedenfalls nicht in Masse, getötet* Welpen, darüber habe ich in der Literatur keine Angaben
finden; können, zweifle aber nicht im geringsten ,-pi; einer [glichen Möglichkeit.
Was die Wespen betrifft, so. unterscheiden sich diese von den Bienen und Hummeln
dadurch, daß sie alle Larven ohne Ausnahme itnd nicht, wie die Bienen, allein die Drohnenlarven
jyernichten, und zwar nicht im »Sommer, sondern vor dem Eintritte des Winters, im
Herpite, wenn die kalte Witterung beginnt und Futtermangel eintritt. Dieses abweichende
Verhalten i^t; ganz verständlich, wenn man die Eigentümlichkeiten der Lebensweise bei den
Wespen im Auge behält, und ändert im Prinzipe nicht das Geringste an den’ Erklärungen,
welche ich über diese Erscheinungen bei den Hummeln gegeben habe.
Roman es und andere Psychologen, Welche sich bei diesem Gegenstände einer abweichenden
Forschungsmethode — der Analogie ad hominem — bedienen,, urteilen natürlich
anders|Hsie finden die Erscheinung unfaßlich und verstehen nicht, „warum die Wespen
ihre Larven vor dem Winter vertilgen, da sie doch . gleich nach ihnen auch selbst zu
Grunde gehen, indem die Wespen gleich den Hummeln nicht überwintern" ? Wenn die gesamte
Menschheit, so urteilt der achtungswerte Naturforscher:, mit Ausnahme einiger
weniger Frauen, einem periodischen Untergänge geweiht wäre, welcher sich etwa alle
looo Jahre wiederholen würde, » was, hätte sie dann für einen Vorteil davon, wenn sie einige
Monate vor» dem Ablauf eines jeden Jahrtausends alle Kranken, Wahnsinnigen und anderen
„nutzlosen Esser" vernichtete?_c-Hierauf möchte ich antworten, daß Romanes, wenn er
die Tiere s tud ieren und nicht über sie dichten würde,, eine derartige Frage nie gestellt
hätte; denn er müßte dann wissen, daß der Gedanke an den eigenen Tod nur dem
Menschen zugänglich ist, vielleicht auch noch, was jedoch noch zweifelhaft ist; den höheren
R o m a n e s ; Mental evolution in Animals.